Mehmet Scholl: Neues Musiklabel:"Wir sind keine Kindergärtner"

Ein Mann, viele Talente: Ex-Kicker Mehmet Scholl macht gerade nicht nur seinen Trainerschein, er hat auch - zusammen mit Kleinkunst-Dogen Till Hofmann und Produzent Gerd Baumann ein Musiklabel gegründet.

Oliver Hochkeppel

So ein Plattenlabel hat es wohl noch nicht gegeben: Mit dem Ex-Fußballstar und Musikliebhaber Mehmet Scholl, dem Kleinkunst-Dogen Till Hofmann und dem Produzenten und Filmmusiker (zum Beispiel alle Rosenmüller-Werke) Gerd Baumann hat Millaphon drei denkbar unterschiedliche Gründer. Und mit den Hip-Hop-Soulbläsern Moop Mama, dem urwüchsigen bayrischen Liedermacher Keller Steff und den intelligenten Indie-Jazzern Baloon Pilot stehen bislang gerade mal drei - natürlich ebenfalls höchst unterschiedliche - Bands im Katalog. Trotzdem war die rauschende Gründungsparty in der Freiheizhalle rekordverdächtig. Und brachte die Gelegenheit, Scholl und Baumann zu dem Projekt zu befragen.

Millaphon Gründer Gerd Baumann, Mehmet Scholl, Till Hofmann

Der Produzent, der Fan und der Stratege: die Labelgründer Gerd Baumann, Mehmet Scholl und Till Hofmann (von links).

(Foto: oh)

Wie entstand die Idee zu Millaphon?

Baumann: Till und ich hatten Moop Mama produziert und standen vor der klassischen Situation: Wie gehen wir es an? Welches Label - Major oder Independent? Aus allen Überlegungen war dann rasch klar, es selbst zu machen, auch weil über die Jahre der Wunsch erwachsen war, ein Label zu gründen. Die glückliche Fügung war dann, dass der Till und der Mehmet sich gut kennen, und wir zu dritt dastanden. Man wird dann natürlich trotzdem erst langsam gewahr, was man eigentlich angezettelt hat.

Bleibt die Arbeit nicht ohnehin an Ihnen hängen. Mehmet Scholl macht gerade seinen Trainerschein. . .

Scholl: Es ist jetzt nicht so, dass so viel tägliche Arbeit anfällt, oder man vor Ort sein muss. Im Moment ist alles noch recht locker. Wir haben auch sehr entspannte Bands, die uns nicht stressen. Und wir sind auch entspannt.

Und wenn Sie später einen Trainerjob haben, bleibt da noch die nötige Zeit, fürs Label zu repräsentieren?

Scholl: Das sieht man ja schon, dass es geht. Einmal hat der Till keine Rücksicht auf meine Termine genommen, da habe ich erst zwei Tage vorher vom Moop-Mama-Release erfahren und konnte nicht. Natürlich steckt alles noch in den Kinderschuhen und muss sich noch einspielen. Wir sind aber alle drei bereit, einen Part zu übernehmen.

Wie ist die Aufgabenverteilung?

Baumann: Im Moment haben wir ja drei Übernahmen, also von den Bands fertig produzierte Aufnahmen. Aber falls wir in der Zukunft Newcomer produzieren, bin klarerweise ich derjenige, der da dann aktiv mitarbeitet. . .

Scholl: Der Gerd ist ja der einzige von uns, der das kann. Der konkret sagen kann, es fehlt da und da. Er ist der Fachmann.

Baumann: Das ist meine Antriebsfeder. Das ist das, was ich kann. Ich habe nichts mit Marketing am Hut, da bin ich komplett talentfrei, das ist dem Till seine Aufgabe. . .

Scholl: Der Till ist unser Stratege. Der Geschäftsmann, der auch weiß, wann was wo zu platzieren ist.

"Wir sind bestimmt nicht auf der Suche nach Schnellschüssen"

Und Ihre Aufgabe, Herr Scholl?

Bayern Munich v Barcelona - Franz Beckenbauer Cup

In gewohnter Pose: Mehmet Scholl vor vier Jahren im Trikot des FC Bayern München.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Scholl: Ich gebe meinen Senf dazu. Ich bin Musikliebhaber mit einem eigenwilligen Geschmack, lasse mich aber gerne überzeugen. Ich bin hauptsächlich der Konzertbesucher und schaue, was bei mir ankommt. Wenn eine Band auf der Bühne ist, dann will ich etwas spüren.

Sie repräsentieren also den Blick von außen, der vielen Labels fehlt?

Scholl: Ja. Und was uns alle drei vor allem auszeichnet: Wenn wir eine Energie spüren, dann ist nicht der erste Gedanke "Könnte das ein Hit sein?" oder "Wie könnte man das verändern, dass es einer wird?". Wir glauben daran, dass die Bands, die wir haben, sich ihr Publikum live erspielen müssen. So wie sie sich uns erspielt haben.

Baumann: Es geht auch darum, dass man eine Bindung zu den Künstlern hat - auch eine menschliche Bindung. Der Idealzustand wäre eine langfristige Zusammenarbeit. Wir sind bestimmt nicht auf der Suche nach Schnellschüssen.

Bei den Majors ist es aber üblich geworden, Verträge nach Erfolg abzuschließen.

Baumann: Ja, das ist aber gleichzeitig auch deren Todesurteil. Immer öfter haben die Majors Bands abgelehnt, um sich zwei Jahre später kräftig zu ärgern. Da hat der Mehmet zum Beispiel eine großartige Intuition. In seiner Radiosendung (jeden ersten Freitag des Monats mit Achim Bogdan im "Nachtmix" auf Bayern 2, Anm. d. Red.) hat er oft Bands präsentiert, nach denen zu dem Zeitpunkt kein Hahn gekräht hat, die dann aber später ganz groß wurden.

Gibt es einen Masterplan, wie viele Bands das Label aufnehmen will und wie viele Produktionen es im Jahr werden könnten?

Baumann: Eigentlich nicht. Wir müssen erst einmal mit den Aufgaben mitwachsen. Wir sind ja alle drei Label-Frischlinge und wollen erst einmal bescheiden und langsam anfangen - auch wenn der Paukenschlag der Eröffnungsparty anders wirkt. Auf keinen Fall wollen wir möglichst viele Produkte auf den Markt werfen, um die wir uns dann nicht ausreichend kümmern können.

Scholl: Und wir sind keine Kindergärtner. Wir lassen den Bands sehr viel Eigenverantwortung und Kreativität. Wir nehmen ihnen nicht alles ab. Die Künstler sollen das machen, was sie am besten können: Musik.

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