Wen Jiabao zu Gast in Berlin:Merkel wirbt um Investitionen aus China

22 Abkommen, 14 Vereinbarungen, 13 mitgereiste Minister: Erstmals ist ein chinesischer Ministerpräsident zu Regierungskonsultationen nach Berlin gekommen, heute beginnen die Gespräche zwischen Wen Jiabao und Kanzlerin Merkel. Dabei steht die Wirtschaft ganz oben auf der Tagesordnung - die Menschenrechte eher weiter unten.

Daniel Brössler und Karl-Heinz Büschemann, Berlin

China soll sich nach dem Willen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stärker wirtschaftlich in Deutschland engagieren. Bei den Investitionen aus China gebe es einen "Nachholbedarf", hieß es am Montag vor Beginn der ersten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen aus der Bundesregierung. Die Wirtschaftsbeziehungen stehen bei den Beratungen oben auf der Tagesordnung.

Chinesischer Minsterpraesident besucht Deutschland

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Chinas Premier Wen Jiabao bei einem Spaziergang im Garten der Villa Liebermann am Wannsee: An diesem Dienstag wollen Deutschland und China ein neues Kapitel in ihren diplomatischen Beziehungen aufschlagen.

(Foto: dapd)

Im Handel mit China gebe es eine "enorme Chance auch für die deutsche Wirtschaft", sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP). In dem riesigen Land entstünden neue Mittelschichten, die "großes Interesse an deutschen Qualitätsprodukten haben".

Zu den Konsultationen wurde der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao am Montagabend in Berlin erwartet. Anders als auf den anderen Stationen seiner Europa-Reise wird er in Deutschland von dreizehn Ministern begleitet. Regierungskonsultationen führt Deutschland nur mit ausgewählten Partnern wie Frankreich, Polen oder Russland durch. China pflegt dieses Gesprächsformat mit keinem anderen Staat.

Im Rahmen der Beratungen an diesem Dienstag sollen 22 Abkommen und 14 Wirtschaftsvereinbarungen unterzeichnet werden. Dabei geht es etwa um die Zusammenarbeit in der Forschung, der Landwirtschaft oder bei den erneuerbaren Energien.

Die chinesischen Investitionen hätten zuletzt zugenommen, seien aber im Vergleich zu den deutschen Investitionen in China immer noch sehr gering, sagte ein Vertreter der Bundesregierung. Von den 38 Milliarden Dollar, welche die aufstrebende Wirtschaftsmacht im vergangenen Jahr im Ausland in Fabriken oder Unternehmen steckte, ging nur ein Bruchteil in die Bundesrepublik.

Abendessen am Wannsee

Bis 2009 beliefen sich die Direktinvestitionen der Chinesen in Deutschland auf gut 600 Millionen Euro. Deutsche Konzerne investierten in China hingegen bereits 20,7 Milliarden Euro. Neuere Zahlen sind nicht verfügbar, sie dürften auf beiden Seiten aber inzwischen deutlich höher liegen.

Bis 2020 werde die Gesamtsumme der chinesischen Investitionen bei vier bis fünf Milliarden Euro angekommen sein, erwartet Jens-Peter Otto von der Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse-Coopers. "In den zurückliegenden Jahren war das Wachstum langsam. Ich rechne jetzt mit einer Beschleunigung", sagte er. In Deutschland hätten sich der chinesische Staatsfonds oder Firmen des Landes vor allem im Mittelstand eingekauft, etwa bei Maschinenbauern oder Autozulieferern. Besonders interessiert seien sie an Technologieunternehmen. Anfang Juni hatte der chinesische Computerhersteller Lenovo mitgeteilt, er wolle den Computer- und Navigationsgerätehersteller Medion aus Essen für gut 600 Millionen Euro übernehmen.

Thema der Konsultationen sollen auch die Menschenrechte sein. Die Bundesregierung wollte allerdings nicht über einen Zusammenhang zwischen den Beratungen in Berlin und der Freilassung der Systemkritiker Ai Weiwei und Hua Jia spekulieren. Merkel, die Wen am Montag zum Abendessen im kleinen Kreis in die Liebermann-Villa am Wannsee einlud, wollte auch um chinesische Unterstützung für eine Resolution des UN-Sicherheitsrates gegen die Gewalt in Syrien werben. China lehnt diese bislang als "Einmischung in innere Angelegenheiten" ab.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: