Verschollen in der Südsee:"Das darf doch alles nicht wahr sein"

Knochen und Knöpfe haben die Ermittler auf der Südsee-Insel Nuku Hiva in der Asche eines Feuers gefunden, und Zähne mit Prothesen. Die Hinweise verdichten sich, dass der Abenteurer Stefan R. dort gestorben ist, auch das BKA hat sich eingeschaltet. Im Internet machen Freunde und Verwandte sich gegenseitig Mut. Schon einmal mussten sie um das Schicksal des Hamburgers bangen.

Eigentlich wollte er schon längst weit weg sein: "Nach sechs Wochen Marquesas werden wir nun zu den Tuamotus-Atollen schippern", schreibt Stefan R. seinen Freunden und Bekannten am vergangenen Sonntag bei Facebook. "Wer nicht weiß, wo die liegen - keine Schande. Nur den Finger auf den Punkt im Pazifik legen, der von allen Landmassen am weitesten entfernt liegt - so ziemlich genau dort bin ich zurzeit." Mit dem Katamaran einmal rund um die Welt, das war der große Traum von Stefan R. und seiner Freundin Heike. Jahrelang haben die Wirtschaftswissenschaftler aus Norddeutschland dafür gespart, die Reise geplant.

Im April 2008 ist das Paar Medienberichten zufolge von der Türkei aus aufgebrochen, 2012 wollten sie ihre Reise in Neuseeland beenden. In einem paradiesischen Winkel der Erde hat sich der Traum in für die Abenteurer aus Deutschland in einen Albtraum verwandelt: Nur Stunden nach seinem letzten Facebook-Eintrag bricht Stefan R. zu einem letzten Ausflug ins Innere der Insel Nuku Hiva auf, er will gemeinsam mit dem Einheimischen Henri H. in das malerische Hakaui-Tal jagen gehen. Er kehrt nie zurück.

Später finden Beamte der örtlichen Polizei mehrere Kilometer von jenem Tal entfernt frische Überreste eines Feuers. In der Asche entdecken sie Knochen, Zähne mit Prothesen, Kleiderreste, Knöpfe und verschmortes Metall. Dass hier ein Verbrechen begangen wurde, dessen ist sich die zuständige Staatsanwaltschaft sicher. Ein menschlicher Körper sei dort zerstückelt und zusammen mit Tierkadavern verbrannt worden.

Ob es sich bei dem Opfer um den 40 Jahre alten Hamburger handelt, soll ein zahnmedizinischer Abgleich zeigen. Das Online-Portal Tahiti-Infos berichtet, die Beweisstücke vom Tatort seien in das etwa 2000 Kilometer entfernte gerichtsmedizinische Labor auf Tahiti gebracht worden. Inzwischen hat sich auch das BKA in die Ermittlungen eingeschaltet.

Endgültige Gewissheit über das Schicksal von Stefan R. kann jedoch nur eine DNS-Analyse der Überreste bringen, die Wochen in Anspruch nehmen kann - oder Henri H. Doch der ist ebenso spurlos verschwunden wie Stefan R. Die örtliche Polizei hat die Bevölkerung um Hilfe gebeten. Zwar leben auf Nuku Hiva nur 2600 Menschen, doch die Insel erstreckt sich über 25 mal 17 Kilometer, sie ist die größte in der Marquesas-Gruppe von Französisch-Polynesien.

Verstörende Berichte seiner Freundin

Alles, was man bislang über die Vorfälle von Sonntag weiß, stammt aus den verstörenden Berichten von Heike D.. Kurz nachdem ihr Freund gemeinsam mit dem Polynesier aufgebrochen ist, kehrt der Einheimische allein zurück. Ihr Freund sei verletzt, sagt der 31-Jährige. Er brauche Hilfe. Heike D. begleitet den Mann und kehrt am späten Nachmittag zurück, alleine und verängstigt. Der Jäger habe sie unterwegs bedroht, entkleidet, sexuell belästigt und an einen Baum gebunden, berichtet die Tageszeitung Dépêche de Tahiti. Sie habe sich aber befreien und fliehen können. Ihre Schilderungen lassen kaum noch Hoffnung zu, Stefan R. lebend zu finden.

Schon vor Jahren entkam das Paar nur knapp einem grausamen Tod: Am 26. Dezember 2004, Stefan R. und Heike D. machen einen Tauchurlaub auf der thailändischen Insel Khao Lak, fahren sie schon früh hinaus aufs offene Meer, zu den Similian Islands, einem der schönsten Tauchreviere der Welt. So bleiben sie von dem Tsnunami, der große Teile Südostasiens zerstörte und eine Viertelmillion Menschen das Leben kostet, verschont. Die Riesenwelle rollt einfach unter ihnen hindurch. Sie erzählen ihre Geschichte dem Hamburger Abendblatt. Fünf Jahre später sieht es so aus, als wäre der passionierte Wassersportler, der "Meeresrauschen, das Plätschern der Wellen an der Bordwand und das Heulen des Windes im Mast" als seine Lieblingsmusik angibt, an Land gestorben.

Unter dem letzten Eintrag auf Stefan R.s Facebook-Profil tauschen sich seine Freunde und Familienmitglieder über den Stand der Ermittlungen aus, machen sich gegenseitig Mut. "Wäre das hier um die Ecke, würden wir alle suchen helfen", schreibt einer. "Warum Nuku Hiva?", fragt Stefan R.s Vater. Anderen fehlen angesichts immer neuer Details, die bekanntwerden, die Worte. "es ist unfassbar...unsagbar schrecklich...das darf doch alles nicht wahr sein."

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