Einladungen für Geschäftsfreunde:Wenn das Fußballticket ins Gefängnis führt

Kontaktpflege oder doch Bestechung? Wenn Unternehmen Fußballtickets oder Konzertkarten verschenken, kann es zu einem Prozess wegen Korruption kommen. Weil es keine klaren Vorschriften im Gesetz gibt, soll nun ein neuer Kodex helfen.

Florian Fuchs

Angela Merkel ist fein raus: Wenn die Bundeskanzlerin wie kürzlich beim Finale der Frauenfußball-WM auf der Tribüne sitzt, kommt niemand auf die Idee, ihr Bestechlichkeit vorzuwerfen. Eine Einladung an die Kanzlerin ist protokollarisch streng geregelt, Merkel erhält in solchen Fällen eine Ehrenkarte direkt vom Veranstalter.

Olympiastadion Berlin, Fußball Champions League, Finale 2015

Bei der Fußball-WM 2006 führten verschenkte Tickets zur Anklage. Im Bild: Das Berliner Olympiastadion beim Spiel Deutschland gegen Argentinien.

(Foto: ddp)

Wenn dagegen Unternehmen Amtsträgern oder Geschäftspartnern Karten für die Lounge bei einer Sport- oder Kulturveranstaltung schenken, ist die Rechtslage nicht ganz so klar. In den vergangenen Jahren häufte sich deshalb die Zahl der Gerichtsverfahren, einige Sponsoren reduzierten ihr Engagement.

Das Innenministerium, der Deutsche Olympische Sportbund und eine Sponsoren-Vereinigung großer deutscher Unternehmen (S 20) haben nun am Montag in Berlin einen Leitfaden vorgestellt. In dem Kodex ist festgelegt, wie sich Firmen künftig bei Einladungen verhalten sollen.

Auslöser war ein Verfahren um Ex-EnBW-Chef Utz Claassen

Auslöser der Diskussion war ein Gerichtsverfahren um den ehemaligen EnBW-Chef Utz Claassen, der vor der Fußballweltmeisterschaft 2006 an sieben Politiker Eintrittskarten für Spiele in Berlin und Stuttgart verschickt hatte - mit der Weihnachtspost. Der Bundesgerichtshof sprach Claassen zwar vom Vorwurf der Korruption frei, legte aber in seinem Urteil nicht eindeutig fest, worauf Sponsoren bei der Vergabe von Tickets achten müssen.

"Die Einladungen sind seitdem zurückgegangen, viele haben Angst, sich der Korruption schuldig zu machen", sagte Stephan Althoff. Der Vorsitzende der Vereinigung S 20 ist Sponsoringchef der Telekom. Der Konzern hat kürzlich Konsequenzen aus der Rechtsunsicherheit gezogen und seine Loge im Stadion des FC Bayern aufgegeben - es wollte sich kaum mehr jemand einladen lassen. Kontakte zu Geschäftspartnern lassen sich so schlecht pflegen.

Der Leitfaden soll das Problem nun lösen und einen weiteren Rückzug von Sponsoren verhindern. So schreibt er beispielsweise vor, dass Unternehmen Einladungen an Geschäftspartner nur an die offizielle Geschäftsanschrift versenden sollen. Sie sollen Art und Umfang der Einladung exakt bezeichnen und von Gästen immer eine Genehmigung des Vorgesetzten fordern, dass sie das Angebot annehmen dürfen.

30.000 VIP-Gäste an jedem Bundesliga-Wochenende

Bei sportlichen Großereignissen wie Olympischen Spielen sind Konzerne angehalten, ihr Einladungskonzept mit der Bundes- oder Landesregierung abzusprechen. Der Leitfaden empfiehlt außerdem, grundsätzlich keine Eintrittskarten an Familienangehörige der Begünstigten zu verschenken - es sei denn, eine Eintrittskarte etwa für den Partner sei sozial angemessen, zum Beispiel bei einem Opernball.

Welche Bedeutung das Engagement großer Sponsoren gerade für den Sport hat, verdeutlichte der Vizepräsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Hans-Peter Krämer. An einem Spieltag der ersten und zweiten Fußball-Bundesliga sind nach seinen Angaben bis zu 30.000 VIP-Gäste in den Stadien, das sind sechs Prozent aller Zuschauer. Weil eine Karte für die Sitze im Businessbereich aber je nach Verein mehrere hundert Euro kostet, machen allein die VIP-Karten 52 Prozent der Ticketeinnahmen aus. "Nur so können die anderen Tickets billig gehalten werden", sagte Krämer.

Große Unternehmen wie die Telekom haben inzwischen eigene Rechtsabteilungen, um Einladungen juristisch auf den Verdacht der Korruption zu prüfen. Weil es aber keine klaren Vorschriften im Gesetz gibt, hoffen die Initiatoren des Leitfadens, dass sich viele Unternehmen dazu verpflichten und er so zu einer Art Industriestandard wird. Dann hätte auch die Justiz künftig eine Entscheidungshilfe mehr, ob eine Einladung als zulässige Kontaktpflege oder strafrechtliche Bestechung zu werten ist.

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