CDU:Merkel und die alten Herren

Profillos, abgehoben, zu weit weg vom Volk: Alte Parteigranden wie Kurt Biedenkopf, Volker Rühe und nun auch noch Erwin Teufel kritisieren die Entwicklung der CDU - und das Verhalten von Angela Merkel. Nur ein nicht mehr ganz junger Mann der Union zeigt sich gnädig mit der Kanzlerin.

Nico Fried

Fünf Jahre lang habe er den Mund gehalten, sagt Erwin Teufel. "Aber inzwischen habe ich das Gefühl, der Union ist mehr gedient, wenn man den Mund aufmacht, als wenn fast alle schweigen." Erwin Teufel, 71, war 14 Jahre lang Ministerpräsident von Baden-Württemberg und sechs Jahre stellvertretender CDU-Vorsitzender. Jetzt hat er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sein Herz ausgeschüttet: Die CDU leide an Profillosigkeit, was die Stammwähler verschrecke. Der Union fehle es an einem wirtschaftspolitischen Gesicht. Die CDU sei zu abgehoben und zu wenig volksnah. Die CDU vernachlässige christliche Werte und ihre traditionelle Rolle als Europa-Partei.

Teufel, Senioren Union Kreisvorsitzendenkonferenz

Erwin Teufel missfällt die Entwicklung der CDU.

(Foto: www.marco-urban.de)

Wenn es stimmt, was Teufel sagt, dann gibt es weit mehr Mitglieder der CDU, die denken wie er, aber den Mund nicht aufmachen. Nur beweisen lässt sich das schwer. Teufel selbst sagt, er werde häufig wegen der Sorgen um den Zustand der Partei angesprochen. Aber gibt es in der CDU tatsächlich eine breite Unzufriedenheit, die über die Verunsicherung wegen Wahlniederlagen und schlechter Umfragewerte hinausgeht - oder ist die Kritik nur ein punktuelles, von den Medien verstärktes Phänomen?

Seit Beginn der schwarz-gelben Koalition hat die Parteivorsitzende immer mal wieder den Versuch gemacht, auf die Basis zuzugehen. Auf mehreren Regionalkonferenzen stellte sich Angela Merkel den Fragen von Mitgliedern. Wiederholt lud sie Funktionäre ins Konrad-Adenauer-Haus, zuletzt die Kreisvorsitzenden nach der Vollbremsung in der Energiepolitik. Jede dieser Versammlungen begann mit harscher Kritik aus den Reihen der Basis am Erscheinungsbild und einzelnen Entscheidungen der Regierung - und jede endete mit überraschend freundlichem Applaus für Merkel.

Gleichwohl wächst die Zahl der Entscheidungen, die traditioneller Unions-Programmatik entgegenstehen: bei der Wehrpflicht, in der Energiefrage, der Außenpolitik oder im Bildungsbereich. Die Abschaffung der Hauptschule ist neuester Streitpunkt, insbesondere unter den Konservativen im Süden. Die CSU lehnt den Vorschlag rundweg ab. Und Bildungsministerin Annette Schavan wurde in ihrem baden-württembergischen Landesverband bestraft: Erst nominierte sie der Kreisverband Ulm nicht als Parteitagsdelegierte, dann musste sich Merkel erboste Zwischenrufe anhören, als sie ihre enge Vertraute auf dem Landesparteitag für deren Schulpolitik in Schutz nahm.

Noch aber wird aus einem Grundrauschen kein anschwellendes Lamento. Vielleicht auch deshalb setzen sich nun einige ältere Herren an die Spitze eines Zuges, von dem niemand weiß, wie viele folgen werden. Teufel ist jedenfalls nicht der erste prominente CDU-Senior, der sich kritisch mit dem Zustand seiner Partei oder der von ihr geführten Regierung befasst. Auch Sachsens früherer Ministerpräsident Kurt Biedenkopf, 81, kritisierte mit deutlichen Worten den atompolitischen Kurs von Angela Merkel nach dem Reaktorunglück in Japan.

"Mischung aus Orientierungslosigkeit und Unfähigkeit"

Noch vehementer geht Volker Rühe, 68, wie Biedenkopf ehemals Generalsekretär der CDU und später Bundesverteidigungsminister, seit einigen Wochen mit Merkel und ihrer Regierung ins Gericht. Die Enthaltung bei der Abstimmung über ein militärisches Eingreifen in Libyen im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nannte Rühe einen "schweren Fehler von historischer Dimension". Mit diesem Verhalten würden "die tragenden Säulen" der Unions-Außenpolitik, die Einbindung in Europäische Union und Nato, "in einer Mischung aus Orientierungslosigkeit und Unfähigkeit zerstört". Rühe forderte auch, die Genehmigung der Bundesregierung für den Export von Panzern nach Saudi Arabien zurückzunehmen. Und erst vor wenigen Tagen hielt er Merkel vor, sie betreibe eine "Augenblicks-Politik".

Merkel rechtfertigt vor allem ihre innenpolitischen Entscheidungen stets damit, dass eine Volkspartei nicht einfach stehen bleiben dürfe, wenn sich die Zeiten änderten. Argumente wie dieses aber sind Erwin Teufel entschieden zu wenig: Wenn die bei der letzten Bundestagswahl zur FDP gewanderten Wähler nicht zurückkämen und viele potentielle CDU-Wähler in die Wahlenthaltung flüchteten, dann zeige dies, dass viele keine andere Partei wählen wollten, sondern auf eine andere CDU warteten, glaubt Teufel. "Da kann ich mich doch als verantwortlicher Politiker nicht zurücklehnen und sagen: Ich bin Opfer einer allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung."

Nur ein auch nicht mehr ganz junger Mann der Union zeigte sich am Wochenende gnädig mit Merkel: Deren Arbeit werde manchmal einfach falsch von der Öffentlichkeit wahrgenommen, sagte der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, 62.

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