De Maizières Standortkonzept für Bundeswehr:Kampf um die Kasernen

Wenn es um die drohende Auflösung eines Standortes geht, reden plötzlich alle mit: In wenigen Stunden verkündet Verteidigungsminister de Maizière, welche Kasernen schließen sollen. Fest steht bislang nur, dass nicht alle der derzeit 380 Bundeswehr-Standorte erhalten bleiben werden - Länder und Kommunen fordern schon einmal einen Ausgleich.

Peter Blechschmidt, Mike Szymanski und Marc Widmann

Entscheidungen über Standorte der Bundeswehr sind politisch hoch brisant. Entsprechend hat Verteidigungsminister Thomas de Maizière sein neues Stationierungskonzept, das eine Folge der grundlegenden Bundeswehr-Reform ist, wie eine geheime Kommandosache behandelt. Bis in die Abendstunden des Dienstags hinein saß der Minister mit seinen Staatssekretären und dem Generalinspekteur Volker Wieker zusammen, um letzte Hand anzulegen.

Bundeswehrreform

Zapfenstreich: das Büro einer ehemaligen Kaserne im schleswig-holsteinischen Rendsburg.

(Foto: dpa)

An diesem Mittwoch will de Maizière sein Konzept im Bundeskabinett und anschließend der Öffentlichkeit vorstellen. Fest steht, dass nicht alle der derzeit 380 Bundeswehr-Standorte erhalten bleiben werden. Eine um mindestens 65.000 Soldaten und um 20.000 Zivilbedienstete verkleinerte Bundeswehr braucht schlicht nicht mehr so viele Kasernen wie bisher.

Mag im Allgemeinen das Interesse an der Bundeswehr relativ begrenzt sein - wenn es um die drohende Auflösung eines Standortes geht, reden plötzlich Bürgermeister, Landräte, Wahlkreisabgeordnete und Länder-Ministerpräsidenten mit. Gerade in strukturschwachen Regionen ist die Bundeswehr ein begehrter Arbeit- und Auftraggeber.

Auch für die Bundeswehr selbst ist die Standortfrage von großer Bedeutung. Und das nicht nur mit Blick auf eine sinnvolle Aufgabenerfüllung, sondern auch deshalb, weil die Bundeswehr gerade als Freiwilligen-Armee, die sie seit der Quasi-Abschaffung der Wehrpflicht ist, ein attraktiver Arbeitgeber sein muss.

Im Vorfeld seiner Entscheidung hat de Maizière viele Gespräche geführt. Und noch mehr Warnungen vor falschen Beschlüssen gab es aus dem Kreis der Ministerpräsidenten. Die wollen sich auf ihrer an diesem Donnerstag beginnenden Konferenz in Lübeck mit dem Thema beschäftigen. "Wir wollen dort unsere gemeinsamen Forderungen gegenüber dem Bund abstimmen", sagte der rheinland-pfälzische Landeschef Kurt Beck (SPD) am Dienstag der Süddeutschen Zeitung.

Angesichts der geänderten sicherheitspolitischen Anforderungen und der begrenzten finanziellen Rahmenbedingungen sei eine Neuausrichtung der Bundeswehr notwendig. Die Bundeswehr müsse aber in der Fläche präsent bleiben. Wo Standorte geschlossen würden, müsse es Ausgleichsmaßnahmen geben. Aufgegebene Liegenschaften sollten günstig an die betroffenen Gemeinden abgegeben und Altlasten beseitigt werden.

"Ausdünnung vor Schließung"

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte, er habe für die Standorte im Südwesten "gekämpft" und lasse "nichts unversucht, um weitere Einschnitte abzuwenden". Die Schließung von Kasernen könne "strukturschwache Gegenden hart treffen", der Einsatz für gut begründete Regionalinteressen sei deshalb legitim. In Baden-Württemberg gilt der Standort Sigmaringen als bedroht, an dem Kretschmann selbst Wehrdienst geleistet hat. Er sagte, er werde sich persönlich für Strukturhilfen für betroffene Kommunen einsetzen. Bei Schließungen müsse eine Rolle spielen, ob es am Ort "Ersatzprojekte" gebe.

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hob die Bedeutung der Bundeswehr für den Katastrophenschutz hervor. Gemeinsam mit seinem Kollegen aus Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU) habe er de Maizière daran erinnert, dass die Hubschraubereinheiten in Schönewalde/Holzdorf und die Pionierkräfte aus Havelberg maßgeblich dazu beigetragen hätten, die Hochwasser der vergangenen Jahre zu bewältigen, sagte Platzeck. "Beide Standorte spielen für den Bevölkerungsschutz in Ostdeutschland eine große Rolle."

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann geht nicht von einem Kahlschlag bei den Kasernen im Freistaat aus. Die Folgen der Bundeswehrreform "würden in ihrer Gesamtheit für Bayern noch erträglich sein", sagte Herrmann am Dienstag. Mit 68 Kasernen ist die Bundeswehr in keinem anderen Bundesland so präsent wie im Freistaat.

De Maizière hat im Vorfeld seiner Entscheidung vier Kriterien genannt, nach denen die Standorte ausgewählt werden. Dies seien die Funktionalität der Standorte, eine Abwägung zwischen den Kosten für die Schließung oder den Erhalt eines Standortes, die Attraktivität sowohl für die Region als auch für die Bundeswehr als Arbeitgeber und schließlich das Bestreben, in der Fläche präsent zu bleiben. Insgesamt gelte für ihn das Prinzip "Ausdünnung vor Schließung".

Als Beispiele für die notwendige Funktionalität nannte der Minister am Dienstag bei einer Veranstaltung in Berlin, dass etwa große Verbände möglichst in einem Raum zusammengefasst und Versorgungseinheiten nur dort stationiert sein sollten, wo man auch Logistik brauche. Nicht überall bedeutet im Übrigen der Abzug der Bundeswehr, dass gleich die Lichter ausgehen. In Lübeck etwa entstanden auf zwei ehemaligen Kasernen-Arealen innerhalb von fünf Jahren 1500 Wohnungen.

Von der Gemeinde Immendingen in Baden-Württemberg heißt es, sie würde ihren Standortübungsplatz liebend gern als Teststrecke an Daimler-Benz verkaufen. Andere Kommunen verweisen darauf, dass die Bundeswehr in den vergangenen Jahren viel Geld investiert habe. Das allerdings will nicht viel besagen. "Ein sicheres Zeichen für die bevorstehende Auflösung sind vorherige große Investitionen", spottete am Dienstag ein hoher General - der allerdings außer Diensten ist.

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