Sanktionsmöglichkeiten gegen Europas Defizitsünder:Schuldenländern droht Blitz-Bestrafung

Schulden machen? Aber bitte schön! Europäische Staaten, die über die erlaubten Grenzen hinaus Geld ausgeben, haben so gut wie nie Sanktionen zu befürchten. Das soll sich nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" nun ändern - weil Frankreich in einer zentralen Frage endlich auf die Linie anderer großer Länder einschwenkt.

Cerstin Gammelin und Claus Hulverscheidt

Frankreich ist jetzt doch bereit, europäische Länder, die über längere Zeit zu hohe Schulden machen, einfacher und schneller zu bestrafen. Die Regierung in Paris übermittelte am Dienstag einen entsprechenden Kompromissvorschlag nach Brüssel. Das Papier liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

President Nicolas Sarkozy and German Chancellor Angela Merkel Meeting At Elysee Palace

Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel wollen Schuldenländer schneller und einfacher bestrafen können.

(Foto: Getty Images)

Danach soll die Runde der 27 Länder künftig schon mit "einfacher Mehrheit" - jedes Land hat dabei eine Stimme - beschließen können, dass ein Land nicht regelkonform wirtschaftet, zu hohe Schulden macht und diese nicht wie gefordert abbaut. Dieser Beschluss ist die Voraussetzung dafür, dass Sanktionen gegen Schuldenstaaten verhängt werden können.

Bisher schrieb der europäische Wachstums- und Stabilitätspakt für diesen Beschluss eine "qualifizierte Mehrheit" vor. Dabei haben die größeren EU-Staaten mehr Stimmgewicht, das Quorum liegt höher, zudem muss ein bestimmter Anteil der EU-Gesamtbevölkerung von den zustimmenden Staaten repräsentiert werden. Diese qualifizierte Mehrheit ist schwieriger zu erreichen und kam nie zustande. Obwohl viele Staaten die erlaubten Schuldengrenzen immer wieder überschritten, wurden vor allem aus politischer Rücksichtnahme niemals Beschlüsse gefasst, die zu Sanktionen führen konnten. Der laxe Umgang mit den Regeln gilt inzwischen als eine der Ursachen der andauernden Schuldenkrise.

Um ähnlichen Krisen vorzubeugen, beschloss die EU bereits vor einem Jahr, die Regeln des Paktes zu verschärfen. Um politische Rücksichtnahmen künftig zu verhindern, sollten Sanktionen praktisch automatisch ausgelöst werden. Diese Reform scheiterte bisher jedoch am französischen Veto.

Das Europäische Parlament muss dem nun von Paris vorgelegten Kompromiss noch zustimmen. Experten bezweifeln, dass er ausreicht, um die Finanzmärkte zu überzeugen. "Die Regierungen können ja weiterhin politischen Kuhhandel betreiben", sagte der Grüne Sven Giegold der Süddeutschen Zeitung. Das Parlament will noch in diesem Monat darüber entscheiden.

Probleme in Griechenland

Auf größere Akzeptanz stößt der deutsche Vorschlag, europaweit eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild in die Staatsverfassungen aufzunehmen. Nach Frankreich und Spanien zeigte sich am Donnerstag auch Portugal erstmals offen dafür. "Es gibt keinen Vorbehalt gegen eine Begrenzung der Schulden", sagte Ministerpräsident Pedro Passos Coelho nach einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel in Berlin. Merkel zeigte sich "erfreut". Ziel müsse sein, dafür zu sorgen, dass die in Europa vereinbarten Defizitobergrenzen künftig auch eingehalten würden, sagte sie.

Unterdessen zeichnet sich ab, dass es Griechenland nicht gelingt, die Krise zu überwinden. Die Entwicklung der griechischen Schulden sei "außer Kontrolle", heißt es in einem Bericht einer von der Regierung in Athen eingesetzten Kommission. Die hohen Schulden von mehr als 350 Milliarden Euro, die zunehmende Neuverschuldung des Staates und der wirtschaftliche Niedergang trieben die negative Entwicklung voran.

Finanzminister Evangelos Venizelos kündigte bereits an, dass die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um mehr als 4,5 Prozent sinken könnte. Derzeit prüfen internationale Experten in Athen, ob Griechenland die nächste Tranche aus dem Hilfspaket bekommt.

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