Strompreis und Netzentgelt:Energiewende teurer als gedacht

Der Ausbau der erneuerbaren Energien soll den Durchschnittshaushalt nur etwa 2,50 Euro im Jahr kosten. Doch der Ausbau des Stromnetzes dürfte die Rechnung weiter in die Höhe treiben. Die stromintensive Industrie erwartet sogar einen Preisanstieg von neun Prozent.

Im nächsten Jahr kommen auf die Verbraucher offenbar höhere Stromrechnungen zu - weil die Netzentgelte steigen. Denn diese werden ebenso wie die Öko-Energie-Förderung über den Strompreis bezahlt.

RWE Geschäftszahlen

Im Rahmen der Energiewende muss das Stromnetz ausgebaut werden. Das wird die Verbaucher Geld kosten.

(Foto: dpa)

Zwar kann die Umlage zum Ausbau der erneuerbaren Energien 2012 mit Mehrkosten von etwa 2,50 Euro pro Jahr und Durchschnittshaushalt im Griff gehalten werden. Doch die Netzkosten könnten diesen Erfolg der Regierung wieder auffressen und Unmut beim Blick auf die Stromrechnung auslösen.

Der Energiekonzern und Netzbetreiber EnBW will seine Netzentgelte zum 1. Januar 2012 um durchschnittlich zwölf Prozent erhöhen. Eon als einer der größten Betreiber von Verteilnetzen will die Entgelte zum Jahreswechsel um sieben bis 13 Prozent anheben. Mit Mehrwertsteuer sind das bis zu ein Cent pro Kilowattstunde mehr als bisher. Wird dies voll an die Stromendkunden weitergegeben, könnten einem Durchschnittshaushalt in diesem Fall Mehrkosten für von 35 bis 40 Euro drohen.

Das hat vor allem zwei Gründe: Zum einen hatte der Bundesgerichtshof im Juni die Deckelung der Entgelte in der Regulierungsperiode 2009 bis 2013 für ungültig erklärt. Damit können diese nun erhöht werden. Außerdem treiben Kostentreiber Rabatte für die Industrie die Kosten. Sie waren im Zuge des Atomausstiegs der Industrie zugebilligt worden - aber bisher weitgehend unbeachtet geblieben.

Aus Gründen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit sind hunderte Unternehmen weitgehend von der Ökostrom-Umlage befreit. Aus Sicht des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft macht das Sinn. Denn selbst wenn die Firmen die volle Umlage zur Förderung von Energie aus Sonne oder Wind zu zahlen hätten, würde ein Durchschnittshaushalt nur um knapp 1,70 monatlich entlastet, rechnet Hauptgeschäftsführerin Hildegard Müller vor: "Dies sollte uns der Erhalt des Industriestandortes Deutschland wert sein."

Auch auf die Betriebe kommen im nächsten Jahr wachsende finanzielle Belastungen zu - behauptet zumindest der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK). Einer Studie des Verbandes zufolge wird der Atomausstieg den Strom für Industriebetriebe 2012 um neun Prozent teurer machen. Es drohten Nachteile im internationalen Wettbewerb.

Der Großhandelpreis für Strom war bereits nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima Mitte März um zehn Prozent gestiegen. Daten der Nachrichtenagentur Reuters zufolge liegt er derzeit noch mehr als vier Prozent über dem Niveau aus der Zeit vor dem Unglück und dem folgenden Atom-Moratorium der Bundesregierung.

Wächter über die Wende

Sorgen machen sich die Firmen auch, weil Netzstabilität und Stromqualität nach dem Abschalten von acht Kernkraftwerken im März beeinträchtigt seien. Es häufen sich angeblich Schwankungen im Netz oder Stromausfälle im Millisekundenbereich. Während dies für Haushaltsgeräte kein Problem sei, führe es bei komplexen Industrieanlagen zu Störungen und teuren oder sogar existenzbedrohenden Ausfällen, beklagt der VIK. Abhilfe könnten laut Verband mehr Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung schaffen. Daher mache es keinen Sinn, diese klimafreundliche Energieerzeugung mit der Ökostrom-Umlage zu belasten, wie es für das kommende Jahr für viele Unternehmen vorgesehenist.

Zufrieden ist der Verband der energieintensiven Unternehmen mit einer anderen Tatsache: Die Zahl der Betriebe, die im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes wegen hohen Strombedarfs Ausgleichszahlungen erhalten, wachse von derzeit einigen hundert auf über 100.000.

Um Industriebetriebe im Land zu halten, sind Unternehmen mit einem Verbrauch von mehr als zehn Millionen Kilowattstunden pro Jahr in der neuen Stromnetzentgeltverordnung von Netzentgelten ganz befreit worden. Aribert Peters, Vorsitzender des Bundes der Energieverbraucher, kritisiert, "dass ausgerechnet die Firmen, die die Netze am intensivsten nutzen, dafür nun nichts mehr zahlen müssen". Peters schätzt die Mehrbelastung für die anderen Stromverbraucher, die diesen Ausfall kompensieren müssten, auf jährlich bis zu eine Milliarde Euro. Die Grünen rechnen mit Mehrkosten von jährlich bis zu 50 Euro pro Haushalt nur durch die steigenden Netzentgelte. Auch ein Sprecher der Bundesnetzagentur bestätigt, dass die Regelung Verbraucherkosten treiben kann.

Die Bundesregierung hat inzwischen eine Art Wächter über die Energiewende eingesetzt. Ein vierköpfiges Gremium soll kontrollieren, ob der Netzausbau planmäßig verläuft und welche neuen Kraftwerke notwendig sind. Vor allem aber sollen sie Alarm schlagen, wenn die Kosten für die Stromverbraucher aus dem Ruder laufen könnten.

Das vierköpfige Kontrollgremium unter Vorsitz des Volkswirts Andreas Löschel vom Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung dürfte viel zu tun haben, wie die aktuelle Debatte um die Netzentgelte belegt. Bis zu 4450 Kilometer neue Stromautobahnen und tausende Kilometer neue Verteilnetze in Städten und Kommunen sind nötig, um den überall neu erzeugten Strom etwa aus Wind- und Solarparks zu den Verbrauchern zu bringen.

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