Telekom:So sorry, Herr Obermann

Vorbei scheint es mit dem riesigen Befreiungsschlag für Telekom-Chef Obermann: Das US-Justizministerium will die geplante Übernahme der Telekom-Tochter T-Mobile durch den Konzern AT&T blockieren.

Hans-Jürgen Jakobs

René Obermann, 48, hat einen Drang zu englischen Begriffen. Vor einigen Tagen wurde der Vorstandschef der Deutschen Telekom deshalb von dem Verein für deutsche Sprache zum "Sprachpanscher des Jahres 2011" ernannt. Den Puristen missfiel, dass fast alle Tarife der Telekom Anglizismen aufweisen, Namen wie "Weekend Flat" oder "Entertain Comfort" oder "Free Call International Advanced".

Telekom-Aktie stuerzt wegen blockierten T-Mobile-Verkaufs ab

Telekom in Bedrängnis: Der Verkauf der US-T-Mobile-Tochter droht zu scheitern.

(Foto: dapd)

Zu den Nachrichten, die am Mittwochnachmittag aus den USA zur Telekom nach Bonn drangen, drängen sich sofort auch ein paar Redewendungen in englischer Sprache auf: "Such is life" oder "bad luck" zum Beispiel, jedenfalls nichts mit "Comfort".

Die Eilmeldung auf den Fernsehschirmen und Computermonitoren bedeutete: Ärger. Viel Trouble. Das US-Justizministerium will die geplante Übernahme der Telekom-Tochter T-Mobile USA durch den US-Konzern AT&T blockieren. Die Übernahme sei wettbewerbsrechtlich bedenklich, teilte das Justizministerium in Washington mit. Obermanns wichtigster Deal, die Befreiung von allen Problemen in den USA, schien damit auf einmal so gut wie erledigt. Jener Verkauf für 39 Milliarden Dollar (27 Milliarden Euro), der eine lange Serie mit Pleiten, Pech und Pannen beenden sollte, schien plötzlich abgeschrieben werden zu müssen. Wie hoffnungsvoll waren die Beteiligten im März gewesen, als sie ihre Einigung verkündeten, und nun legt sich die amerikanische Regierung quer.

Das US-Justizministerium und die US-Regulierungsbehörde FCC müssen dem Verkauf zustimmen. Ohne ein "Ja" stoppt der Deal. Und US-Vize-Justizminister James Cole reichte Klage gegen die Fusion der Nummer zwei und vier auf dem US-Mobilfunkmarkt ein. Die Transaktion berge die Gefahr, dass mehrere zehn Millionen Bürger weniger Auswahl hätten und höhere Mobilfunk-Preise zahlen müssten. Beide Unternehmen zusammen buhlten auf mindestens 97 der 100 wichtigsten US-Mobilfunkmärkte um Kunden - nach der geplanten Ehe aber wäre es mit der Konkurrenz vorbei. Millionen von Kunden müssten sich auf höhere Preise einstellen. Vize-Minister Cole warnt: "Derzeit gibt es vier bundesweite Mobilfunkfirmen mit zusammen 90 Prozent Marktanteil - den Wettbewerb zu erhalten ist elementar."

Aktienkurse rutschen nach unten

Sofort rauschten die Aktienkurse der beiden Unternehmen nach unten. Um mehr als zehn Prozent gab der Telekom-Wert binnen 45 Minuten nach. Und das bei einem insgesamt steigenden Deutschen Aktienindex (Dax). Auch der Kurs der Aktie von AT&T an der Wall Street brach ein, um mehr als vier Prozent. Es waren also höchst unangenehme breaking news für den charismatischen Telekom-Chef Obermann, der zuletzt durch intensive Frauenförderung in seinem Top-Management auf sich aufmerksam gemacht hatte.

Vorbei war es mit dem riesigen Befreiungsschlag für Obermann. Nun droht ihm, das wirtschaftlich schwierige USA-Geschäft seiner Handy-Tochter T-Mobile behalten zu müssen, jenen Ausbund an bilanzieller Schlechtigkeit, der die ganze Konzernrechnung belastet hat. Die US-Tochter hat seit Jahren Kunden verloren. Die Rivalen lockten mit günstigen Preisen oder exklusiven Handys, die T-Manager jedoch rüsteten das Netz zu spät für schnellen Datentransfer auf. Der operative Gewinn verfiel. Und die Führungskräfte des Konzerns verzweifelten. Vom großen Plan des einstigen Vorstandschefs Ron Sommer, in den USA das Wachstum zu sichern, blieb nichts.

