Polizist in Augsburg erschossen:Tod am Stauwehr

Augsburg ist schockiert: Bei einer Verfolgungsjagd wird ein Polizist erschossen. Er hinterlässt eine Frau und zwei Kinder. Der Innenminister spricht von einem "brutalen Mord". Auch am Samstag sind die Täter weiter auf der Flucht - die Ermittler finden aber DNS-Spuren am Tatort.

Stefan Mayr, Augsburg

Am Morgen danach sind alle schockiert. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sagt, er sei "entsetzt über diesen brutalen und skrupellosen Mord". Man werde "alles unternehmen, um die feigen Mörder dingfest zu machen." Der Augsburger Oberstaatsanwalt Günther Zechmann spricht von einem "heimtückischen Verdeckungs-Mord" und von einem "Tathergang wie in einem James-Bond-Film".

Polizist bei Verfolgungsfahrt in Augsburg getoetet

Hundertschaften der Polizei suchen bei Augsburg nach den Männern, die einen Polizisten erschossen haben.

(Foto: dapd)

Nur wenige Stunden zuvor haben unbekannte Täter, "vermutlich Schwerstkriminelle", wie der Oberstaatsanwalt glaubt, im Augsburger Naherholungsgebiet Siebentischwald einen 41-jährigen Polizist erschossen. Der Täter und sein Begleiter wurden von dem Beamten und seiner 30-jährigen Kollegin offenbar bei einem illegalen Geschäft gestört. Die beiden Männer sind seither auf der Flucht. Mehrere hundert Beamte suchten den ganzen Freitag über mit Suchhunden und zwei Hubschraubern nach ihnen - bisher ohne heiße Spur. Auch am Samstag sind die Täter weiter flüchtig.

Die Gegend, in der der Polizistenmord geschah, zwischen der Olympia-Kanustrecke Eiskanal, dem Siebentischwald und dem Kuhsee, gilt als das Augsburger Ausflugsziel schlechthin. Im Sommer tummeln sich hier Spaziergänger, Jogger und Radler, Kanusportler und Badegäste.

In der nebligen Nacht zum Freitagabend sind hier die beiden Polizisten mit ihrer Funkstreife unterwegs. Gegen 2.50 Uhr beobachten sie auf dem Parkplatz des Kuhsees zwei verdächtige Männer. Als sich die Beamten nähern, springen die Männer auf ihr Motorrad und rasen davon. Die Polizisten nehmen die Verfolgung auf. Diese geht über den sogenannten Hochablass, ein Stauwehr mit einem schmalen Fahrdamm, der nur für Fußgänger freigegeben ist. Die Täter fahren mit Vollgas darüber hinweg, die Streife hinterher.

Am anderen Ufer des Flusses rutschen die Flüchtigen auf dem glitschigen Waldboden aus und stürzen. Die Polizisten steigen aus und wollen die Männer zur Rede stellen. Plötzlich gibt einer der Täter mehrere Schüsse ab. Er trifft den Beamten, der eine Schutzweste trägt, mehrmals. Eine Kugel dringt in den Hals ein. Die Beamtin erleidet einen Streifschuss an der Hüfte.

"Sie hatte viel Glück", sagt Gerhard Schlögl, Präsident des Polizeipräsidiums Schwaben-Nord. Die Polizistin verständigt sofort Unterstützungskräfte und den Rettungsdienst. Der Notarzt kann nur noch den Tod des 41-Jährigen feststellen. Die Täter flüchten zu Fuß in die Nacht. Die Beamtin gibt noch Schüsse auf die Täter ab, trifft aber offenbar nicht.

Die Beamtin erlitt einen Schock und musste psychologisch betreut werden. Sie konnte später über die Täter nur sagen, dass sie dunkel gekleidet waren. Das Motorrad, eine graue Honda CB 500 älteren Baujahrs mit gelben Streifen, blieb am Tatort liegen. Die Überprüfung des Kennzeichens brachte keine heiße Spur - es handelt sich um eine Dublette, die sich die Täter offenbar bewusst zugelegt haben.

"Wir gehen davon aus, dass das schwere Jungs sind", sagt Polizeipräsident Schlögl. Die Waffe sei "großkalibrig", die Polizei vermutet, dass der Täter im Umgang mit Pistolen erfahren ist und gezielt auf den Kopf geschossen hat. Zudem gehen die Beamten davon aus, dass sich die Täter in der Stadt auskennen.

Aufgrund der Gefährlichkeit mahnte die Polizei die Bürger am Freitag, das Gebiet zu meiden. An der Großfahndung waren auch ein Sondereinsatzkommando und die Bereitschaftspolizei beteiligt. Dabei wurden sie von dichtem Nebel behindert. Zwei Suchhubschrauber konnten erst gegen 11 Uhr starten. Die Polizei durchkämmte den Stadtwald - und fand auch einige Gegenstände. Vermutlich wurden auch DNS-Spuren sichergestellt, mehr sagten die Beamten aus ermittlungstaktischen Gründen nicht.

Der Siebentischwald blieb den ganzen Tag abgesperrt. An allen Zufahrtswegen standen Beamte, die Radfahrer und Spaziergänger aufhielten. "Das wird so bleiben, bis wir alles abgesucht haben und sicher sind, dass die Täter nicht mehr im Wald sind", so Schlögl. Die Fahndung erstreckte sich auch auf das Stadtgebiet, vielerorts waren Polizisten präsent.

Der getötete Polizist hinterlässt zwei Söhne im Alter von 13 und 17 Jahren. Die Familie des Beamten wird durch psychologische Fachkräfte betreut. "Unser Mitgefühl gilt den Hinterbliebenen", sagte Innenminister Herrmann, "diese Tat zeigt, wie schnell Polizisten aus einer harmlosen Routine-Situation in eine lebensbedrohliche Lage kommen können." Der 41-Jährige ist der 63. bayerische Polizist, der seit dem Krieg im Dienst von einem Menschen getötet wurde. Der letzte Mord an einem Polizisten im Freistaat geschah im Jahr 2000 im Landkreis Erlangen-Höchstadt.

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