Wohlhabende wollen freiwillig mehr zahlen:Reiche schröpfen - Frieden schaffen

Was nutzt der Reichtum, wenn der Staat am Abgrund steht? In Zeiten der Schuldenkrise überraschen Superreiche wie Warren Buffett in vielen Ländern mit Opferbereitschaft: Sie wollen freiwillig höhere Steuern zahlen. Das würde zum sozialen Frieden beitragen - aber die Politik geht nicht darauf ein. Ihr fehlt der Mut.

Stefan Kornelius

Krisenzeiten verlangen nach Opfern, sie sind Zeiten des Misstrauens und auch der Missgunst: Wenn es mir schlecht geht, dann möge es bitte allen schlecht gehen. Wenn die Schulden plagen und gespart werden muss, dann sollen auch jene mehr zahlen, die allemal mehr haben: die Wohlhabenden und Bestverdiener.

File image of Warren Buffet  CEO of Berkshire Hathaway addressing The Women's Conference 2008 in Long Beach

In den USA dringt der Milliardär Warren Buffett auf eine Reichensteuer und auch in anderen Ländern findet die Idee Unterstützung in den Reihen der Superreichen.

(Foto: REUTERS)

Derart hart ist die Krise, dass erstaunlich viele Wohlhabende von sich aus eine Art Sonderopfer anbieten. Der Milliardär Warren Buffett dringt auf eine Reichensteuer in den USA, in Frankreich hat ein ganzer Chor der reichen Elite ein Notopfer verlangt. Auch in Deutschland gibt es eine Privatinitiative zur Erhöhung des Spitzensteuersatzes aus dem Milieu der Superreichen.

Die Appelle gründen auf dem Bewusstsein, dass die Gesellschaften gerade in Europa die Spannungen zwischen Arm und Reich nicht länger aushalten. Das brennende London dient als Menetekel. Was nutzt alles Geld, wenn das demokratische und freie Gesellschaftsmodell mit der Schuldenkrise in den Abgrund gerissen wird? Ein Reichenopfer zugunsten des Systems - das zeugt von bemerkenswertem Verantwortungsbewusstsein.

Politik ohne Mut

Allein: Die Zahl der Freiwilligen an der Opferbank ist überschaubar. Und von den politischen Herdentreibern findet sich offenbar niemand, der den Ruf der Opfertiere aufnimmt und den Mut aufbringt, die Steuern nach oben zu setzen. Im Gegenteil: Vor den Steuerdossiers der Reichen verlässt die Politik der Mut.

In Italien kassiert Premier Berlusconi gerade die Reichensteuer von bis zu zehn Prozent. Sein Finanzminister Tremonti, vor einem Monat noch für sein Sparpaket gefeiert, ist isoliert und gedemütigt. Das Sparpaket wackelt. Und die volksnahe und eigentlich populistische Lega Nord hat urplötzlich vergessen, dass ihre Klientel ein bisschen mehr Steuergerechtigkeit sogar gutheißen würde.

In Spanien erklärt der sozialistische Ministerpräsident die Reichensteuer zum Tabu und presst die trockene Zitrone lieber an anderer Stelle weiter. In Frankreich entpuppt sich die Reichensteuer schnell als Budenzauber: Der Präsident beginnt den Wahlkampf, indem er zwar eine leichte Steuererhöhung für die Superreichen propagiert. Die wird aber vermutlich schnell wieder kassiert.

Und in den USA, dem Mutterland der Steuerungerechtigkeit, läuft der Präsident nach seinem Schuldendebakel im Kongress eher über Wasser, als dass er eine Steuererhöhung durchsetzt.

Beitrag zum sozialen Frieden

Statistiken zeigen, dass eine Reichensteuer in all diesen Ländern möglicherweise wenig helfen und nur zur Steuer- und Kapitalflucht beitragen könnte. Das mag sein, aber was die Steuerflagellanten wie Buffett oder der Franzose Maurice Lévy aus der Einkommensoberschicht erkannt haben: All ihr Reichtum ist nichts, wenn der Staat unter der Last der Schulden kollabiert und das System insgesamt gefährdet ist. Selbst wenn es die Schuldenlast nur wenig mildert: Ein erhöhter Spitzensteuersatz trägt in den Krisenstaaten zum sozialen Frieden bei.

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