Das neue Veto der Regierung ihres Freundes Barack Obama, der sie mit einer Medal of Freedom bedacht hat, betrifft auch Kanzlerin Angela Merkel - schließlich ist der Bund Großaktionär im Bonner Telekommunikationskonzern.

Immerhin hat Obermann für den Fall des Falles, den Flop bei der Genehmigung, vorgesorgt. Offenbar erhält seine Telekom von AT&T dann sechs Milliarden Dollar. Die Leistung ist aufgesplittet in einen Teil Bargeld (drei Milliarden Dollar), in Funkfrequenzen im Wert von rund zwei Milliarden Dollar sowie in bessere Konditionen für die Umleitung von Gesprächen ("Roaming"), deren materieller Wert noch mal eine Milliarde ausmacht. In den USA verfügt nicht jeder Mobilfunkanbieter überall über eigene Masten, sondern nutzt in einigen Regionen und Zonen die Antennen der Rivalen. "Den US-Deal hat Obermann gut verhandelt", befand das Handelsblatt.

Doch wie man es dreht und wendet: Am Ende macht es einen Unterschied, ob ein Konzernchef 39 Milliarden Dollar oder ob er sechs Milliarden kassiert und dabei noch ein Verlustgeschäft weiter betreiben muss. Es stellt sich die Frage: Was nun, Herr Obermann?

Vor vier Monaten noch war sich der Telekom-Chef überaus sicher gewesen: "Der Deal geht durch." Er berichtete von Gesprächen in den USA, die "positiv" verlaufen seien. In Washington antichambrierte Obermann, wo er konnte. Und enerviert reagierte er auf Fragen, was denn geschähe, wenn die Behörden die Transaktion verbieten würden: "Es gibt keinen Plan B, weil wir keinen Plan B brauchen werden." Im Mai hatte er bei einer Anhörung im amerikanischen Kongress zusammen mit AT&T-Chef Randall Stephenson unter Eid zu den Plänen Stellung nehmen müssen.

Jetzt kann es sogar sein, dass manche René Obermann als Vorstandschef der Telekom in Frage stellen werden.

Die Probleme in den USA hatten sich abgezeichnet. Im August waren brisante Informationen über den Milliarden-Deal versehentlich in den Weiten des Internet aufgetaucht. Das hat die Regulierungsbehörde FCC in Rage versetzt. Sie inspizierte das Geschäft noch genauer. Ein Sprecher von AT&T bekannte, das Amt habe sich mit neuen Fragen gemeldet, etwa inwieweit nach einer Übernahme wirklich, wie versprochen, 97 Prozent der Amerikaner mit dem schnellen Funkinternetstandard LTE zu erreichen seien. Denn darum ging es: Nach der Transaktion sollten die US-Bürger endlich so richtig schnell im Internet surfen können.

Zusammen wären AT&T und T-Mobile in den USA auf 130 Millionen Mobilfunk-Kunden gekommen. Marktführer Verizon Wireless kommt dagegen auf nur 100 Millionen Handy-Nutzer.

Einzelne Politiker hatten sich über das Großgeschäft aufgeregt. Der Senator Herb Kohl zum Beispiel hielt die Sache "für Wettbewerb und Konsumenten schädlich". René Obermann aber warb kämpferisch, die Transaktion sei "das bestmögliche Ergebnis", auch für den Wettbewerb. Die FCC erklärt nunmehr, noch keine Entscheidung getroffen zu haben. Das endgültige Urteil steht nach früheren Angaben in der ersten Jahreshälfte 2012 an.

AT&T kündigte an, die Entscheidung des US-Justizministeriums vor Gericht mit allen Mitteln anfechten zu wollen. Die Entscheidung des Ministeriums, Rechtsmittel einzulegen, bedeute nicht das "Aus" für die Transaktion, erklärte ein Telekomsprecher am Mittwochabend tapfer. So sorry.

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