Trennung der Biermösl Blosn:Bayern zurückerobert, Lied für Lied

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Sie ist der Stachel im Fleisch der Obrigkeit, die anarchische Seele des Volkes - und sie hat, zumindest musikalisch, die Enteignung des Begriffs Heimat durch die CSU rückgängig gemacht. Nun hört die bayerische Kultband Biermösl Blosn auf. Die Well-Brüder haben ihre Mission erfüllt.

Annette Ramelsberger

Kaum jemand kann diesen unglaublichen Namen auf Anhieb aussprechen: Biermösl Blosn. Nicht nur in Ahrensburg und Lüdenscheid sind sie darüber gestolpert, von Reykjavik ganz zu schweigen. Auch vielen Bayern hat sich bei diesem Namen die Zunge verdreht.

Zur Trennung der Biermösl Blosn
:"Big-Mac-Paradies in der greana Wies'"

Edmund Stoiber, AKWs und Fastfood-Ketten sind das Ziel ihres subversiven Spotts: Nach 35 gemeinsamen Bühnenjahren will sich die Band "Biermösl Blosn" nun trennen. Ein Abgesang mit den lustigsten Zitaten.

Doch wenn die drei von der Biermösl Blosn anfangen zu spielen, dann ist ihre Botschaft überall verständlich: Sie sind der Stachel im Fleisch der Obrigkeit, die anarchische Seele des Volkes. Sie packen bitterböse Kritik in wunderbare Heimatklänge und treffen deshalb ungeschützt den Nerv derer da oben. Dass sich diese Gruppe nun nach 35 Jahren auflöst, ist eine private Entscheidung. Aber sie ist auch ein Politikum; denn sie zeigt, wie sehr sich Bayern verändert hat.

Als die Biermösl Blosn 1976 anfing, da lebte Franz Josef Strauß noch und die Dreieinigkeit von Staat, Kirche und CSU war unerschütterlich. Da schaltete sich der Bayerische Rundfunk aus Scheibenwischer-Sendungen aus, und die Regierung wollte die Wiederaufbereitungsanlage für Atombrennstäbe in Wackersdorf durchsetzen.

Die Mehrheit im Lande war konservativ, und wer daran etwas auszusetzen hatte, dem empfahl die CSU: "Geh doch nach drüben!" Menschen, die ihre Heimat liebten und trotzdem nicht CSU wählten, konnten sich fremd fühlen im eigenen Land. Die Biermösls haben das geändert. Als sie in ihrer subversiv umgetexteten Bayernhymne "Gott mit Dir, du Land der Baywa" den einheimischen Agrarkonzern angingen und damit die Naturzerstörung geißelten - da begann eine musikalische Rückeroberung der bayerischen Kultur.

Die Biermösl Blosn hat - zumindest musikalisch - die Enteignung des Begriffs Heimat durch die CSU Schritt für Schritt, Lied für Lied, rückgängig gemacht. Sie hat das Zerrbild des Jodel-Bayern ersetzt durch messerscharfen Witz und intelligente Boshaftigkeit. Das ist das große Verdienst dieser Gruppe.

30 Jahre später aber hat sich dieses Land grundlegend verändert: Das damalige Drüben gibt's nicht mehr, die jahrzehntelange absolute Mehrheit der Staatspartei ist gebrochen und selbst die CSU propagiert statt Atomkraftwerken Ökostrom. Nicht einmal der Bayerische Rundfunk ist noch das schwarze Bollwerk von einst. Würde die Biermösl Blosn heute auf dem Nockherberg ihr Baywa-Lied singen, würde Horst Seehofer am lautesten klatschen. Und der BR würde auf ihn zoomen.

Die alten Feindbilder sind zerbröselt. Deswegen ist es folgerichtig, dass sich die Biermösl Blosn trennt. Sie hat gewonnen. Sie hat gegen Wackersdorf gespielt, gegen die Unverantwortlichen bei der Bayerischen Landesbank und gegen die Verantwortlichen in der Regierung. Sie war jahrelang wirksamste Opposition. Sie hat mitgeholfen, das Land zu verändern. In diesem anderen Land aber ist sie nicht mehr kratziger Außenseiter, sondern gehätscheltes Kulturgut: von allen geliebt, kein Aufreger mehr. Man könnte sagen: Mission erfüllt.

© SZ vom 27.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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