Trends auf der Frankfurter Buchmesse 2011:Deftiges und Unerträgliches

Die Frankfurter Buchmesse, das sind 400.000 Neuerscheinungen auf 170.000 Quadratmetern. Zu entdecken sind Krimis, Belletristik, Bildbände, Schmöker. Und ein paar internationale Trends, die man nicht verpassen sollte. In Mode sind unter anderem Erzählungen von Prostituierten, regionale und nordische Kriminalromane.

Meike Mai und Ruth Schneeberger

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Trends auf der Frankfurter Buchmesse 2011:Trend: Biographien

Metamorphosis, Marilyn Monroe

Quelle: IT Books

Die Frankfurter Buchmesse, das sind 400.000 Neuerscheinungen auf 170.000 Quadratmetern: Krimis, Belletristik, Bildbände, Schmöker. Und einige internationale Trends, die man nicht verpassen sollte. Besonders in Mode sind regionale und nordische Kriminalromane - und Erzählungen von Prostituierten.

Nichts ist spannender als das Leben der anderen. Ob Promis oder Prostituierte - Biographien sind ein starker Buchtrend in diesem Herbst. Die Verlage setzen auf Privates. Auch wenn es zuweilen über die Schamgrenze hinausführt. Wie etwa die Lebensgeschichte von Lilly Lindner: Eine fast unerträglich offene Erzählung, in der die 26-jährige Berlinerin von Vergewaltigung, Magersucht und Prostitution schreibt ("Splitterfasernackt", Verlag Droemer).

Prominentestes Beispiel für den Biographie-Trend: die autorisierte Lebensgeschichte des kürzlich verstorbenen Apple-Gründers Steve Jobs (C. Bertelsmann), die schon vor Erscheinen auf Platz 1 bei Amazon landete. Neu erscheinen auch die Erinnerungen der Tatort-Kommissarin Eva Mattes unter dem Titel "Wir können nicht alle wie Berta sein" (Ullstein-Verlag). Viel Wirbel wird um den Marylin-Band "Metamorphosis" (It Books) gemacht, der den Werdegang der Norma Jeane Baker zum blonden Sexsymbol in Bildern nachzeichnet. 2012 begeht die Welt Marilyn Monroes 50. Todestag.

Texte und Bildauswahl: Meike Mai und Ruth Schneeberger/sueddeutsche.de/rus

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Trends auf der Frankfurter Buchmesse 2011:Trend: Regionalkrimis

Cover, Schweinskopf al dente, Rita Falk

Quelle: dtv

Die Liebe der Leser zu mörderischen Geschichten zwischen Misthaufen und Stammtisch wächst stetig. Kein Wunder, dass neben brutal-düsteren Skandinavien-Krimis wie dem neuen Buch von Jussi Adler-Olsen gerade die Mörderjagd mit Lokalkolorit und Augenzwinkern gefragt ist. Und das nicht nur in der Eifel, wo Jaques Berndorf schon vor zwanzig Jahren den "Eifel-Blues" bekam. Die "Dampfnudelblues"-Autorin Rita Falk legt mit "Schweinskopf al dente" (dtv) im Dezember einen weiteren deftigen Provinzkrimi vor. Und am Starnberger See begibt sich Labrador Flipper mit seinem Frauchen auf Spurensuche ("Alle Vögel fliegen hoch", Heyne). Bitterböse, makaber und ein bisschen obszön geht es im österreichischen Örtchen "Bad Fucking" (rororo) zu, nachdem ein Ex-Hotelier tot aufgefunden wird. Wir lernen: Die Provinz wächst.

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Trends auf der Frankfurter Buchmesse 2011:Trend: Mystery

Die Seelen der Nacht, Deborah Harkness

Quelle: Blanvalet

Vampire bleiben für das Massenpublikum weiterhin in Mode. Deborah Harkness' magisch-romantischer Roman "Die Seelen der Nacht" (Blanvalet) hat Aussicht auf eine Bestsellerposition, denn der US-Historikerin gelingt in ihrem Debüt ein Mix aus "Harry Potter" und der "Twilight"- Reihe. Einen Mystery-Roman über ein düsteres Familiengeheimnis in bester Kate-Morton-Tradition hat auch Katherine Webb geschrieben ("Das geheime Vermächtnis", Diana). Wir ahnen: Dieser schaurige Trend wird noch ein Weilchen verweilen.

