Ehec-Patientin im Gespräch:"Angst, dass Erreger noch in mir sind"

Gefährliche Magenkrämpfe, Isolierstationen mit Wachpersonal und Quarantäne im eigenen Haus: Eine Ehec-Patientin berichtet, wie sich ihr Leben nach der Erkrankung abspielt, wie ihre Kinder damit umgehen - und warum sie jetzt selbst Birnen und Äpfel vor dem Essen kocht.

Katrin Blawat

Wie fühlt es sich an, eine Ehec-Infektion überstehen zu müssen - und was bedeutet das für die Familie? Eine Juristin aus der Nähe von Hamburg, Mutter dreier Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter, erzählt über ihre Ansteckung mit dem Bakterium und über die Angst, die damit in ihr Leben getreten ist. Die 41-Jährige möchte anonym bleiben, um ihre Familie zu schützen.

Health Authorities Seek Clues To EHEC Outbreak

"Von Tag zu Tag mehr Patienten": Isolierstation im Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf.

(Foto: Getty Images)

SZ: Wie geht es Ihnen?

Jetzt wieder gut, danke. Ich bin noch etwas zittrig, aber die Magenkrämpfe und das Fieber sind weg. Zum Glück stand bei mir nie zu befürchten, dass die Nieren nicht mehr arbeiten würden, und ich hatte auch keine neurologischen Ausfälle.

SZ: Warum möchten Sie dieses Interview anonym führen?

Die Leute hier sind sehr, sehr ängstlich; vor allem die Mütter machen sich viele Gedanken. Ich möchte meine Familie vor Gerüchten schützen. Die Aufregung in den Schulen ist natürlich groß. Wenn ein Kind derzeit Bauchweh hat, verlangen gleich einige Eltern, dass es zu Hause bleibt. Ich habe zudem Angst davor, grundlos beschuldigt zu werden, wenn andere Menschen in meiner Umgebung erkranken.

SZ: Wie fing die Krankheit an?

Am Anfang hatte ich Durchfall, aber sonst ging es mir noch gut. Da habe ich mich schon von den Kindern ferngehalten und sehr auf die Händehygiene geachtet, bin aber noch nicht ins Krankenhaus. Nach zwei Tagen wurde es schlimmer, die Magenkrämpfe gingen nicht mehr weg. Mein Mann hat mich dann ins Universitätsklinikum Eppendorf gebracht.

SZ: Wie war die Stimmung dort?

Die Ärzte und Pfleger haben sich ständig für das Durcheinander entschuldigt. Ich empfand es aber gar nicht als chaotisch. Die Ärzte schienen zwar von allen möglichen Stationen zusammengewürfelt zu sein, aber alle waren sehr aufmerksam und nett. In einer Art Container hatten sie eine Aufnahmestation eingerichtet, abseits vom Hauptgebäude auf der grünen Wiese. Von dort wurde ich wieder nach Hause geschickt, weil meine Blutwerte noch in Ordnung waren.

SZ: Wie ging es dann weiter?

In der nächsten Nacht ging es mir sehr schlecht, ich konnte gar nichts bei mir behalten. Diesmal haben sie mich im Krankenhaus behalten. Ich kam in ein Doppelzimmer auf eine Isolierstation, die speziell für Ehec-Patienten freigeräumt worden war. Als ich auf die Station kam, war sie noch nicht so voll, aber dann wurden es von Tag zu Tag mehr Patienten. Auch hier haben sich die Ärzte und Pfleger für das Chaos entschuldigt, aber man hat ihnen die Arbeitsbelastung nicht angemerkt. Das fand ich bemerkenswert.

SZ: Wie sah die Therapie aus?

Ich habe Infusionen bekommen und, wenn ich wollte, Schmerzmittel. Regelmäßig wurden Blutdruck und Fieber gemessen und Blut abgenommen, am Anfang zwei Mal täglich. Zu essen gab es anfangs nur Zwieback und Kamillentee, später Kartoffelbrei und Brühe.

SZ: Hat man Sie befragt, was Sie gegessen hatten?

