Traumberuf Bestatter:"Wir fahren nicht den ganzen Tag Tote durch die Gegend"

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Für die einen ist es ein Traumjob, für die anderen der blanke Horror: Bestatter. Der Beruf bietet jedoch vielfältige Aufgaben - Totengräber werden immer mehr zu Eventmanagern.

"Um Himmelswillen! Wie kannst du nur?" Das sind üblicherweise die ersten Reaktionen, wenn Lukas Bente erzählt, dass er Bestatter wird. "Es gibt eine Menge Vorurteile. Viele halten es für abartig", sagt der 22-Jährige, der den Betrieb seines Vaters übernehmen will. Für ihn ist Bestatter ein Traumjob, wegen der Herausforderung, mit trauernden Menschen angemessen umzugehen, und wegen der vielfältigen Aufgaben. "Wir sitzen nicht dauernd im Büro, wir graben auch nicht den ganzen Tag Gräber aus oder fahren Verstorbene durch die Gegend."

Der 19-jährige Damon Przytarski, Auszubildener zur Bestattungsfachkraft, posiert in seinem Ausbildungsbetrieb in Hannover neben einem Sarg. (Foto: dpa)

Bente macht die Ausbildung im väterlichen Geschäft in Sarstedt, zum Blockunterricht fährt er wie alle Bestatter-Azubis im Norden zur Berufsbildenden Schule Springe. Seit fünf Jahren ist die Bestattungsfachkraft - so die offizielle Bezeichnung - ein staatlich anerkannter Ausbildungsberuf, seit 2010 können Bestatter auch den Meister machen.

"Es ist ein außerordentlich anspruchsvoller Beruf", sagt Rolf Lichtner, Generalsekretär des Bundesverbands Deutscher Bestatter in Düsseldorf. "Der Bestatter wird immer mehr zum Eventmanager. Menschen, die nicht mehr in der Kirche sind, erwarten von ihm auch rituelle Begleitung." Nach wie vor bedarf es keinerlei Voraussetzungen, um sich mit einem Beerdigungsinstitut selbstständig zu machen. Dennoch setzen viele in der zunehmend umkämpften Branche auf Qualifikation. 170 Lehrlinge werden Lichtner zufolge jährlich in den bundesweit 3800 Betrieben ausgebildet. Im unterfränkischen Münnerstadt üben sie auf einem europaweit einzigartigen Lehrfriedhof. "Es ist ein nachgefragter Beruf, auf einen Platz kommen 20 Bewerber", sagt der Verbandschef.

Für die 14 Schülerinnen und Schüler in Lukas Bentes Klasse ist der Job Bestatter keine Notlösung. "Ich fand den Beruf interessant und habe mich gefragt, wie ich es verkrafte. Man darf es einfach nicht zu nahe an sich heranlassen. Wenn junge Menschen sterben, ist das schwerer", erzählt der 19-jährige Damon Przytarski aus Hannover. Obwohl sie erst am Anfang stehen, hat die tägliche Begegnung mit dem Tod die 17 bis 35 Jahre alten Azubis verändert, das bestätigen alle. "Man lernt, intensiver zu genießen", meint Lukas Bente.

Auf dem Stundenplan in Springe stehen Buchhaltung, Bestattungsgesetze, internationales Recht wegen der Überführungen von Toten in andere Länder sowie die Riten und Gebräuche der einzelnen Religionen. Im Fach Warenkunde geht es unter anderem um Särge, Griffe, Urnen und Trauerwäsche. In den vergangenen Jahren hat sich die Trauerkultur in Deutschland verändert. Beerdigungen sind persönlicher geworden, oft bunter, manchmal sogar fröhlich.

"Bestatter können als Privatunternehmer gut auf individuelle Wünsche eingehen, während der Pfarrer in feste Strukturen eingebunden ist", meint Alexander Helbach, Sprecher der Verbraucherinitiative Bestattungskultur Aeternitas. Nach Helbachs Einschätzung profitieren die Bestatter von dem Wandel. Sie weiten ihren Service aus, indem sie eigene Trauerhallen einrichten, Trauerredner vermitteln oder Trauerbegleitung anbieten. Gleichzeitig werden die Gewinnmargen geringer. Teure Eichensärge sind seltener nachgefragt. Urnenbeisetzungen machen bundesweit mittlerweile etwa die Hälfte aller Bestattungen aus - und nur fürs Verbrennen wählt kaum einer einen teuren Sarg aus.

Die Aussicht auf das große Geld hat aber keinen der Springer Schüler in das Gewerbe gelockt. "Ich will aus dem Tod keinen Profit schlagen, das könnte ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren", meint einer. Vielmehr waren beeindruckende Erlebnisse ausschlaggebend, wie Maximilian Pieper aus Osterholz erzählt: "Da war ein Junge, 20 Jahre, mit dem Motorrad verunglückt. Die Familie hat dann einen Rohling-Sarg ausgesucht, das günstigste, und mit vielen Leuten bei uns angemalt und gerahmte Bilder daran geklebt. Das sah so schön aus."

© sueddeutsche.de/dpa/Christina Sticht/tina - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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