Tatort-Kolumne:Zu doof für Marbach

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Aus Stuttgart kommt das Tatort-Verbrechen. Zwar sind die Schauspieler gut, die Geschichte ist spannend. Aber die Dialoge! Hier ist die lückenlose Beweisführung, dass die ARD ihr Publikum manchmal einfach für zu doof hält.

Alexander Gorkow

Es ist rund ein Dutzend Jahre her, dass die ARD in Gestalt der Gefechtsstelle NDR Drehbuchautoren ein Empfehlungsschreiben reichte: In dem Papier war geregelt, wann in einem 20.15 Uhr-Krimi der Tote tot zu sein habe, wann die Leute von der Spurensicherung aus ihren Melittatüten-Anzügen schauen müssen und wann der Fall geklärt sein möge. Das interne Schreiben, aus dem Herbert Riehl-Heyse für diese Medienseite zitierte, richtet seither exakt den Schaden an, den Riehl befürchtete: Es regelte per Schlussstrich von oben, dass der ARD-Zuschauer ein brummeldummer Einfaltspinsel und deshalb nicht zu überfordern sei, da sonst neben den Jungen auch die Alten zu den Privaten abwandern.

Bitte nicht reden! Doch sie tun es. Lannert (Richy Müller, Mitte) und Bootz (Felix Klare, rechts) befragen Anwalt Heiner Horsch (Peter Kremer). (Foto: dpa)

Man sieht die Folgen plastisch an diesem Tatort hier aus Stuttgart, der vollgestopft ist mit guten Schauspielern wie dem sogar herrlichen Richy Müller als Kommissar Lannert, Hans-Werner Meyer oder auch Peter Kremer. Die machen alles richtig, und die Geschichte über den Rachefeldzug nach dem Tod eines Mädchens ist grundsätzlich eine packende und nach einer Stunde eine übrigens immer packender werdende.

Was nervt, sind exakt die Folgen der bösen alten ARD-Direktive von oben: Hirnverbrannte Dialoge, die ständig die Handlung zusammenfassen, und gerne wüsste man übrigens endlich, wieso im Tatort immer nur die Herrschaften von Spurensicherung und Gerichtsmedizin Dialekt reden, nie aber alle anderen: Kommen die einen immer aus hochdeutschen Verhältnissen, und die anderen sind immer die Kinder einfacher, schwäbischer Handwerker?

Als eine Tote auf der Straße liegt, wird der Kommissar nun von einer Mitarbeiterin so aufgeklärt: "Sie betreibt ein Restaurant in Marbach - das ist auf der anderen Seite von Stuttgart." Eigentlich müsste Lannert jetzt natürlich gegenfragen: "Wieso erzählst du mir, wo Marbach liegt, du dumme Nuss? Glaubst du, ich weiß als Stuttgarter Kommissar nicht, dass Marbach nur 20 Kilometer entfernt ist?" Und ehrlicherweise würde die Mitarbeiterin nun entgegnen: "Tut mir leid, Chef, dass ich Ihnen erkläre, wo Marbach liegt. Aber so steht's im Drehbuch. Weil doch unsere Autoren damals dieses Papier bekommen haben, in dem steht, dass sie alles immer erklären sollen. Für unsere Zuschauer. Weil die doch so sagenhaft blöd sind."

Es gibt Filme, die haben ihre Redakteure nicht verdient.

© SZ vom 08.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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