Steve Jobs:Tod eines Magiers

Er prägte die moderne Welt der Computer, Gadgets, Technikspielzeuge wie kaum ein anderer - nun ist Steve Jobs mit 56 Jahren gestorben. Der Mann war ein Pionier, Erfinder, ein Visionär: Wie aus einem Adoptivkind aus nicht einfachen Verhältnissen ein Mann wurde, der ein gigantisches Vermächtnis hinterlässt.

Johannes Kuhn

Nur selten hat Steve Jobs in der Öffentlichkeit etwas von sich erzählt, von dem Menschen, der hinter den Macs, iPhones, iPads, hinter der Marke Apple steckte. Einmal tat er es doch. So eindringlich wie nie zuvor. Auf der Abschlussfeier der Stanford University im Juni 2005.

"Wenn Sie in die Zukunft blicken, können Sie nicht erkennen, wo Zusammenhänge bestehen", sagte er zu den anwesenden Absolventen. "Das wird erst in der Rückschau möglich. Das heißt, Sie müssen darauf vertrauen, dass sich die einzelnen Mosaiksteinchen in Ihrer Zukunft zu einem Gesamtbild zusammenfügen. Sie müssen auf irgendetwas vertrauen - Ihr Bauchgefühl, das Schicksal, das Leben, Karma, egal was."

Steve Jobs' Selbstvertrauen im wörtlichen Sinne ist legendär: Seine Produktideen entsprangen nicht Marktforschungsergebnissen oder Trendstudien, sondern der voraussehenden Schaffenskraft des Apple-Chefs. Sein Instinkt zu erkennen, was Kunden von einem Elektronikgerät verlangen, betrog ihn selten. Sein Perfektionismus, die Entwicklung bis ins letzte Detail zu kontrollieren, machte ihn berühmt; sein Temperament ihn intern berüchtigt: Die Anekdoten, wie er einem Apple-Team befahl, sie sollten sich für ein verkorkstes Produkt "gegenseitig hassen", wie er schon mal auf dem Gang einen Mitarbeiter in Grund und Boden schrie, sind Legion, ebenso seine Verachtung für die Konkurrenz.

Doch weil die ständige Suche zum Wesen des Perfektionisten gehört, war Steve Jobs immer auch ein Suchender. Kurz nach seiner Geburt am 24. Februar 1955 gibt ihn seine Mutter, eine ledige Studentin, zur Adoption frei. Jobs wächst bei Adoptiveltern im Silicon Valley auf, der Vater schlägt sich als Tagelöhner durch.

Während seiner Teenagerzeit experimentiert der junge Steve mit Drogen, die Universität bricht er nach nur sechs Monaten ab. Jobs hält sich mit Nebenjobs über Wasser, zu seinem Vorstellungsgespräch bei Atari im Jahr 1974 kommt er "in Lumpen gekleidet, in eine Art Hippie-Outfit", wie sich sein Chef später erinnert.

Gemeinsam mit seinem Kumpel Steve Wozniak gründet er 1976 in der Garage seiner Eltern Apple. Wozniak ist der Bastler, Jobs der Geschäftsmann: Die 1300 Dollar Startkapital kann Apple vervielfachen, weil Jobs einen örtlichen Elektrohändler überredet, 50 Exemplare des Apple I zu kaufen. Schon der Apple II wird zum Verkaufsschlager, es folgt 1984 der Mac.

Mit der grafischen Oberfäche des Computers setzt Apple Maßstäbe - nicht zum letzten Mal. Steve Jobs ist zu diesem Zeitpunkt schon längst ein Popstar, er steht für die neue Generation der Unternehmer, die sich viele Gedanken über die technologische Zukunft macht und wenig auf Äußerlichkeiten und Statussymbole gibt. "Ich hatte mit 23 eine Millionen Dollar", wird er später einmal sagen, "mit 24 zehn Millionen, mehr als 100 Millionen als ich 25 war. Aber es war nicht wichtig, weil ich es niemals für das Geld getan habe."

Die Idee, dass Geld keine Rolle spielt, prägt Jobs zeitlebens. Allerdings erscheinen er und seine Frau - im Gegensatz zu seinem lebenslangen Konkurrenten Bill Gates - auf keiner Liste großer Philanthropen.