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Trends auf der Frankfurter Buchmesse 2011:Trend: Island

Mordbrand, Island-Saga

Quelle: Galiani

Der vierte Trend ist in diesem Buchherbst dem Gastland der Messe zu verdanken: Island. Die Isländer sind ein leseverrücktes Völkchen. Auf gerade mal 300.000 Einwohner kommen 30 Verlage, fast jeder Privathaushalt besitzt eine kleine Heimbibliothek. Auf der nordischen Insel wird ungewöhnlich viel gelesen und geschrieben. Die Hauptstadt Reykjavik wurde Anfang August von der Unesco zur Literaturstadt ernannt. Fast 40 isländische Schriftsteller sind auf der deutschen Bücherschau zu Gast.  Dabei haben die Verlage nicht nur Modernes im Programm, sondern auch Klassiker. Neu erzählt und poetisch illustriert sind etwa die fünf spannendsten Island-Sagas, die unter dem Titel "Mordbrand" (Galiani) erscheinen. Dunkel und abgründig wird es mit dem Krimitautoren Arnaldur Indriðason ("Abgründe", Lübbe). Wir staunen über so viel Literaturbegeisterung.

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Trends auf der Frankfurter Buchmesse 2011:Rückläufiger Trend: Glücksberater

E-Mail Knigge Emoticon

Quelle: dpa

Stapelten sich in den vergangenen Jahren noch klassische Glücksratgeber wie die "Wege zum Glück" des Dalai Lama, "Lachyoga" oder "Simplify your Life" in den Regalen, ist dieser Trend nun wieder rückläufig. "Diffenzierte Darstellungen oder nachhaltige Bücher zum Teil mit persönlichem Bezug sind aber nach wie vor interessant. Ebenso gesellschaftspolitisch relevante Bücher zu aktuellen Themen oder mit besonderem Bezug, wie Die Öko-Baustelle von Christiane Paul über ihren Versuch, ökologisch bewusst zu leben" so Claudia Limmer, Leiterin der Unternehmenskommunikation bei Random House. Wir sind glücklich, dass wir nun nicht mehr ganz so oft darauf gestoßen werden, dass wir eigentlich noch viel glücklicher sein müssten.

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Trends auf der Frankfurter Buchmesse 2011:Deutschland: Charlotte Roche reloaded

Die kleine Welt der Charlotte Roche

Quelle: dpa

Da ist sie wieder, die Bestsellerautorin, deren Erstling "Feuchtgebiete" überraschend zum meistverkauften Buch des Jahres 2008 wurde und zu einem der größten Bucherfolge des neuen Jahrtausends. Noch bevor sich die deutschen Feuilletons endgültig von dem Schock erholen konnten, dass sich eine ehemalige Viva-Moderatorin mit unappetitlichen Schilderungen über Intimrasur, Analfissur und Sex trotz mangelnder Körperhygiene an allen anderen ernstzunehmenden Literaten vorbeischrieb, legte sie nun mit "Schoßgebete" nach. Ob ihr zweiter Roman ähnlich erfolgreich wird, steht in den Sternen - klar ist aber: Charlotte Roche wird darin noch deutlicher. Mit viel Liebe zum Detail beschriebene Sexszenen mit ihrem Ehemann und einer Prostituierten betten die autobiographische Schilderung ihres Familiendramas ein: Dass bei einem Autounfall im Jahr 2001 ihre drei Brüder auf dem Weg zu Roches Hochzeit tödlich und ihre Mutter schwer verletzt wurden, die Hochzeit danach abgesagt wurde und Roche sich seitdem schuldig fühlt, den Kontakt zu ihrer Familie aber abgebrochen hat, das kann man nun nicht mehr nur in der Bild-Zeitung, sondern in ihren Worten in "Schoßgebete" nachlesen. Ob ihre Familie mit ihrer radikalen und unverblümten Schilderung einverstanden ist, steht auf einem anderen Blatt. Ihre Fans jedenfalls zeigen sich dankbar für so viel unerwartete Offenheit. Und wir wissen natürlich: Sex sells.

Charlotte Roche liest am 15. Oktober in Köln, am 13. November in Wien, am 23. November in Mainz.

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Trends auf der Frankfurter Buchmesse 2011:Lieblinge der Franzosen: Katherine Pancol und Stéphane Hessel

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Quelle: SZ

In Frankreich spricht man mittlerweile vom "Phänomen Pancol": Gemeint ist Katherine Pancol, 1954 in Casablanca geboren, Lehrerin, Journalistin und Autorin. 2006 erschien "Die gelben Augen der Krokodile" (der erste Teil der Joséphine-Trilogie), im gleichen Jahr erhielt der Roman den Prix Maison de la Presse, 2008 war er noch immer auf Platz 6 der bestverkauften Romane des Jahres und 2010 dominierte Pancol die Bestsellerlisten mit ihrer Trilogie schließlich ganz. Bis heute lasen Katherine Pancols Debüt 1,5 Millionen Franzosen. Ihr Erfolgsbuch ist gerade gerade auf Deutsch erschienen und erzählt mal liebreizend lustig, mal lebensklug und traurig, aber immer berührend, die Geschichte einer Frau, die vom grauen Mäuschen zur Starautorin wird (C. Bertelsmann). Wir vermuten: Hier identifizieren sich überragend viele Leserinnen mit ihrer so liebenswerten wie unterschätzen Heldin.

