RWE: Geheimverhandlungen mit Gazprom:Codename Andromeda

Der Energiekonzern RWE treibt wegen des Atomausstiegs den Umbau voran und steht vor dem Verkauf seiner Netzsparte Amprion - er führt Geheimgespräche mit dem russischen Riesen Gazprom.

Markus Balser

Die Prognosen sind schlecht für die Andromeda-Galaxie. Gerade hat ein australisches Forschertrio publik gemacht, dass ihr die Strahlkraft ausgeht. Das blaue Sternsystem über der nördlichen Hemisphäre wandele sich zur alternden, roten Galaxie, so das Urteil der Astronomen.

Frankfurter Banker kannten die Studie offenbar nicht, als sie ihrem streng vertraulichen Projekt ausgerechnet diesen Codenamen verpassten. Schillernd sollte es klingen, nach Aufbruch und nicht nach Untergang. Denn der Name steht für ein bevorstehendes Milliardengeschäft des RWE-Konzerns.

Während der Streit um den Atomausstieg noch in vollem Gange ist, treibt Vorstandschef Jürgen Großmann hinter den Kulissen längst den fälligen Umbau des Energiekonzerns voran. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung trennt sich RWE bereits in den nächsten Tagen von der Mehrheit seiner Netzsparte Amprion. Der Verkaufsplan unter dem Titel Andromeda stehe unmittelbar vor dem Abschluss, heißt es. Bis Ende Juni sollen 75 Prozent der Sparte den Besitzer wechseln, verlautet aus Finanzkreisen.

Damit trennt sich RWE von einem Herzstück des Konzerns. Denn Amprion steht für das 11.000 Kilometer lange Hochspannungsnetz, das mehr als 25 Millionen Kunden in West- und Süddeutschland mit Strom versorgt. Die Abspaltung der wertvollen Stromautobahnen soll Bankenkreisen zufolge beinahe eine Milliarde Euro in die klammen Konzernkassen spülen.

Der Verkauf würde dem bedrängten Konzern etwas Luft verschaffen. Über ihre Tochter Commerz Real verhandele die Commerzbank derzeit mit bis zu acht Investoren aus dem Finanzsektor. Dazu soll auch der Allianz-Konzern gehören. Sie sollen zusammen drei Viertel der RWE-Tochter übernehmen. RWE selbst werde eine Sperrminorität von 25 Prozent behalten und sich die technische Führung des Netzbetriebs sichern. Die Gesellschaft mit Sitz in Dortmund wurde vor gut einem Jahr aus dem RWE-Konzern ausgegliedert, befindet sich jedoch weiterhin im Besitz des DAX-Konzerns. Sprecher von RWE, Commerzbank und Allianz lehnten am Dienstag einen Kommentar zu den Vorgängen ab.

Damit forciert RWE den groß angelegten Konzernumbau. Großmann will das Unternehmen vor seinem Abschied bis zum Herbst 2012 modernisieren, doch der Umbau kostet Geld - das eigentlich die Atomkraftwerke abliefern sollten. Nach dem beschleunigten Ausstieg und dem Festhalten der Bundesregierung an der Brennelementesteuer suche der Konzern nun nach schlagkräftigen Partnern, so verlautet aus dem Unternehmen.

Die Kartellbehörden sind skeptisch

Denn RWE ist wie Eon, EnBW und Vattenfall nur noch ein Schatten seiner selbst. Der Börsenkurs von Eon ist in nur vier Jahren um fast zwei Drittel auf unter 20 Euro eingebrochen. RWE hat ebenfalls zwei Drittel seines Wertes eingebüßt. Schon vor Fukushima beschloss auch RWE harte Einschnitte, um gegenzusteuern. Verkäufe von Randaktivitäten sollen dem Unternehmen acht Milliarden Euro einbringen. Auch das Investitionsbudget für die kommenden drei Jahre schmolz um drei auf 18 Milliarden Euro. Und der bestehende Sparkurs wurde verschärft. Bisher wollte RWE bis 2012 die jährlichen Kosten um 1,2 Milliarden Euro senken. Seit Jahresbeginn war klar: es müssen noch einmal 200 Millionen Euro mehr sein. Doch nach Fukushima wird immer klarer: auch das dürfte nicht reichen.

Die RWE-Spitze prüft deshalb offenbar weitere internationale Partnerschaften und sucht dabei auch die Nähe zu Russlands finanzstarkem Rohstoffkonzern Gazprom. RWE-Chef Großmann werde in Kürze zu bislang geheim gehaltenen Gesprächen mit Gazprom-Chef Alexej Miller zusammentreffen. Das Treffen solle in Russland stattfinden, erfuhr die SZ aus dem Umfeld Millers, der zuletzt sein grundsätzliches Interesse an einer Expansion auf dem deutschen Markt angemeldet hatte. Ein RWE-Manager bestätigt das Treffen. "Es geht um die laufenden Geschäftsbeziehungen zwischen unseren Häusern", verlautet aus dem Konzern.

Das Moskauer Unternehmen versucht seit Jahren, stärker in den Endkundenmarkt für Gas in Deutschland vorzudringen, stieß aber immer wieder auf politischen Widerstand. Gazprom will dabei nicht nur Brennstoff liefern, sondern sich erstmals an deutschen Kraftwerksprojekten beteiligen. Neben der umstrittenen Höhe der Gaspreise für die Lieferungen nach Deutschland gehe es bei dem Treffen auch um mögliche Formen der Kooperation, verlautete weiter. So seien gemeinsame Kraftwerksprojekte möglich.

Finanziell wäre der Ausbau des Deutschlandgeschäftes für Gazprom problemlos machbar. Das Unternehmen investiert derzeit jährlich bis zu 30 Milliarden Euro in die eigene Expansion. Auch den Einstieg in deutsche Energiekonzerne hatte Gazprom-Chef Miller zuletzt ausdrücklich für möglich erklärt, sofern sich eine strategische Beteiligung in Deutschland biete. In der Politik und bei Kartellbehörden waren die Expansionspläne von Gazprom zuletzt auf Skepsis gestoßen. Ein Einstieg des russischen Gazprom-Konzerns in einen deutschen Versorger würde auf kartellrechtliche Bedenken stoßen, hatte die Behörde kürzlich erklärt und signalisiert. "Uns liegt bislang keine Anmeldung vor." Wenn sich mit Gazprom ein großer Produzent erstmals an deutschen Energiekonzernen beteiligen würde, ergeben sich wettbewerbsrechtliche Aspekte, die einer genauen Prüfung bedürfen.

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