Neue Medizin-Roboter in Japan:Meine Krankenschwester ist eine Maschine

Alles ist möglich! Mit diesem Slogan warb einst der japanische Autohersteller Toyota. Doch die Autos verkaufen sich jetzt in der Krise nur schlecht, deshalb will der Konzern ein neues Geschäftsfeld erschließen: Medizin-Roboter, die Pflegebedürftigen das Leben erleichtern und Krankenschwestern vor Rückenschmerzen bewahren sollen. In den kommenden Jahren sollen die intelligenten Helfer in Serie gehen.

Christoph Neidhart, Tokio

Die meisten Krankenpflegerinnen haben Rückenschmerzen. Toyota will ihnen helfen. Und den Patienten auch. Am Dienstag stellten die Autobauer einen neuen Geschäftszweig vor, "Toyota Partner Robots". Vier Toyota-Medizinroboter stecken derzeit in klinischen Tests; Toyota möchte sie 2013 auf den japanischen Markt bringen.

Neue Medizin-Roboter in Japan: Sieht aus wie ein etwas plumper, überdimensionierter Kinderroller, kann aber ein wertvoller Helfer für Pflegebedürftige sein: Der sogenannte Patient Transfer Assist, ein neu entwickelter Roboter, hilft beim Toilettengang.

Sieht aus wie ein etwas plumper, überdimensionierter Kinderroller, kann aber ein wertvoller Helfer für Pflegebedürftige sein: Der sogenannte Patient Transfer Assist, ein neu entwickelter Roboter, hilft beim Toilettengang.

(Foto: AFP)

Man dürfe sich aber keine humanoiden Roboter vorstellen, warnte Toyota im Vorfeld. In den vergangenen Jahren demonstrierte das Unternehmen Roboter, die aussahen, wie man sich Roboter eben so vorstellt: mit Armen, Beinen (oder Rädern), einem Bauch, Schultern und einem Kopf mit großen Sensor-Augen. Sie spielen Trompete, Schlagzeug und sogar Geige und tänzeln dazu. Eine praktische Anwendung haben sie nicht.

Die Roboter, die Toyota am Dienstag vorgestellt hat, haben keine Ähnlichkeiten mit Menschen. Es seien "intelligente, freundliche und sanfte" Maschinen, so Yoichi Inoue von Toyota, die auch so aussehen. Da sie selbsttätig - "smart", heißt es in Japan - auf die Bedürfnisse ihrer Anwender reagieren können und "wir mit ihnen zusammenleben werden", nenne man sie Roboter.

Die japanische Gesellschaft altert rasant, ein Viertel aller Japaner ist über 65, elf Prozent über 75, 47.000 Menschen über hundert Jahre alt. Diese Leute fahren nicht mehr Auto, viele Junge dagegen können sich wegen der ungleichen Verteilung des Wohlstands in Japan ein Auto nicht leisten. Toyotas Heimmarkt schrumpft, der wichtigste Exportmarkt, die USA, steckt in einer Krise. Da bietet es sich geradezu an, dass die Firma den Japanern Mobilität verkauft, ihre Kunden ins Greisenalter begleitet. Für viele Pflegebedürftige stellt oft schon der Weg vom Bett zum Klo ein Problem dar.

Ein Roboter für den Toilettengang

Wahrscheinlich der wichtigste der vier neuen Roboter ist der sogenannte Patient Transfer Assist, ein Gerät, das aussieht wie ein etwas plumper, überdimensionierter Kinderroller. Mit ihm muss der Pfleger den Patienten, der nicht mehr gehen kann, nur auf dem Bett aufsetzen. Dann rollt der Roboter heran, greift dem Patienten unter die Arme, hebt ihn sanft an, ein Sitz wird eingesetzt, und der Roboter setzt den Patient hin. Nun kann er zum WC gerollt werden, wo der Roboter ihn hinsetzen kann.

Statt zwei Pflegerinnen oder Pfleger kann damit eine Person einen Patienten versorgen. Und dabei den Rücken schonen. In Japan, wo es schon heute zu wenig Pflegepersonal gibt und Krankenschwestern meist zierlich gebaute Frauen sind, erwartet Toyota eine beträchtliche Nachfrage. Allerdings sei es zu früh, über Preise zu sprechen, sagt Akifumi Tamaoki, der Chef des Programms. Die Roboter müssten "bezahlbar, benutzerfreundlich und sicher" sein.

Man könne von der Automobiltechnik die Sensor- und Steuerelektronik übernehmen, sagt er. Die Firma gehörte zu den Pionieren beim Einsatz von Industrierobotern in der Fahrzeugfertigung. Für den neuen Medizin-Zweig arbeitet Toyota mit dem Fujita-Krankenhaus in Toyokawa zusammen; unweit von Toyota-Shi, dem Stammsitz des Konzerns.

Der Rehabilitationsmediziner Eiichi Saitoh ist dort nicht nur Entwicklungsleiter, er ist auch der erste Proband. Sein rechtes Bein ist gelähmt, die Folge einer Kinderlähmung. Mit Toyota zusammen hat er sich eine Gehhilfe entwickelt, die, anders als herkömmliche Prothesen, je nach Absicht des Patienten das Knie beweglicher oder steifer macht. Das erlaubt es ihm, mit weniger, aber größeren Schritten schneller zu gehen, Treppen ohne Geländer zu steigen und sich hinzusetzen, ohne sich festhalten zu müssen.

Den Steuercomputer seiner Gehhilfe und die Batterien trägt Professor Saitoh in einem Rucksack mit. Bis zur Marktreife werde die Einheit in der Hosentasche Platz haben, versprach er. Saitoh sagte am Dienstag auch, dass er zusammen mit Toyota noch ein halbes Dutzend weiterer Geräte in Planung habe.

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