Wen Jiabao besucht Deutschland:Heikle Geschäfte mit dem Kaufmann aus Peking

Der staatlich gesteuerte Turbokapitalismus made in China kauft sich in Deutschland und Europa ein. Peking erhöht so seine politische und ökonomische Macht. Daraus entsteht Abhängigkeit - und die macht duldsam. Bei aller Euphorie über expandierende Märkte, neue Arbeitsplätze und gute Gewinne: Im Falle Chinas muss das keine gute Nachricht sein.

Stefan Kornelius

Chinas Staatsholding und chinesische Investoren kaufen nicht nur Wiesen und Felder in Europa auf, sie investieren auch in Häfen, Eisenbahnlinien und Telefongesellschaften. China kauft diese Marktpuzzles zusammen, weil jede erworbene Aktie die ökonomische und politische Macht Pekings in Deutschland und Europa erhöht. Damit wachsen auch Abhängigkeiten: Je stärker die Ökonomien verflochten sind, desto heikler werden die politischen Geschäfte. Abhängigkeit macht duldsam. Im Falle Chinas muss das keine gute Nachricht sein.

Deutsch-Chinesische Regierungskonsultationen

Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao und Bundeskanzlerin Angela Merkel: Chinas Weg zum Image des verlässlichen Wirtschaftspartners führt über Deutschland.

(Foto: dapd)

Bei aller Euphorie über expandierende Märkte, neue Arbeitsplätze und gute Gewinne gilt am Ende für alle Geschäfte zwischen China und Europa: Das chinesische System ist autoritär und agiert häufig willkürlich, das westliche System hingegen basiert vor allem auf rechtsstaatlichen Grundsätzen, wie sie in Demokratien üblich sind. Dieser Gegensatz wird schnell zum Problem.

Nun spricht nichts gegen Geschäfte mit Staaten anderer politischer Ordnungen, wenn ein paar unumstößliche Grundsätze der Menschenrechte und der Gerechtigkeit gewahrt bleiben. Aber: In den Beziehungen zwischen China und den Staaten Europas gibt es ein Abhängigkeitsgefälle, die Kräfteverhältnisse sind ungleich verteilt.

Der staatlich gesteuerte Turbokapitalismus made in China sucht Zugang zur freien Marktwirtschaft in Europa, um einen größeren Anteil vom Kuchen abzubekommen. Bisher profitierten Europa und dabei ganz besonders Deutschland stärker von den chinesischen Marktbedingungen (billige Arbeitsplätze, Hunger nach Hochtechnologie), als China Nutzen aus der Technologie und dem Entwicklungsvorsprung der Europäer ziehen konnte. Dies soll sich nun ändern. Da aber die neuen Investoren aus China ihre eigenen Regeln mitbringen, wird es immer wieder zu einem Zusammenstoß der unternehmerischen Kulturen und Wertvorstellungen kommen.

Deutschland kommt Schlüsselrolle zu

Diese neuen Kooperationen sind unberechenbar, beladen mit Misstrauen. Gerade kollabierte in Polen das größte, von Chinesen gesteuerte Infrastrukturprojekt in Europa. Offenbar waren die von den Chinesen offerierten Dumpingpreise selbst mit staatlicher Rückendeckung aus Peking nicht zu halten. China hat keinen guten Leumund als Investor und Arbeitgeber.

Das soll sich nun ändern, weil die Führung in Peking das Vertrauen der Hochtechnologie-Länder braucht, um zum nächsten Entwicklungssprung anzusetzen. Dazu also sucht China die Unterstützung gerade der deutschen Regierung. Mit dem politischen Placet aus Berlin könnte das Misstrauen gegen das frische Geld aus dem Osten schwinden.

Deutschland kommt eine Schlüsselrolle zu bei der Erhebung Chinas in den Stand eines soliden Kaufmanns. Deswegen sollte die Bundesregierung vorsichtig sein bei der Verleihung des Gütesiegels. Geld mag schnell verdient sein, aber den Ruf der Verlässlichkeit erwirbt man nicht über Nacht.

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