Abhörskandal in Großbritannien:Entgleitet Murdoch die Kontrolle über sein Imperium?

Die Befragung des zurückgetretenen Londoner Polizeichefs Stephenson läuft, in Kürze muss sich auch die Schlüsselfigur im britischen Abhörskandal verantworten: Rupert Murdoch wird heute vor die Parlamentarier treten. Dabei erhöht sich schon im Vorfeld der Druck auf den Medienunternehmer: Spekulationen um eine Nachfolgeregelung innerhalb von News Corp. kommen auf.

Es dürfte ein historischer Termin für das britische Unterhaus werden: Es geht um die Macht der Medien und insbesondere um die Macht von Rupert Murdoch in Großbritannien: Der Medienunternehmer muss in dem Abhörskandal um das frühere Skandalblatt News of the World vor den Parlamentariern im Medienausschuss des britischen Unterhauses Stellung beziehen.

Rebekah Brooks arrested

Rebekah Brooks und Rupert Murdoch bei einem gemeinsamen Auftritt in London am vergangenen Sonntag: An diesem Dienstag stellen sich der Medienunternehmer und seine Vertraute den Fragen der Parlamentarier.

(Foto: dpa)

Ausgerechnet an diesem Tag, der für Murdoch schon schwer genug sein dürfte, werden auch noch Spekulationen um eine Nachfolgeregelung öffentlich. Angeblich soll die Konzernspitze bereits einen Plan für die Nachfolge Murdochs erarbeitet haben. Demnach solle der Vorstand für das operative Geschäft, Chase Carey, neuer Vorstandsvorsitzender werden, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg.

Es heißt, Rupert Murdoch laufe Gefahr, wegen des Abhörskandals in Großbritannien die Kontrolle über seinen Medienkonzern News Corp zu verlieren. Viel hänge von seinem Auftritt vor den Parlamentariern ab, berichteten Medien. Der Stuhl des Medienmoguls wackele bereits.

News Corp. indes ließ entsprechende Berichte umgehend dementieren: Murdoch habe die volle Unterstützung des Vorstandes und es gebe keine Pläne, ihn wegen des Abhörskandals in Großbritannien zu ersetzen, sagte Vorstandmitglied Thomas Perkins der Nachrichtenagentur AP. Eine grundsätzliche Nachfolgeregelung für die Konzernspitze von News Corp. gebe es zwar bereits seit längerem, der Abhörskandal um die mittlerweile eingestellte Boulevardzeitung News of the World hätte an den Plänen jedoch nichts geändert.

Einem Bericht des Wall Street Journals zufolge, das ebenfalls zum Murdoch-Konzern gehört, erwäge der Medienunternehmer schon seit einem Jahr, sich von seinem Posten zurückzuziehen. "Bereits, bevor der Skandal in den vergangenen Wochen aufflammte", habe Murdoch einen Rücktritt als Firmenchef zugunsten des für das Tagesgeschäft zuständigen Vorstands Chase Carey erwogen, berichtete die Zeitung unter Berufung auf das "mit der Situation vertraute Umfeld" Murdochs.

In dem erwogenen Szenario würde Murdoch dem WSJ zufolge aber Verwaltungsratchef bleiben. "Auch wenn Murdoch sich zu diesem Wechsel entscheiden würde, so würde er es nicht jetzt tun", zitierte die Zeitung aus Murdochs Umfeld weiter. Vielmehr sei ein Wechsel an der Konzernspitze denkbar, wenn sich die "Aufregung" um den Abhörskandal um die inzwischen eingestellte Boulevardzeitung News of the World gelegt habe.

Neben Rupert Murdoch selbst wird sich auch dessen Sohn sowie im Anschluss die ehemalige News of the World-Chefredakteurin Rebekah Brooks den Fragen der Volksvertreter stellen. Die Murdochs stimmten zu, vor dem Medienausschuss des Unterhauses zu erscheinen, nachdem dieser eine Vorladung geschickt hatte.

Die Abgeordneten werden von dem 80-Jährigen wissen wollen, was er von den illegalen Abhörpraktiken gewusst hat. Es ist der erste Auftritt des Medienunternehmers vor einem Ausschuss des Unterhauses, seitdem das System der sogenannten Select Committees in Großbritannien im Jahr 1979 eingeführt wurde. Murdoch galt bislang als unantastbar: In den 40 Jahren, seit er im Besitz britischer Medien ist, musste er nur einmal vor einem Ausschuss erscheinen - allerdings des britischen Oberhauses.

