Totilas und sein Reiter Matthias Rath:Das Wunderpferd stürzt ab

Die Geschäftsidee war bestechend, die Ausführung ist fehlerhaft: Schon wenige Monate nach dem Kauf des vermeintlichen Wunderpferdes ist das Totilas-Projekt hochgefährdet. Denn das Ziel war EM-Gold - und nicht Platz drei, vier und fünf. Sogar ein Reiterwechsel steht zur Diskussion.

Gabriele Pochhammer

Die Geschäftsidee war bestechend: Kaufe Wunderpferd und potentiellen Olympiasieger, schwäche damit die Konkurrenz und hole zugleich die Investition von geschätzten zehn Millionen Euro mit hoher Rendite wieder herein, nämlich mit rund einer Million Euro pro Jahr.

EM Dressurreiten

Das Ziel war Gold: Dressurreiter Matthias Rath und Totilas.

(Foto: dpa)

Der Deal, den der Luxuspferdehändler Paul Schockemöhle mit dem Kauf des niederländischen Dressurstars Totilas einfädelte, war wirklich genial. Zunächst einmal begann Totilas, kaum auf Schockemöhles Hengststation im oldenburgschen Mühlen angekommen, umgehend damit sich zu amortisieren, er kann Spitzenklasse nicht nur auf dem Dressurviereck bieten, sondern auch auf dem Phantom. So nennt man die künstliche Stute aus Holz und Leder, mit der sich ein Hengst heute zufrieden geben muss. Toller Samen wird Totilas attestiert, er lässt sich einfrieren, gut verdünnen und damit in viele Portionen teilen.

Wenige Wochen nach dem Einkauf kam der zweite Teil der Aktion: Anteile an Totilas und die sportlichen Rechte verkaufte Schockemöhle an Vielfach-Millionärin Ann-Kathrin Linsenhoff, die auch gleich den passenden Reiter im eigenen Haus hatte, Stiefsohn Matthias Rath, 26 Jahre jung und schon erfolgreich mit dem deutschen Championatsteam unterwegs.

Während Totilas' Kinder die Welt erobern (ein Fohlen wurde bereits für 105.000 Euro versteigert), würde Rath mit dem schier unschlagbaren Rappen Olympiasieger und den schwächelnden deutschen Dressursport aus dem Tal zu ziehen. So war - oder ist - der Plan.

Aber so einfach funktioniert das nicht, wie man bei der EM sehen konnte. Auch wenn es letztlich Rath zu verdanken war, dass die Deutschen noch Mannschaftssilber retten konnten: Das Totilas-Projekt ist hochgefährdet. Denn das Ziel war Gold und nicht Platz drei, vier und fünf.

Trotzdem gibt es keinen Grund, jetzt über Pferd und Reiter Häme auszugießen, wie es gerade jene tun, die Totilas vorher als Ikone auf einen Sockel gestellt haben. Auf den gehörte er natürlich auch nicht, selbst wenn das Publikum bei dessen perfekten Vorführungen zuweilen feuchte Augen bekam.

Jetzt rächt es sich, dass zusätzlich zu dem Druck, der durch den Kauf des millionenteuren dreifachen Weltmeisterpferdes ohnehin auf Rath lastete, eine übertriebene Vermarktungsoffensive gestartet wurde. Angefangen von den Fan-Artikeln, auf denen schon das Wort Champion prangte, noch ehe das Paar ein Dressurviereck betreten hat, bis hin zum Schutz der Marke Totilas. Die Zelte mit den überteuerten Totilas-Artikeln, Jacken, Kappen, T-Shirts und Kaffeebechern blieben auf den Turnieren in Balve, Aachen und Rotterdam aber leer. Die Aktion wirkte peinlich.

Ungeklärte Beziehung

In Rotterdam sah man ein Paar, dessen Beziehung noch ungeklärt ist: Totilas machte Fehler im Grand Prix und widersetzte sich regelrecht im Grand Prix Special. "Heute war er nicht so bei mir, wie ich ihn brauche", sagte Rath. "Ich werde die Ritte heute mit meinem Vater analysieren." Das klang weichgespült, tatsächlich musste Rath Totilas zeigen, wer Herr im Haus ist, wie schon zu Beginn der Karriere einmal an Pfingsten in Wiesbaden.

Die Analyse führte in der Kür zu einer Art disziplinarischer Maßnahme: Strammer Zügel und ein insgesamt verkrampftes Pferd. Dabei hatten Vater und Sohn doch versucht, Totilas' natürliche Bewegungen zu zeigen. Braucht er doch eine feste Hand? Ist Rath dem Druck nicht gewachsen? Oder hat er einfach den passenden Knopf noch nicht gefunden? "Wir müssen wieder weg von den zirkusartigen Bewegungen", sagte Paul Schockemöhle.

Seine Kritik an Reiter Rath blieb zurückhaltend, ein Satz kann man aber auch als versteckte Drohung verstehen. Der dpa erklärte Schockemöhle zur Frage eines Reiterwechsels: "Möglich wäre das, aber aus meiner Sicht ist das nicht notwendig."

Dass mit Uthopia und Valegro in Rotterdam zwei Pferde auftauchen, die fast alles so gut können wie Totilas und manches sogar besser - das war nicht eingeplant. Erst wenn man Uthopia sieht, weiß man, was Totilas fehlt: die völlige Harmonie der Bewegungen, das Zusammenspiel aller Muskeln und Gelenke ohne Verkrampfung und Gestrampel. Ähnliches lässt sich von Valegro sagen. Beide Reiter werden in London von den Zuschauern getragen werden.

Pfiffe für Totilas blieben in Rotterdam übrigens aus. Irgendwie war er kein Thema mehr, und das ist vielleicht noch schlimmer. Für Totilas ist jetzt die Sportsaison erstmal zu Ende. Andererseits bleibt nun Zeit, nach neuen Wegen zu suchen, um Gehorsam und Harmonie zu vereinen. Dann wird aus den beiden vielleicht doch noch ein Traumpaar.

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