Ja, an meinem dritten Tag im Krankenhaus kamen Mitarbeiter des Robert-Koch-Instituts mit einem sehr ausführlichen Fragebogen. Sie saßen an meinem Bett und haben mich eine Dreiviertelstunde lang befragt, was ich wann wo gegessen hatte, angefangen fünf Tage vor den ersten Symptomen, und wo ich es gekauft hatte. An alles konnte ich mich nicht mehr erinnern, aber man isst ja doch meistens das Gleiche. Bei uns gibt es jeden Abend Brot und Gemüse, da war es nicht so schwierig. Da waren natürlich auch die klassischen Verdachts-Lebensmittel dabei. Und zwei Tage, bevor ich die ersten Symptome bekam, hatte ich im Restaurant einen Salat mit Sprossen gegessen.

SZ: Durften Sie im Krankenhaus Besuch bekommen?

Ja, auch wenn mir am Anfang nicht danach war. Es gab einen Wachmann, der darauf geachtet hat, dass jeder Besucher Schutzanzug und Handschuhe trug. Wenn jemand Taschen mitbrachte, wurden die in Plastiktüten verpackt. Wenn meine Familie und Freunde da waren, haben wir oft darüber geredet, wo die Keime wohl herkommen. Wenn auf einmal jemand aus dem unmittelbaren Umfeld betroffen ist, erscheint die Gefahr viel realer, als wenn man darüber nur in der Zeitung liest. Das macht alle sehr ängstlich und vorsichtig. Bevor ich selbst krank wurde, hat mich Ehec zwar mehr geängstigt als zum Beispiel BSE oder die Schweinegrippe, aber trotzdem erschien es nicht wie eine wirkliche Bedrohung.

SZ: Wie lange waren Sie im Krankenhaus?

Eine Woche. Seitdem bin ich zu Hause in Quarantäne, weil nicht sicher ist, ob ich den Keim noch in mir trage. Wir haben großes Glück, dass wir das räumlich gut machen können. Ich wohne in unserem Gästezimmer unter dem Dach und habe auch eine eigene Toilette. Ich bin nur oben und meine Familie nur unten. Sie stellen mir das Essen auf die halbe Treppe, da hole ich es ab. Wir haben überhaupt keinen persönlichen Kontakt.

SZ: Verstehen Ihre Kinder das?

Sie haben schnell akzeptiert, dass bei der Hälfte der Treppe die Grenze verläuft. Die Kinder sind ja auch in Quarantäne, gehen nicht in die Schule oder ins Schwimmbad. Zum Glück kann meine Mutter auf sie aufpassen, sie geht mit ihnen in den Wald. Bis jetzt klappt es ganz gut, weil sie sich freuen, nicht in den Kindergarten und die Schule zu müssen.

SZ: Verlassen Sie selbst nie das Haus?

Doch, aber damit warte ich, bis die Kinder unterwegs sind, um sie nicht zu verwirren. Dann ziehe ich einen Schutzkittel an, desinfiziere mir die Hände und ziehe außerdem Handschuhe an. So gehe ich dann die Treppe runter. Ich gehe im Wald spazieren, um meinen Kreislauf anzukurbeln. Wenn ich an jemandem vorbeigehe, halte ich so viel Abstand wie möglich, auch wenn das irrational ist. Aber ich will nicht schuld sein, wenn es noch jemanden erwischt. Der Gedanke, dass die Erreger möglicherweise noch in mir sind, ist beängstigend. Zum Glück habe ich bis jetzt noch keinen Lagerkoller bekommen. Ich bin aber vor allem dankbar, dass es mich nicht mit HUS erwischt hat. (Das hämolytisch-urämische-Syndrom ist eine Erkrankung der Blutgefäße, die im Zuge einer Ehec-Infektion auftreten kann, Anm. d. Red.)

SZ: Isst Ihre Familie noch Obst und Gemüse?

Ja, aber alles nur gekocht, auch Äpfel und Birnen. Auch wenn das vielleicht ein bisschen paranoid ist.

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