Katherine Pancol ist auf Lesereise: 13.10. und 14.10. Frankfurt, 15.10. Göttingen.

Das meistverkaufte Buch des Jahres 2010 im unzufriedensten Land der Welt war ein anderes: Der ehemalige Résistance-Kämpfer Stéphane Hessel bewegte seine Landsleute mit dem Aufruf, sich gegen die Verhältnisse aufzulehnen. Sein Manifest "Empört Euch!" rief die Bevölkerung auf, sich gegen Ungleichheit, Finanzkapitalismus und Fremdenhass aufzulehnen. 2011 legte er seine Kampfschrift "Engagiert Euch!" nach. Und reitet im stolzen Alter von 93 mit seinen überaus erfolgreichen Heftchen auf der Welle eines weiteren Trends: der intensiven und massentauglichen kritischen Betrachtung politischer und globaler Entwicklungen. Wir meinen: Mehr davon!

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Trends auf der Frankfurter Buchmesse 2011:Der verklemmte Italiener: Francesco Pacifico

Eiffelturm, Paris

Quelle: iStockphoto/Guitain

Sex - oder besser erst mal: kein Sex - ist das Thema von Francesco Pacifico. Bereits mit seinem zweiten Roman "Geschichte meiner Unschuld" (Piper) gelingt dem 1977 in Rom geborenen Pacifico der ganz große Wurf: In Italien ist der Roman über einen verklemmten Italiener und seine amourösen Abenteuer in Paris ein Bestseller. Schon ein Jahr nach Erscheinen im März 2010 wurden die Übersetzungsrechte in alle für den internationalen Lesemarkt wichtigen Sprachen verkauft. Dabei ist das Buch keineswegs schnörkelige Romanze. Held Piero ist Sohn aus reichem römischen Hause, mit einer schönen Frau verheiratet - und verbietet sich nach der Bekehrung zum Ultrakatholizismus selbst den Sex mit der eigenen Frau. Bis er im Sündenpfuhl Paris Affären mit gleich mehreren Frauen beginnt. Für die italienischen Leser ganz offensichtlich ein großes Vergnügen. Wir stellen da mal lieber keine Vermutungen an.

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Trends auf der Frankfurter Buchmesse 2011:Die Mutter des Erfolgs: Amy Chua aus USA

Amy Chua

Quelle: dpa

Dass nationale Bestseller schnell zu internationalen Verkaufshits werden können, zeigt Amy Chua, besser bekannt als "Tiger Mom". Nur zwei Wochen nachdem das glühend-radikale Erziehungspostulat "Battle Hymn of the Tiger Mother" im Januar 2011 auf Englisch erschien, eroberte es auch den deutschen Markt. Und nicht nur den. In Großbritannien, Israel, Südkorea und China ist das umstrittene Buch inzwischen ein Bestseller. Die Lizenzen wurde in mehr als 30 Länder verkauft. Seitdem ist die chinesischstämmige Mutter zweier Töchter auf Lese- und Pressereise rund um den Globus unterwegs - und arbeitet bereits am nächsten Bestseller. Wir hoffen, dass der nicht noch strenger wird.

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Trends auf der Frankfurter Buchmesse 2011:Der isländische Kultautor: Hallgrímur Helgason

island buchmesse

Quelle: Kristinn Ingvarsson

Er liebt schwarzen Humor, schräge Witze und schrille Plots: Hallgrímur Helgason. Die Romane des Autors gelten als typisch isländisch. Sein Buch "101 Reykjavik" erschien 1996, wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt, verfilmt - und Kult. Helgason gehört zu den jungen Wilden, schreibt Popliteratur und fällt besonders durch seine Sprache auf, die von den modernen Medien beeinflusst ist. In deutscher Übersetzung neu erscheint zur Frankfurter Buchmesse Helgasons Roman  "Eine Frau bei 1000°" (Tropen). Darin geht es um die 80-jährige Herbjörg María Björnsson, die in einer Garage auf den Tod wartet. Mit dabei: ein Laptop und eine Handgranate aus Kindertagen. Das Buch ist ein wilder Ritt durch die Geschichte des 20. Jahrhunderts, zynisch und anrührend zugleich. Wir lassen uns gerne mitnehmen.

Hallgrímur Helgason ist ebenfalls auf Lesereise: 13.10. Literaturhaus München, 20 Uhr, Infos: literaturhaus-muenchen.de.

© sueddeutsche.de/mmai/rus
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