Fluglinien und Emissionsrechte:Gegen den Rest der Welt

Im Kampf gegen die Luftverschmutzung gibt sich die EU knallhart: Auch Airlines aus der Ferne sollen für Emissionsrechte blechen. Die Empörung ist groß, die Fluglinien befürchten Milliardenkosten. 21 Länder kündigen an, zurückzuschlagen.

Jens Flottau, Frankfurt

Die Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofes hält den geplanten Emissionshandel für Fluggesellschaften für rechtens. Im Schlussantrag eines von mehreren amerikanischen Airlines angestrebten Verfahrens entschied Juliane Kokott, das Vorgehen der Europäischen Kommission sei "auch mit den relevanten internationalen Übereinkünften vereinbar." Insgesamt 21 Länder haben harten Widerstand gegen die Pläne angekündigt.

Die Kommission will alle Flüge, die auf einem europäischen Flughafen beginnen oder enden, vom kommenden Jahr an den Emissionshandel integrieren. Die Fluggesellschaften bekommen für 83 Prozent ihres Kohlendioxidausstoßes des Jahres 2005 kostenlose Zertifikate zugeteilt, für den Rest müssen sie weitere Berechtigungsscheine hinzukaufen. Die Branche rechnet mit Zusatzkosten in Milliardenhöhe, allein die Lufthansa kalkuliert je nach Preis der Zertifikate mit 150 bis 350 Millionen Euro im ersten Jahr.

Das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof haben US-Fluggesellschaften und der amerikanische Branchenverband Air Transport Association (ATA) angestrebt. Sie argumentieren, mit dem Emissionshandel überschreite die EU-Kommission ihre Kompetenzen und verstoße unter anderem gegen das Kyoto-Protokoll und das Chicagoer Abkommen, das den internationalen Flugverkehr regelt.

Auch der Grundsatz, dass Staaten die Hoheit über ihren eigenen Luftraum besitzen, sei unter anderem deswegen verletzt, weil die gesamte Länge eines Fluges als Bemessungsgrundlage gelten soll und nicht nur der Teil, der über Europa stattfindet. Generalanwältin Kokott sieht das indes anders: Die Richtlinie enthalte "keine extraterritoriale Regelung und verletzt auch nicht die Souveränitätsrechte von Drittstaaten", da die Starts und Landungen als einziges Kriterium gälten. Üblicherweise folgt der Gerichtshof dem Schlussantrag.

China macht Druck mit einer Airbus-Bestellung

Mit der Entscheidung droht der Streit zwischen der Europäischen Kommission und praktisch allen wichtigen Handelspartnern wie den USA, China, Russland, Indien und Brasilien weiter zu eskalieren. Der amerikanische Kongress bereitet ein Gesetz vor, das es den US-Airlines sogar verbietet, am Emissionshandel teilzunehmen. Und vor allem asiatische Länder haben bereits Vergeltungsmaßnahmen angekündigt.

So will Indien die bilateralen Luftverkehrsabkommen öffnen, sollte die Kommission Ernst machen. Dann könnten europäische Fluggesellschaften Verkehrsrechte in einem der größten Wachstumsmärkte verlieren. Russland hat als Druckmittel die Überflugrechte in der Hand, die das Land stark verteuern könnte. Die meisten Routen nach Ostasien führen über Russland. China hält seit Monaten einen Auftrag für Maschinen des Typs Airbus A380 zurück, den die Fluggesellschaft Hongkong Airlines abgeben will.

Die europäischen Fluggesellschaften befürchten deswegen, dass der Streit schon bald auf ihrem Rücken ausgetragen werden könnte. Die Gruppe von 21 Ländern, die erst Ende September in einer gemeinsamen Resolution das Ende des europäischen Emissionshandels in der aktuell geplanten Form gefordert hat, will bis Ende November neue Fakten sehen. Andernfalls wollen die Vertreter der Staaten bei ihrer nächsten Sitzung Ernst machen mit ihrer Drohung und unterschiedliche Gegenmaßnahmen beschließen.

Verbände der Fluggesellschaften fordern, der Emissionshandel müsse, wenn überhaupt, dann international einheitlich eingeführt werden. Doch entsprechende Versuche sind bislang gescheitert. Die International Civil Aviation Organization (ICAO) hat sich lediglich auf grundlegende Kriterien verständigt, die regional begrenzte Emissionshandelssysteme erfüllen müssen. Die meisten Länder haben aber bislang gar nicht vor, ähnliche Programme einzuführen.

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