General Motors:Warum GM Opel loswerden will

Vieles spricht dafür, dass General Motors die Verluste in Rüsselsheim nicht weiter tolerieren wird. Alle übrigen Töchter des Konzerns machen schon wieder Gewinn - nur Opel nicht. Dabei wirbt GM gerade jetzt mit dem deutschen Erbgut seiner neuen Modelle. Eine Trennung wird also für beide Seiten schmerzhaft sein.

Moritz Koch und Thomas Fromm

Indizien gab es zuletzt genug. Anfang März zum Beispiel, da saß GM-Chef Dan Akerson in einem Presseraum beim Genfer Autosalon und hämmerte mit den Fingern leise auf dem Tisch herum, als er über die Konzerntochter Opel sprach. "Jeder, der Geld verliert, verliert irgendwann auch die Geduld", sagte er. Da war klar, dass es nicht so weitergehen würde mit Opel. Dem einzigen Teil von GM weltweit, der zuletzt in den roten Zahlen steckte. Zu einer Zeit, als sich die anderen längst schon wieder von der Jahrhundertkrise erholten und Gewinne machten. Milliardenverluste, und das über Jahre. Akerson war mehr als ungeduldig. Akerson war geladen.

Neue Spekulationen um Opel-Verkauf

"Jeder, der Geld verliert, verliert irgendwann auch die Geduld", sagt GM-Chef Dan Akerson.

(Foto: dapd)

Vor zwei Jahren sah alles noch ganz anders aus. General Motors stand tief in der Kreide - und kaum jemand war für den Einsatz von Staatskrediten. Doch Barack Obama setzte sich über die Bedenken hinweg. Im Sommer 2009 wies der Präsident das Finanzministerium an, 50 Milliarden Dollar in das marode Unternehmen zu pumpen und es so durch einen Blitzkonkurs zu führen. Rückblickend ist die Rettung von GM vielleicht der größte wirtschaftspolitische Erfolg der US-Regierung.

Mittlerweile hat sich der Konzern eindrucksvoll erholt. Milliardengewinne drängen die schmerzhaften Erinnerungen der Mitarbeiter an den Existenzkampf in den Hintergrund. Schrittweise zieht sich die Regierung aus dem Unternehmen in Detroit zurück. Im Gegenzug für die Nothilfen hatte sie GM verstaatlicht, 61 Prozent der Anteile übernommen.

Auf dem Weg zu neuer Größe

Inzwischen ist GM auch an die Börse zurückgekehrt. Der Staatsanteil beträgt nur noch 33 Prozent. Schon am Jahresende könnte GM den Titel wiedererlangen, den es 77 Jahre mit Stolz getragen, 2008 aber an Toyota verloren hatte: größter Autobauer der Welt zu sein. Gerade im Ausland floriert das Geschäft, vor allem in Asien. In China verkauft GM inzwischen mehr Autos als in den USA. Die Lage könnte also sehr günstig sein - wenn nur das Opel-Problem nicht wäre. Die deutsche Tochter ist noch immer hochdefizitär, und ob das Sanierungskonzept greift, das der Konzern beschlossen hat, kann niemand absehen.

Dass die Bereitschaft, Opel auf unbestimmte Zeit durchzuschleppen, nun schwindet, hat vor allem einen Grund: Der Heimatmarkt bereitet GM erneut Sorgen. Wegen des teuren Benzins, der hohen Arbeitslosigkeit und der ungelösten Immobilienkrise kaufen die Amerikaner in diesem Jahr weniger neue Autos als erhofft. Zusätzlich wurde die Branche von dem schweren Erdbeben in Japan getroffen. GM musste nach der Katastrophe zeitweise seine Produktion herunterfahren, weil globale Lieferketten unterbrochen waren. "Die Unsicherheit über die wirtschaftliche Erholung und den Arbeitsmarkt ist groß", gestand GM- Chef Dan Akerson am Dienstag auf der ersten GM-Hauptversammlung seit der Blitzinsolvenz.

Doch so groß die Schwierigkeiten auch sind, ein erneuter Kollaps steht nicht bevor. GM ist robuster geworden. Der Konzern profitiert davon, dass er sich vor dem Konkursgericht massiver Zahlungsverpflichtungen entledigen konnte. Die Schulden des Autobauers wurden drastisch reduziert. Die Regierung zwang Gläubiger, ihre Geldforderungen in Unternehmensanteile zu verwandeln. Von dieser Last befreit, kann GM nun auch dann Gewinne verbuchen, wenn es wesentlich weniger Autos verkauft als vor der Krise.

Auch die Schwäche von Toyota spielt Akerson in die Hände, GM eroberte verlorene Marktanteile zurück. Das Unternehmen fühlt sich mittlerweile sogar stark genug, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Solche Meldungen sind es, die Barack Obama imponieren. Zwar bestreitet auch der Präsident nicht, dass es momentan Probleme gibt. Doch an der allmählichen Erholung bestehe keinen Zweifel.

"German Engineering" als Qualitätssiegel

Tatsächlich stand viel auf dem Spiel, als die US-Regierung die Rettung GMs und seines kleineren Rivalen Chrysler beschloss. Eine ungeordnete Pleite hätte die amerikanische Autoindustrie in den Abgrund gerissen. In Michigan, dem Herzland der US-Autoindustrie, hätte die Arbeitslosenquote Depressionsniveau erreicht.

Doch dank Obama kam es anders: Michigan schafft inzwischen landesweit die meisten neuen Jobs, und die USA besinnen sich auf die lange vernachlässigte Autoindustrie. Das produzierende Gewerbe ist zum Konjunkturmotor Amerikas geworden. Im ersten Quartal legte es im Vergleich zum Vorjahr um 9,1 Prozent zu, während die Wirtschaft insgesamt nur um 1,8 Prozent wuchs.

GM ist zum Aushängeschild dieser industriellen Renaissance geworden. Vor dem Konkursgericht hat sich der Konzern verschlankt und kann sich nun auf seine Kernmarken konzentrieren: Mit Chevrolet und Buick tritt er gegen Toyota und VW an, GMC konkurriert mit Pick-ups von Ford und Chrysler, und Cadillac fordert BMW und Mercedes heraus. Verlustbringer wie Hummer, Saab, Saturn, Pontiac wurden eingestellt oder verramscht.

Nur an Opel hielten die Amerikaner fest. Denn Opel ist mehr als eine altehrwürdige Marke, die ihre besten Tage hinter sich hat. Am Unternehmenssitz in Rüsselsheim befindet sich das Forschungszentrum, das GM jahrzehntelang mit Know-how versorgte. Wichtige Autos von Buick und Chevrolet beruhen auf Opel-Modellen. Früher hatte GM die deutsche Herkunft seiner Autos stets verheimlicht. Doch "German Engineering" ist in den USA längst zum Qualitätssiegel geworden. Auch GM wirbt jetzt mit dem deutschen Erbgut seiner neuen Modelle. Das zeigt, wie eng der Konzern mit seiner deutschen Tochter verwoben ist. Eine Trennung wird für beide Seiten schmerzhaft sein.

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