Virtueller Hubschrauber:Von München nach Hongkong in zehn Minuten

In fünf deutschen Städten kann im Flugsimulator jedermann selbst einen Passagierjet steuern. In Hamburg gibt es nun erstmals auch ein virtuelles Hubschrauber-Cockpit.

Tobias Opitz

Langsam hebt die Boeing 737-800 die Nase in den Himmel über München. Pünktlich um 16.10 Uhr hat Flug IPL 10 von der Startbahn 08R abgehoben. Mit 95 Prozent Schub und 250 km/h steigt der Passagierjet im 15-Grad-Winkel auf 1500 Meter Höhe, um dann nach nur zwei kurzen Minuten Reiseflug wieder in den Sinkflug überzugehen.

Hubschrauber Simulator Cockpit

Abgehoben: Das Simulator-Cockpit gleicht dem einer echten Boeing 737-800. Begleitet werden die Kapitäne auf Zeit von erfahrenen Instruktoren.

Vor den Cockpitfenstern ist jetzt bereits die Silhouette von Hongkong zu erkennen, die Nervosität steigt. Denn nun beginnen die Vorbereitungen für die Landung in Kai Tak. Der ehemalige Flughafen der Millionenstadt an der Südküste Chinas gehörte bis zu seiner Schließung 1998 zu den am schwersten anzufliegenden Airports der Welt.

Rasend schnell zieht eine Bergkette unter dem Flugzeug durch, dann eine beherzte Rechtskurve, weiße Blitzlampen am Boden zeigen den richtigen Weg. Nur wenige Meter über flachen Dächern geht es Richtung Landebahn, die weit ins Meer ragt. Geschafft!

Möglich machen solch spannende Minuten im Cockpit eines Passagierjets die Flugsimulatoren der in London ansässigen Firma iPilot. Denn Wolfram A. Schleuter, 41 Jahre, Unternehmer und seit sieben Jahren begeisterter Privatpilot, hatte vor etwas mehr als zwei Jahren die Idee, es jedermann möglich zu machen, einmal im Leben Kapitän eines Verkehrsflugzeuges zu sein. Weil die sogenannten Full-Flight-Simulatoren, die auf Hydraulikstelzen stehen und so auch die Bewegungen im Flug nachvollziehen, "zehn Millionen Dollar und mehr" kosten, so Schleuter, entwickelte er zusammen mit Profis statische Simulatoren.

Den ersten, der das Cockpit einer Boeing 737-800 bis ins Detail nachbildet, stellte Schleuter vor zwei Jahren im Terminal 2 des Münchner Flughafens auf. Jeder Knopf, jeder Bildschirm, jeder der unzähligen Schalter entspricht in seiner Funktion dem realen Pendant, vor den Fensterscheiben sorgen riesige Bildschirme für perfekte Illusion. "Rund 150.000 Euro kostet solch ein Simulator, für ein kleines Unternehmen eine überschaubare Investition", erklärt der iPilot-Chef.

Rund zehn zahlende Gäste hat allein der Münchner Simulator an jedem Tag; 30 Minuten kosten 79 Euro, 90 Minuten Selberfliegen 199 Euro. Und die Kundschaft kommt aus den unterschiedlichsten Gründen. Wolfram Schleuter: "Viele wollen zum Beispiel noch einmal selbst den Airport anfliegen, der das Ziel des letzten Urlaubsfluges war."

Ein Mittel gegen die Flugangst

Und da ist auch das verwegenste Ziel kein Problem: 24.000 Flughäfen in aller Welt sind auf den Rechnern gespeichert. Auf dem virtuellen Flug begleitet wird jeder Kapitän auf Zeit von erfahrenen Instruktoren, die die notwendigen Handgriffe erklären - und im Ernstfall auch eingreifen. Denn darauf legt Schleuter Wert: "Einen Crash gibt es bei uns garantiert nicht."

Und die Instruktoren auf dem rechten Sitz im Cockpit sind Profis. So gehört beispielsweise zur Münchner Crew ein altgedienter Flugkapitän mit heute 63 Jahren, der immerhin 24.000 Stunden in echten Cockpits saß und sich heute darüber freut, seine Erfahrungen an andere Piloten weitergeben zu können.

Dass die iPilot-Simulatoren kein Spielzeug sind, zeigt die Zusammensetzung der übrigen Kundschaft. So wird ein spezielles Programm für Menschen mit Flugangst angeboten. "Viele verstehen danach die Zusammenhänge besser, vor denen sie sich bis dahin gefürchtet hatten", lautet die Erfahrung bei iPilot.

Was vielfach gegen die Angst hilft, sind die Erklärung von Sicherheitsmechanismen im Cockpit oder aber der nachvollziehbare Beweis dafür, dass ein Flugzeug selbst dann nicht vom Himmel fällt, wenn eines der Triebwerke ausfallen sollte.

Aber auch ausgebildete Verkehrspiloten nutzen den Simulator, um sich beispielsweise auf vorgeschriebene Zwischenprüfungen der jeweiligen Airlines vorzubereiten. "Die bei uns absolvierten Flugstunden können zwar anders als bei den zertifizierten Simulatoren der Airlines nicht ins persönliche Logbuch eingetragen werden - aber so mancher Berufspilot ist hier schon schweißgebadet wieder rausgekommen", erzählt Schleuter.

Auch das geht: London-New York in Echtzeit

Wie gut die Idee vom Selberfliegen auf Höhe null auf breiter Front angenommen wird, zeigt die Expansion von iPilot. So stehen in London zwei weitere Boeing-737-800-Simulatoren, in Berlin und Dresden kann man jeweils Airbus 320 fliegen. Anfang November eröffnet Schleuter eine weitere Dependance am Hamburger Flughafen: "Dort wird es neben einem Airbus-Cockpit erstmals auch einen Hubschrauber-Simulator geben."

Der weitere Ausbau sieht Stationen in Prag, Dubai und Doha vor; dort sollen dann die Cockpits denen der Boeing 777-300 ER entsprechen. Und besonders freut man sich über die in Düsseldorf geplante Dependance - dort wird es zum ersten Mal möglich sein, Simulatorflüge im Cockpit einer Boeing 747-400 zu absolvieren. "In den kommenden drei bis vier Jahren wollen wir 45 bis 50 Standorte weltweit anbieten", sagt Schleuter.

Dass es aber nicht nur einmalige Kurzbesuche in den iPilot-Cockpits sind, mit denen das Unternehmen sein Geld verdient, beweist eine Anekdote aus der Londoner Filiale. Dort kommt seit langem regelmäßig ein Stammgast, der immer wieder gerne etwas tiefer in die Tasche greift.

"Der Mann ist 73 Jahre alt und fliegt abwechselnd die Routen London-New York oder London-Boston - in Echtzeit", schmunzelt Schleuter. Mehr als acht Stunden muss der Flugbegeisterte dann in einem Cockpit verbringen, das in Wahrheit gar keines ist. Die Illusion aber ist perfekt.

Weitere Infos: www.ipilot.me

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