Schuldenkrise in Griechenland:Athen verschiebt Europas Schicksalstag

Europa ist erleichtert, aber nur ein bisschen. Der Abstimmungssieg des griechischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreous verschafft allen eine kurze Verschnaufpause. Doch die Europäer dürfen sich nicht zu früh freuen: Die entscheidende Schlacht steht erst in der kommenden Woche an - und bis dahin müssen sie eine Sache begreifen.

Cerstin Gammelin

Kurz nach Mitternacht gab es in dieser kürzesten Nacht des Jahres quer durch Europa ein großes Aufatmen. Der griechische Premier Giorgos Papandreou hatte dem Parlament die Vertrauensfrage gestellt - und gewonnen.

Schuldenkrise in Griechenland: Ein Mitarbeiter richtet vor dem Treffen zwischen Griechenlands Ministerpräsident Papandreou und EU-Ratspräsident Van Rompuy am vergangenen Montag die Flaggen.

Ein Mitarbeiter richtet vor dem Treffen zwischen Griechenlands Ministerpräsident Papandreou und EU-Ratspräsident Van Rompuy am vergangenen Montag die Flaggen.

(Foto: AP)

Noch vor ein paar Monaten hätte kaum ein Europäer eine mitternächtliche Abstimmung in dem südeuropäischen Land überhaupt zur Kenntnis genommen. Wegen der Krise verfolgen Bürger und Politiker nun beinahe atemlos, was in Athen geschieht - an dem Schicksal des Landes hängt die Zukunft der Europäischen Union.

Papandreou hat es noch mal geschafft, und ein wenig Erleichterung macht sich breit. Der Premier wird also am Donnerstag nach Brüssel reisen können, um im Kreise seiner 26 Kollegen am EU-Gipfel teilzunehmen. Das sorgt für ein bisschen Stabilität mitten im griechischen Chaos.

Auch in Brüssel wird es um die Zukunft seines Landes gehen. Denn die entscheidende Abstimmung steht Papandreou erst noch bevor. Nächste Woche muss er das mit den Kreditgebern Europäische Union und Internationaler Währungsfonds ausgehandelte Spar- und Reformprogramm durch sein Parlament bringen. Durch das gewonnene Vertrauensvotum ist die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass er es schaffen kann. Sicher ist das nicht. Ganz sicher ist dagegen, dass die Geldgeber angekündigt haben, ohne Spar- und Reformpaket keine Kredite mehr zu gewähren.

Es war ein kluger Schachzug, dass Papandreou nur sich selbst und sein Kabinett zur Abstimmung gestellt - und dieses Votum nicht mit der Abstimmung über das Spar- und Reformpaket verbunden hat. Genau daran sind zuvor die Regierungen in Irland und Portugal gescheitert. Das Parlament lehnte die dortigen Spar- und Reformpakete ab - die Regierungschefs nahmen ihren Hut, es wurde neu gewählt.

Papandreou war bereit, zu gehen, um die Möglichkeit zu erhalten, das Spar- und Reformpaket danach auf anderem Wege beschließen zu lassen, notfalls mit einer parteiübergreifenden Erklärung. Er hat damit sein persönliches Schicksal hinter das des Landes gestellt. Keiner weiß so gut wie er, was in seiner Heimat passieren wird, wenn es keine Hilfsgelder mehr gibt: keine Gehälter, keine Zuschüsse für soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Feuerwehr, keine Jobs, keine Investitionen für lange Zeit.

Der richtige Ansatz der EU-Kommission

In Brüssel nährt der Sieg in der Sommernacht die Hoffnung, dass es soweit nicht kommen wird. Nun blicken die Verantwortlichen etwas optimistischer auf die Entscheidung am kommenden Dienstag: Bringt Papandreou sein Spar- und Reformpaket durchs Parlament, ist der Weg für die nächste Tranche aus dem bereits beschlossenen 110-Milliarden-Euro-Hilfsprogramm frei. Und für eine Verlängerung der Hilfen bis 2014.

Die Europäer sollten sich aber bewusst sein, dass die dramatische Situation der Menschen in Griechenland keinesfalls allein mit milliardenschweren Finanzhilfen verbessert werden kann. Denn davon fließt ein großer Teil als Zinsen an die Finanzinstitute dieser Welt.

Was die Griechen brauchen, ist vor allem technische Unterstützung aus den Partnerländern. Sie benötigen Experten, die Unternehmen und Behörden helfen, grundsätzliche Strukturen aufzubauen: Eigentum zu vermessen, Bescheide auszufertigen, Computer zu bedienen, Einwohner zu erfassen, Steuern zu berechnen und zu erheben, Angebote schreiben und Förderanträge nach Brüssel schicken. Die Ankündigung der EU-Kommission, genau dafür eine Milliarde Euro Verfügung zu stellen, ist exakt der richtige Ansatz.

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