In der heutigen Sitzung dürften sich die Abgeordneten dafür interessieren, was die Murdochs von den Abhöraktionen wussten, und ob sie das Parlament und die Polizei über das Ausmaß der Affäre falsch informierten. Auch die Zahlungen an hochrangige Polizeibeamte durch News of the World-Reporter dürften thematisiert werden. Einige Abgeordnete wollen die Murdochs auch unter Eid befragen, berichtet die BBC.

Die frühere News-International-Managerin Rebekah Brooks wird sich separat den Fragen der Parlametarier im Medienausschuss stellen. Sie war am Sonntag vorübergehend festgenommen worden, wurde aber in der Nacht auf Montag auf Kaution freigelassen.

Drei Stunden sind für den Termin einem Bericht des Guardian zufolge anberaumt, um 14:30 Uhr Ortszeit, 15:30 Uhr Mitteleuropäische Zeit, soll die Befragung Murdochs beginnen. Die aktuellen Entwicklungen können Sie von 15:30 Uhr an im Liveticker auf sueddeutsche.de verfolgen.

Der Labour-Abgeordnete Tom Watson warnte vor zu hochgesteckten Erwartungen: "Es wird am Dienstag keine Sensation geben. Die Erwartungen sind viel zu hoch", sagte er dem Guardian. Die Macht des Ausschusses ist begrenzt: Er kann nur Empfehlungen weitergeben. Eine Aussage unter Eid ist nicht möglich. Beobachter erwarten, dass sich die Vorgeladenen streng an die Vorgaben ihrer Juristen halten werden. Es dürfte also vielmehr die symbolische Bedeutung im Vordergrund stehen, dass sich die Protagonisten des Skandals vor den Volksvertretern verantworten müssten.

Befragung von Scotland-Yard-Chef läuft

Vor der Befragung Murdochs muss sich der zurückgetreten Polizeichef Paul Stephenson vor dem Ausschuss für innere Angelegenheiten verantworten. Er erklärte vor den Parlamentariern, mit seinem Rücktritt habe er Schaden von seiner Behörde abwenden wollen, die sich auf die Sicherung der Olympischen Spiele 2012 in London vorbereiten müsse. Auch sein Vize John Yates, der kurz nach Stephenson ebenfalls seinen Posten aufgab, wird noch Stellung beziehen müssen.

Im Fokus der Befragung von Stephenson stehen dessen Verbindungen zu Neil Wallis, ehemalis stellvertretender Chefredakteur der News of the World. Scotland Yard hatte eingeräumt, dass Wallis für die Behörde als PR-Berater tätig war. Auf die Frage, warum Stephenson das Innenministerium nicht früher von Wallis' Tätigkeit für die Londoner Polizei unterrichtet hätte, erklärte Stephenson, er habe die polizeilichen Ermittlungen nicht gefährden wollen.

Weitere Entwicklungen im Vorfeld des Termins:

[] Die Webseite der britischen Boulevardzeitung The Sun ist kurzzeitig gehackt worden. Besucher der Webseite seien zu einer gefälschten Meldung über einen angeblichen Fund von Murdochs Leiche weitergeleitet worden. Die Hackergruppe Lulz Security bekannte sich zu dem Angriff.

[] Ein ehemaliger News of the World-Reporter wurde tot aufgefunden: Sean Hoare war einer der Belastungszeugen in der Affäre, er war einer der Ersten, der Details zum Abhörskandal öffentlich verkündete. Es gebe jedoch keine Hinweise auf ein Gewaltverbrechen, hieß es von der Polizei in Hertfordshire.

[] Der Druck auf Premierminister David Cameron wächst. Rücktrittsforderungen werden laut: "Wann tut der zwielichtige Dave endlich das, was sich gehört, und tritt zurück?", sagte der Labour-Parlamentarier Dennis Skinner. Sein Parteifreund Gerald Kaufman fragte: "Sollte der Premierminister nicht seine Position überdenken?"

Cameron hatte lange an seinem ehemaligen Regierungssprecher Andy Coulson festgehalten, der schon 2007 wegen der Affäre als Chefredakteur der News of the World zurückgetreten war. Ferner wird Cameron eine pikante Nähe zu Murdoch-Managern wie Rebekah Brooks nachgesagt. An diesem Dienstag wurde bekannt, dass Brooks als Gast bei seinem 44. Geburtstag im vergangenen Oktober geladen war. Es war die 27. Begegnung Camerons mit Murdoch-Managern in nur 15 Monaten Amtszeit. Die Geburtstagseinladung war von der Downing Street zunächst verschwiegen worden. Cameron bezieht am Mittwoch vor den Parlamentariern Stellung.

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