Britischer Premier zur "News of the World"-Affäre:Cameron: "Wir stecken alle mit drin"

Lesezeit: 2 min

Zerknirscht gesteht Großbritanniens Premier David Cameron Fehler ein und versucht, den politischen Schaden der Abhör-Affäre um die Zeitung "News of the World" zu begrenzen. Camerons ehemaliger Berater Andy Coulson ist eine Schlüsselfigur des Skandals. Er wurde festgenommen - und später wieder auf freien Fuß gesetzt.

Das Revolverblatt ist am Ende: Am kommenden Sonntag wird die letzte Ausgabe der News of the World erscheinen. Der Imageschaden für die Boulevardzeitung und das herausgebende Verlagshaus war offenbar zu groß, die Abhör-Affäre um belauschte Telefonate drohte andere Projekte des australischen Medienmoguls Rupert Murdoch zu gefährden.

Premierminister David Cameron gestand auf einer Pressekonferenz in London Fehler im Umgang mit dem Abhörskandal ein. (Foto: Getty Images)

Auf politischer Ebene ist der Skandal weiterhin lebendig - am Freitag zwang er den britischen Premierminister zu einer Pressekonferenz. David Cameron kündigte an, die Presseaufsicht im Vereinigten Königreich solle umgebaut werden. Zugleich gestand der Regierungschef schwere Fehler im Umgang mit der Affäre ein.

Der Skandal drehe sich keinesfalls nur um eine einzige Zeitung und einen Journalisten, sondern auch um die Polizei und die Politik, sagte Cameron in London. "Wir stecken alle mit drin - die Presse, die Politiker, die Chefs aller Parteien, ich selbst inbegriffen." Die Parteiführer seien so erpicht darauf gewesen, in der Gunst der Zeitungen zu stehen, dass sie wissentlich ignoriert hätten, wie bei einigen Blättern gearbeitet worden sei.

Journalisten der News of the World sollen mit Hilfe von Privatdetektiven jahrelang nicht nur Telefone von Prominenten und Politikern, sondern auch von Terroropfern und Soldaten-Hinterbliebenen abgehört haben. Am Donnerstag hatte der Chef des Murdoch-Verlags News International, James Murdoch, bekanntgegeben, die Boulevardzeitung einzustellen.

Camerons früherer Pressechef festgenommen

Ihre Arbeitsweisen werden die Politik noch länger beschäftigen. Cameron kündigte mehrere Untersuchungsausschüsse an. Möglichst bald werde er eine unabhängige Kommission einsetzen, die Vorschläge machen solle, wie die britische Presselandschaft in Zukunft reguliert werden könne. Das sei sehr schwierig, da die Pressefreiheit nicht eingeschränkt werden dürfe. "Freiheit der Presse heißt aber nicht, dass sie über dem Gesetz steht." Auch dem Vorwurf gegenüber der Polizei, Bestechungsgelder angenommen zu haben, werde auf den Grund gegangen.

Cameron bezog auch Stellung zu der Entscheidung, nach seinem Wahlsieg 2010 den früheren News of the World-Chefredakteur Andy Coulson zu seinem Kommunikationschef gemacht zu haben. Coulson hatte die Redaktion von 2003 bis 2007 geleitet. Nachdem immer mehr Details über die umstrittenen Methoden an die Öffentlichkeit gelangten, war er als Camerons Berater zurückgetreten.

Inzwischen wurde Coulson wegen des Verdachts der Bestechung und des Abhörens von Telefonen festgenommen. Am Freitagabend verließ er eine Londoner Polizeistelle allerdings wieder. Dabei antwortete er aber nicht auf Fragen von Reportern, die sich vor dem Gebäude versammelt hatten. Es gebe "unheimlich viel" zu sagen, sagte Coulson. Ihm sei aber geraten worden, zu schweigen. Ob gegen ihn Anklage erhoben wurde, bleibt unklar.

Der britische Premier bedauerte am Freitag, Coulson eingestellt zu haben. Das sei ein Fehler gewesen, sagte Cameron. Er übernehme dafür die volle Verantwortung. Der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Ed Milliband, hatte zuvor von Cameron eine "Entschuldigung" gefordert. Milliband hatte jedoch eingeräumt, auch seine Partei sei im Umgang mit den Medien nicht frei von Fehlern gewesen.

In Zusammenhang mit dem Abhörskandal ist neben Coulson auch der frühere Ressortchef für das Königshaus festgenommen worden. Clive Goodman steht nach Informationen der britischen Nachrichtenagentur PA unter dem Verdacht, Polizisten bestochen zu haben. Goodman verbüßte 2007 eine Hafststrafe, weil er einen Lauschangriff auf Berater des Königshauses verübt hatte.

Goodman arbeitet mittlerweile bei der Boulevardzeitung Daily Star, weshalb am Freitag auch deren Redaktionsräume durchsucht wurden. Die Polizei soll dabei vor allem nach E-Mails gesucht haben.

© sueddeutsche.de/dapd/dpa/rtr/mikö - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: