Deutscher Radiopreis:Nur Theaterdonner

Ein Medium macht sich klein: Die Verleihung des Deutschen Radiopreises ist keine Leistungsschau des Hörfunks, sondern nur eine Show mit vielen Fernsehgesichtern. Dabei hat der übers ganze Land gespannte Klangteppich mit seinen eingewobenen Perlen allen Grund für selbstbewusstes Auftreten.

Ralf Wiegand

Auf der Bühne verdampften gerade die letzten Konsonanten, die Herbert Grönemeyer dort hat liegenlassen, als er wieder bei seinen Anfängen angekommen war: Er sang im Radio, und niemand hat ihn verstanden.

Verleihung Deutscher Radiopreis

Wie immer einfach gut: Moderatorin Barbara Schöneberger bei der Verleihung des Deutschen Radiopreises.

(Foto: dpa)

So sei das ja gewesen, damals, als die Radioagenten ihm das "Männer"-Tape zurückgeschickt hätten mit der Bemerkung: Der singt ja so komisch. Den versteht ja keiner. Und jetzt sang er sich selbst ein Ständchen, live im Radio, der Ehrenpreisträger des Deutschen Radiopreises 2011. "Das Radio", sagte Grönemeyer dann ganz deutlich, "ist das bessere Fernsehen."

Aber ohne Fernsehen wäre das Radio an diesem Abend wohl nichts. Als stünde es in irgendeinem ungeschriebenen Mediengesetz, tauchen überall dort, wo Mikrofone, Kameras und ein Büffet gleichzeitig aufgebaut werden, die üblichen Verdächtigen auf: Helmut Markwort, Reiner Calmund und Sonya Kraus.

Hätte die omnipräsente Pro-Sieben-Moderatorin Kraus nicht krankheitsbedingt abgesagt, sie wären mal wieder beisammen gewesen bei einem dieser "Events", die nur deshalb welche sind, weil eben Markwort, Calmund und Kraus dort auftauchen. Oder irgendwelche anderen Promis.

Radiogesichter, das bringt das Medium mit sich, kennt kaum jemand, und blieben Radiomacher beim Radiopreis unter sich, es wäre wohl eine recht verborgene Veranstaltung. Sitzt aber Larry Hagman im Publikum (das ist dieser alte Mann, der im Vorabendprogramm des Fernsehens für Solaranlagen wirbt), steigt schon der Glamourfaktor, auch wenn niemand weiß oder wissen will, was ihn hierher geführt haben könnte.

Diese zweite Radiopreisverleihung war sogar ziemlich glamourös, moderiert von der wie immer einfach guten Barbara Schöneberger, einem Fernsehgesicht. Die Würdigungen der in insgesamt zehn Kategorien Geehrten übernahmen auch lauter bekannte Fernsehgesichter, die entweder im Radio angefangen haben, nostalgische Erinnerungen ans Radio haben oder überhaupt keinen blassen Schimmer zu haben schienen, wieso sie eine Laudatio halten sollten. Cosma Shiva Hagen hatte außer Schauspielerinnenprominenz, einer erstaunlich schlechten Vorbereitung und der Bemerkung, sie höre kaum Radio, nichts zu bieten.

Proporz beim Preisrummel

Man würde dem Radio bei seiner Preisverleihung mehr Selbstbewusstsein wünschen. Gut: James Blunt, Roxette, die Söhne Mannheims, Frida Gold und Grönemeyer haben es im Showprogramm richtig krachen lassen im Hamburger Hafen, Schuppen 52. Draußen parkten 16 Audi A8L vom Vip-Fahrdienst, während das, was drinnen passierte, von fast 50 Radiostationen übertragen und später zeitversetzt in sechs dritten Programmen der ARD im Fernsehen gezeigt wurde.

Aber im Prinzip konterkariert der Theaterdonner ja das Zuhör-Medium Radio, diesen übers ganze Land gespannten Klangteppich mit seinen eingewobenen Perlen, den Reportagen, Interviews, dem großartigen Live-Sport, für den Pensionär Manni Breuckmann (einst WDR) den zweiten Ehrenpreis des Abends bekam. Die muss man finden, denen muss man lauschen.

Über das Radio lehrt der Radiopreis nichts, sekundenkurze Einspieler der prämierten Beiträge deuten dessen Fähigkeiten nicht einmal an. Es ist keine Leistungsschau des Radios, sondern nur eine Show, deren Kosten sich öffentlich-rechtliche und private Radiosender teilen.

Auch sonst herrscht Proporz beim Preisrummel. Keine Kategorie Hörspiel, keine Kategorie Feature - weil, wie nur am Rande gewispert wird, im Privatradio diese Genres nicht gespielt werden. Auch die Preisträgerin fürs beste Interview dankte ihrem Sender Radio 7 vor allem dafür, das prämierte Gespräch überhaupt gesendet zu haben - 22 Minuten Reden am Stück auf einem Privatsender seien ja "nicht selbstverständlich".

Das Radio hat sich an diesem Abend im Fernsehen gut verkauft. Wenn aber, wie Herbert Grönemeyer glaubt, Radio schon das bessere Fernsehen ist, wäre dem Deutschen Radiopreis in Zukunft mehr Radio und weniger Fernsehen zu wünschen.

Die Preisträger: Sonderpreis des Beirats: Herbert Grönemeyer; Beste Sendung: Jenni Zylka zu Gast bei Peter Wawerzinek (WDR3); Bestes Interview: Christina Weiss und Michael Merx (Radio 7); Bestes Nachrichtenformat: B5 aktuell (Bayerischer Rundfunk); Beste Comedy: Frühstück bei Stefanie (NDR 2); Sonderpreis des Beirats: Manfred "Manni" Breuckmann; Bester Moderator: Volker Haidt (Radio SAW); Beste Moderatorin: Sabine Heinrich (1Live); Beste Höreraktion: planet project start up (planet radio, Hessen); Beste Innovation: 90elf - Dein Fußball-Radio; Beste Morgensendung: SWR3 Die Morningshow; Beste Reportage: Kathrin Erdmann (NDR Info).

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