Streit um Putin:Özdemir verlässt Quadriga-Kuratorium

Der Streit um den deutschen Ehrenpreis für Russlands Premier Putin eskaliert: Grünen-Chef Özdemir kündigt aus Empörung seinen Rückzug aus dem honorigen Kuratorium an, der Menschenrechtsbeauftragte der Regierung nennt die Auszeichnung zynisch. Das Quadriga-Gremium lässt sich davon nicht beirren - und hält an seinem umstrittenen Preisträger fest.

Wegen der geplanten Vergabe des Quadriga-Preises an Russlands Premier Wladimir Putin verlässt Grünen-Chef Cem Özdemir das Kuratorium des Vereins "Werkstatt Deutschland". Özdemir begründete den Schritt mit einer "unterschiedlichen Einschätzung über die Verdienste von Wladimir Putin für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit".

Landesparteitag Bündnis 90 Die Grünen

"Unterschiedliche Einschätzung über die Verdienste von Wladimir Putin für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit": Grünen-Chef Özdemir verlässt das Kuratorium des Vereins Werkstatt Deutschland.

(Foto: dpa)

Auch der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, kritisierte die geplante Ehrung scharf. Am Tag zuvor war die Entscheidung, Putin als mustergültigen Staatsmann auszuzeichnen, bereits bei Menschenrechtlern in Russland auf Ablehnung gestoßen. Sie vermuteten hinter der geplanten Ehrung eine "Wahlkampfhilfe" für den früheren Kremlchef.

Das Kuratorium will dennoch an seinem umstrittenen Preisträger festhalten. Putin werde wegen seiner "Verdienste für die Verlässlichkeit und Stabilität der deutsch-russischen Beziehungen ausgezeichnet", hieß es in einer Stellungnahme des Kuratoriums nach einem Krisentreffen am Dienstag. Zur Kritik an fehlender Rechtstaatlichkeit in Putins Politik äußerte sich das Gremium nicht.

Zuvor hatte die Vorsitzende der Arbeitsgruppe Menschenrechte und Humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion erklärt: "Der Wert des Quadriga-Preises kann nur gerettet werden, wenn das Votum beim Krisentreffen des Vereins zurückgenommen wird." Geehrt würden jährlich Vorbilder, die Aufklärung, Engagement und Gemeinwohl verpflichtet sind, sagte Erika Steinbach. "Der russische Ministerpräsident Wladimir Putin erfüllt bei aller Bedeutung keine dieser Voraussetzungen."

Alljährlich am Tag der Deutschen Einheit verleiht der Verein "Werkstatt Deutschland" den Quadriga-Preis an "Vorbilder, die Aufklärung, Engagement und Gemeinwohl verpflichtet sind".

"Die Demokratie zurückgebaut"

Der Preis solle an Personen verliehen werden, die sich um die Demokratie verdient gemacht hätten, betonte nun Özdemir. Er sehe Putin aber nicht in einer Reihe mit Preisträgern wie Michail Gorbatschow, der Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley und dem ehemaligen tschechischen Präsidenten Václav Havel.

Im Kuratorium habe er sich am 15. Juni gegen eine Auszeichnung Putins ausgesprochen. Berichte, er habe sich bei dieser konkreten Frage enthalten, seien "nachweislich falsch und entbehren jeder Grundlage". Der Ehrung anderer Preisträger, die von der Quadriga bekanntgegeben werden sollten, habe er aber zugestimmt, teilte Özdemir mit.

Putin solle für Verdienste für die deutsch-russischen Beziehungen ausgezeichnet werden. "Doch beinhaltet die Verleihung des Quadriga-Preises (...) auch immer die Würdigung der individuellen Verdienste um die Demokratie und ihre Förderung."

Der Menschenrechtsbeauftragte Löning nannte es zynisch, Putin in eine Reihe mit Gorbatschow und Havel zu stellen. Das entwerte einen Preis, der für Freiheit und demokratischen Aufbruch stehe, sagte er Spiegel Online. "Putin hat während seiner Amtszeiten als Staats- und Ministerpräsident die Demokratie zurückgebaut, Freiheiten eingeschränkt, den Rechtsstaat ausgehöhlt und Russland der Korruption preisgegeben."

Putin will sich nach Angaben seines Sprechers vorerst nicht zu dem Streit äußern. Nach dpa-Informationen hatten sich Vertreter des Vereins "Werkstatt Deutschland" bereits im März mit Putins außenpolitischem Berater über die Preisverleihung abgestimmt.

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