Schützenhilfe für schwulen Schützenkönig:Die Königin ist ein Mann - na und?

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Solidarität für den schwulen Schützenkönig von Münster: Dirk Winter darf in der Öffentlichkeit nicht an der Seite seiner männlichen "Königin" erscheinen. Verbände bezeichnen die Entscheidung als "Gipfel der Scheinheiligkeit", auch die Landesregierung ist empört. Bei dem Verbot hatte offenbar ein ranghohes Verbandsmitglied ein Wörtchen mitzureden: Der Kölner Weihbischof.

Dirk Winter hat den Vogel abgeschossen - dazu benötigte er exakt 366 Schuss. Das war im Juni dieses Jahres in Münster. Nun ist Winter Schützenkönig - und hat eine Menge Ärger mit seinem Dachverband am Hals. Der Grund: Der 44-Jährige hat seinen langjährigen Lebensgefährten zu seiner "Königin" auserkoren, die bei offiziellen Anlässen an seiner Seite laufen soll.

Wirbel um den schwulen Schützenkönig, der seinen Freund zur "Königin" erwählte: Dirk Winter mit Königsgemahl Oliver Hermsdorf, umrahmt von den Schützenkönigspaaren Königin Saskia Budde mit König Thorsten Korves (li.) und Königin Kerstin Höwler mit König Dennis Schänzer. (Foto: dpa)

Ein schwuler Schützenkönig mit einem Lebensgefährten, das wäre soweit ja noch in Ordnung. Aber dass es bei öffentlichen Feierlichkeiten jeder sehen kann? So weit geht die Toleranz dann doch nicht, vor allem nicht die des Kölner Weihbischofs Heiner Koch - selbst ein ranghoher Funktionär im Schützen-Dachverband.

"Der Kölner Weihbischof will befehlen, dass der Lebenspartner eines Schützenkönigs beim Festumzug nicht neben, sondern eine Reihe hinter ihm marschieren muss", kritisierte Manfred Bruns, Sprecher von Deutschlands Lesben- und Schwulenverband in Berlin. "Das ist ein Musterbeispiel von Scheinheiligkeit und Realitätsverleugnung."

Immer wieder verlange die katholische Kirche, dass Lesben und Schwule sich und ihre Familien versteckten, betonte Bruns. "Es ist schlimm genug, dass die Bischofskonferenz allen Angestellten in katholischen Einrichtungen mit Kündigung droht, wenn sie eine Eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen. Mit dem gegen den schwulen Schützenkönig gerichteten Verbot dringt sie in weitere Kreise vor." Die Schützenbruderschaft dürfe sich nicht dem "Diktat" unterwerfen.

Auch die Landesregierung ist empört

Doch über das Verbot empören sich nicht nur Schwule: Die Auflagen für das homosexuelle Paar sorgen auch in der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen für Aufregung. Dort wurden die Einschränkungen unterdessen als "Diskriminierung" und "homophobe Einstellung" gewertet.

Die Staatssekretärin im Emanzipationsministerium, Marlis Bredehorst, sagte der Bild-Zeitung: "Es ist doch gut, dass wir in einer Zeit leben, in der ein Männer-Paar gemeinsam als Schützenkönige auftreten kann. Umso schlimmer ist es, wenn Ewiggestrige sie dazu zwingen wollen, ihre Beziehung zu verstecken. Dass jemand auch noch offen dazu aufgefordert wird, wie in dem aktuellen Fall, ist wirklich starker Tobak."

Es sei immer wieder ein gängiges Prinzip, dass Vereine offiziell offen für Homosexuelle sind, sie in der Realität dann aber dazu zwingen, "unsichtbar" zu werden, sagte Bredehorst der Zeitung.

"Mach doch den Olli zur Königin"

Der Schützenkönig war unversehens zum Politikum geworden, weil er im Juni seinen Partner Oliver Hermsdorf zur Königin gemacht hatte. In seinem Stadtteilverein in Münster-Kinderhaus hatten Freunde den 44-Jährigen ausdrücklich ermutigt. "Ich wollte eigentlich erst jemand anderen fragen", sagte Dirk Winter. Doch dann hätten ihn Freunde im Verein ermutigt: "Mach doch den Olli zur Königin." Mit seinem Partner ist Winter seit 15 Jahren zusammen. "Es haben sich alle gefreut", sagte Winter, der einen Getränkehandel betreibt, über seine Wahl. "Die Kunden fanden das gut und die Nachbarvereine auch."

Dann kam der Brief von der Dachorganisation, dem Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften. Demnach habe das Sakrament der Ehe eine wesentlich tiefere Bedeutung als jede andere Lebenspartnerschaft. Zwar dürfe das Paar beim Landesbezirks-Königsschießen im münsterländischen Horstmar und Bundeskönigsschießen im ostwestfälischen Harsewinkel aufmarschieren. "Wir dürfen aber nicht nebeneinander gehen", sagt Winter und fügt hinzu: "Ich finde, die Kirche sollte sich besser um andere Sachen kümmern."

Trotz aller Schützenhilfe von außen - es bleibt bei der Entscheidung: "An dieser Auflage führt kein Weg vorbei", sagt Winter. Sein Lebensgefährte werde nun mit den Königsbegleitern, einer Art Adjutanten, in einer anderen Reihe mitlaufen. Der Schützenkönig will sich seine Amtszeit dennoch nicht von den widrigen Umständen verderben lassen. "Ich freue mich auf das Stadtschützenfest in Münster."

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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