Disziplinarverfahren gegen TV-Pfarrer:Fliegt Fliege?

Fliege-Essenz statt Weihwasser, Kongress mit Schamanen statt Gottesdienst: Die evangelische Kirche hat die Kapriolen des Pfarrers und Unternehmers Jürgen Fliege satt und ein Disziplinarverfahren gegen ihn eröffnet. Der Ex-TV-Pfarrer kontert harsch.

Einst sprach Jürgen Fliege salbungsvoll in der ARD mit seinen Talkgästen über ihre Schicksale. Doch der Fernsehpfarrer von damals ist längst zu einem geschäftstüchtigen Unternehmer geworden, der gerne mal aneckt - auch in der evangelischen Kirche. Nun will sein eigentlicher Dienstherr die flapsigen Äußerungen und fragwürdigen Produkte des 64-Jährigen nicht mehr hinnehmen. Sie habe ein Disziplinarverfahren gegen Fliege eröffnet, teilte die evangelische Kirche im Rheinland mit.

Landeskirche leitet Disziplinarverfahren gegen Juergen Fliege ein

Wegen seiner spirituellen Wandlungsfähigkeit ist Jürgen Fliege schon länger umstritten - jetzt hat die evangelische Kirche im Rheinland ein Disziplinarverfahren gegen ihn eröffnet.

(Foto: dapd)

Es bestehe der Verdacht, dass Fliege gegen seine Amtspflichten verstoßen habe, sagte ein Kirchensprecher. Zu Inhalten wollte sich die Kirche allerdings nicht äußern, weil es sich um eine Personalangelegenheit handle. Die Kirche beruft sich auf das Pfarrdienstgesetz, das die Pfarrer auch in ihrer Lebensführung ihrem Auftrag verpflichtet. Bei Verstößen können etwa die Bezüge der Kirchenmänner gekürzt werden. Fliege bedauerte den Schritt und kritisierte, dass die Kirche zuvor kein Gespräch mit ihm gesucht habe.

Irritationen hatte er in der Kirche unlängst mit der Vermarktung einer "Fliege-Essenz" ausgelöst. Für knapp 40 Euro zuzüglich Versandkosten waren 95 Milliliter einer Flüssigkeit zu kaufen, die der Kirchenmann zuvor angeblich durch Handauflegen "mit Trost und Kraft" aufgeladen hatte. Die Essenz "schenkt unserer Seele ordnende Informationen" - versprach die Werbung.

Dies rief die Hamburger Sektenexpertin Ursula Caberta auf den Plan: Fliege sei vom evangelischen Pastor zum Esoteriker mutiert, warnte sie. Aus der Kirche war deswegen der Vorwurf laut geworden, Fliege verkaufe den Segen Gottes.

Der so Gescholtene konterte, die Kirche handle nicht anders - schließlich ziehe sie ja Kirchensteuer ein. "Der Segen Gottes ist kostenlos. Das Weitergeben des Segens durch die Kirche aber nicht. Segen ist in meiner Kirche selbstverständlich käuflich zu erwerben, auch wenn es ihr schwer fällt, das zu sehen und dann dazu zu stehen", teilte Fliege in einer Stellungnahme mit. "Ohne steuerpflichtiges Mitglied in der Kirche zu sein, gibt es keinen kirchlichen Segen bei Trauung und auch keine Beerdigung." Er habe mit seiner Essenz "segensreiche Wirkung" verkauft. "Das ist überall in der Welt gang und gäbe. Für eine deutsche Kirche aber eher ungewohnt. Denn unsere Kirchen sind, wie selbst der Papst erkannte, im Kirchensteuerparadies verfettet."

Fliege soll außerdem gegenüber einem jungen Brautpaar geäußert haben, Gott und die Kirche seien "erst mal scheißegal", es komme auf die Seele an. Fliege erklärte am Freitag, ein Journalist habe die Vertraulichkeit des Seelsorgegesprächs verletzt. "Ich erstaune, wie skrupellos meine Kirche auf das Wort eines bezahlten Spötters setzt, der mein Vertrauen missbraucht."

Der Träger des Bundesverdienstkreuzes hat für Ende des Monats zu einem Kongress, dem dritten "Wörishofener Herbst" geladen und dazu auch Schamanen, Engelsredner und Wunderheiler eingeladen. Auch deswegen hagelte es Kritik. Fliege wehrte sich.Seine Argumentation: Er wolle auch mit Andersgläubigen im Dialog bleiben.

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