Bischof Mixa in der Kritik:Wenn Hirten irren

Wäre Walter Mixa nicht Bischof, sondern Politiker, hätte er längst zurücktreten müssen. Der Papst kann fehlbare Würdenträger aus dem Amt drängen - macht es aber nicht.

Matthias Drobinski

Was einen guten Bischof ausmacht, das findet sich in jenem Brief des Neuen Testaments, den angeblich der Apostel Paulus an seinen Schüler Titus geschrieben hat. "Ein Bischof muss unbescholten sein, weil er das Haus Gottes verwaltet", heißt es da, "er darf nicht überheblich und jähzornig sein, kein Trinker, nicht gewalttätig oder habgierig." Vielmehr solle ein Bischof "das Gute lieben", gastfreundlich, fromm und gerecht sein, das "wahre Wort der Lehre halten". Und seine Kinder - ein Bischof soll "nur einmal verheiratet sein" - müssten sich auch benehmen können. "Man soll ihnen nicht nachsagen können, sie seien liederlich und ungehorsam."

Es war offenbar also nie ganz einfach, ein Bischof zu sein. Nach katholischem Verständnis ist ein Bischof auf Lebenszeit geweiht. Er steht in der direkten Nachfolge der Apostel, er ist also nicht einfach Chef eines Bistums, Vorbild für die Gläubigen oder Person des öffentlichen Lebens. Er steht für die gesamte katholische Kirche, die sich als wahr und heilig beschreibt, er steht für den Glauben an Jesus Christus.

Jeder Mensch muss da an seine Grenzen kommen. Doch was ist, wenn ein Hirte der Glaubwürdigkeit seiner Kirche schadet? Was ist, wenn der Augsburger Bischof Walter Mixa mit Vorwürfen konfrontiert ist, er habe Kindern und Jugendlichen Gewalt angetan, wenn er zugeben muss, schlecht gewirtschaftet zu haben: ausgerechnet er, der höchste moralische Ansprüche formuliert und sich als konservativer Kulturkritiker profiliert, ausgerechnet in einer Zeit, in der seine Kirche mit der größten Glaubwürdigkeitskrise seit Jahrzehnten kämpft?

Die katholische Antwort auf die Fragen lautet: Meistens passiert in solchen Fällen nichts. Wäre Bischof Mixa ein Politiker, hätte er wohl schon Ende 2001 zurücktreten müssen, als der mazedonische Zoll im Handgepäck Mixas fast 400.000 Mark entdeckte, die der Militärbischof - auch das ist der Augsburger Hirte - angeblich im Auftrag des Bischofs von Skopje undeklariert nach Deutschland bringen wollte.

Doch das blieb genauso folgenlos wie zum Beispiel die verfehlte Finanzpolitik des Berliner Kardinals Georg Sterzinsky, der sein Bistum 2002 ums Haar in den Ruin getrieben hätte.

Devisenvergehen oder Misswirtschaft wertet die römische Kurie noch lange nicht als Grund, einen Mann zu maßregeln, der die höchste Weihe der Kirche empfangen hat.

Nicht mehr als lässliche Sünden

Auch Nazi-Parallelen, wie sie der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller oder der Kölner Kardinal Joachim Meisner gezogen haben, sind für die Kirche nicht mehr als lässliche Sünden. Selbst wenn Mixa die Prügel-Vorwürfe der ehemaligen Heimkinder bestätigen müsste, wird Benedikt XVI. wohl weder ein Absetzungs- noch ein Amtsenthebungsverfahren einleiten, was der Papst laut Kirchenrecht durchaus tun könnte. "Aber das wäre ein Bruch mit den Üblichkeiten", sagt der Müncher Kirchenrechtler Stephan Haering, der 2005 die Bischofssynode in Rom beriet.

Nur der Papst in Rom kann einen Bischof kontrollieren und maßregeln. Er kann auch einen apostolischen Visitator schicken, der die Amtsführung eines Bischofs untersucht. Als 2003 ein Sexskandal im österreichischen St.Pölten bekannt wurde, schickte Papst Johannes Paul II. einen Visitator, im Jahr darauf trat der dortige Bischof Kurt Krenn zurück.

Schwierig wird es für einen Bischof also erst, wenn er nicht mehr zu Teilen der kirchlichen Lehre steht - oder wenn er im sexuellen Bereich zu Verfehlungen stehen muss. Den unbequemen französischen Bischof Jacques Gaillot versetzte Papst Johannes Paul II. ins Wüstenbistum Partenia; in den USA und in Irland mussten Bischöfe zurücktreten, weil sie Missbrauchsskandale vertuscht hatten.

In allen Fällen aber erfolgte der Rücktritt mehr oder weniger freiwillig. "Ein Bischof soll ihn anbieten, wenn er aufgrund von Krankheit oder anderen Gründen nicht mehr in der Lage ist, sein Amt ordnungsgemäß auszuüben", sagt der Kirchenrechtler Haering, "aber was mögliche Gründe für diesen Schritt sind, lässt das Kirchenrecht offen." Es müsste im Augsburger Fall also Bischof Mixa selbst zu der Erkenntnis gelangen, dass er sein Amt nicht mehr ordnungsgemäß ausüben kann, oder der Druck aus Rom müsste ihm zu dieser Einsicht verhelfen. Beides ist aber nach derzeitigem Stand nicht der Fall - auch an eine apostolische Visitation sei nicht gedacht, heißt es in Kirchenkreisen. Der Vatikan setze darauf, dass das Bistum Augsburg die Vorwürfe klärt. Und die Berater Mixas drängen ihn offenbar, die Sache durchzustehen.

Es ist das Gegenprogramm zur Mehrheit der katholischen Bischofskonferenz, die sich müht, nun den Opfern gerecht zu werden und Missbrauchsvorwürfe aufzuklären. "Man könnte jetzt an Bischöfin Margot Käßmann denken", sagt Haering. Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland trat im Februar zurück, als sie erkannte, dass sie nach einer Alkoholfahrt ihr Amt nicht mehr unbelastet würde führen können. Aber an die wird Mixa nicht denken wollen.

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