1985 dann der Absturz: Apple feuert Steve Jobs nach internen Streitigkeiten. "Es hat mich umgehauen. Über Monate hinweg hatte ich wirklich keine Ahnung, was ich tun sollte", erzählte Jobs später. "Ich hatte das Gefühl, die vorige Generation Unternehmer im Stich gelassen zu haben, den Staffelstab bei der Übergabe fallen gelassen zu haben."

Zurück zu Apple

Doch Jobs kehrt in die Branche zurück, beginnt nochmals von vorne: Er baut mit Next ein neues Computerunternehmen auf - und kauft 1986 für fünf Millionen Dollar das Animationsstudio Pixar. Im Jahr 2007 zahlt Walt Disney 7,4 Milliarden Dollar für die Firma.

Zu diesem Zeitpunkt ist Jobs längst wieder zurück bei Apple: Ab 1995 leitet er wieder die Geschicke der Firma und wendet den drohenden Zusammenbruch des Unternehmens ab. Mit seiner Hilfe gelingt es, die Apple-Geräte wieder als Werkzeuge und Statusobjekte für den kreativen Menschen von heute zu verkaufen. Der iPod, das iPhone und das iPad prägen die Konsumentenelektronik der Nullerjahre. Steve Jobs hat seine Rolle gefunden: Er ist nicht nur der Retter Apples und der Visionär des Unternehmens, sein Name ist inzwischen ein Synonym für das Unternehmen.

"Apples Magier" hat der renommierte US-Journalist Ken Auletta Jobs aus Anlass seines Rücktritts als CEO im August 2011 im New Yorker genannt, den "Edison des 20. Jahrhunderts". Jobs prägte während seines Lebens mehrere Industrien nachhaltig: Er war daran beteiligt, den Heimcomputer massenkompatibel zu machen und gleichzeitig im Mac eine Kombination aus Hardware und Software zu schaffen, die auch bei rechenstärksten Anwendungen stabil blieb.

Mit dem iPod und iTunes brachte er die Apple-Kunden im Download-Zeitalter wieder dazu, für digitale Musik zu bezahlen. Die gegenwärtige Smartphone-Revolution ist ohne das iPhone nicht zu denken, das iPad wird unser Bild von einem Computer in den kommenden Jahren in ungeahnter Art verändern.

Steve Jobs ist schon zu Lebzeiten zu einem Mythos geworden, weil es ihm gelang, Popkultur und Kapitalismus zu vereinen: Bereits in den Achtzigern feierten ihn auch Reagan-Anhänger als Self-Made-Millionär im Geiste des amerikanischen Traumes, alles ohne Hilfe erreichen zu können. Das Apple-Produktuniversum bietet brillantes Design und suggeriert Unabhängigkeit, fesselt den Nutzer jedoch an die Geräte des Unternehmens.

Diese Widersprüche waren der Antrieb für Steve Jobs, sie sind auch sein Vermächtnis. Den Mann, der sich aus Genie und Verkaufstalent alles erarbeitete, konnte nur sein eigener Körper stoppen. Bereits 2004 wurde bei ihm Krebs diagnostiziert, Jobs musste deshalb später für einige Monate aussetzen.

In seiner Stanford-Rede reflektierte er beinahe meditativ, seiner Zugehörigkeit zum Zen-Buddhismus entsprechend: "Mir ins Gedächtnis zu rufen, dass ich bald sterbe, ist das wichtigste Hilfsmittel, um weitreichende Entscheidungen zu treffen. Fast alles - alle Erwartungen von außen, jegliche Art von Stolz, alle Angst vor Peinlichkeit oder Versagen - das alles fällt im Angesicht des Todes einfach ab. Nur das, was wirklich zählt, bleibt. Sich daran zu erinnern, dass man eines Tages sterben wird, ist in meinen Augen der beste Weg, um nicht zu denken, man hätte etwas zu verlieren. Man ist bereits nackt. Es gibt keinen Grund, nicht dem Ruf des Herzens zu folgen."

Nun ist Steve Jobs gestorben. Er hinterlässt seine Frau, vier Kinder - und einen verwaisten Platz an der Tafel der großen Technikpioniere unserer Zeit.

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