Reaktionen auf den IAEA-Bericht:Israel hofft auf weltweite Unterstützung gegen Iran

Die Welt muss sich eingestehen, wie gefährlich Iran tatsächlich ist - der IAEA-Bericht hat das bewiesen. Israel lehnt sich zwar erstmal zurück, erwartet jedoch schärfere Sanktionen gegen Iran. Dabei ist fraglich, ob es dafür weltweite Zustimmung finden kann.

Peter Münch

Die Gefahr ist real, die Iraner basteln an der Bombe - doch Israel lehnt sich erst einmal zurück. Wer nach dem lauten Kriegsgeschrei der vergangenen Tage eine wütende Reaktion aus Jerusalem erwartet hatte, muss nun eine Lektion im nahöstlichen Spezialfach "paradoxe Politik" lernen. Denn selten wohl ist eine dramatisch schlechte Nachricht mit so viel Genugtuung aufgenommen worden wie nun der Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) über Irans Atom-Aktivitäten.

Iran - Militär

Bangen vor der Bombe: Israel und seine Verbündeten hadern mit einer Reaktion auf das iranische Atomwaffenprogramm.

(Foto: dpa)

Der Grund: Für Israel sind die Enthüllungen nichts Neues, doch jetzt haben endlich alle anderen Schwarz auf Weiß, wovor die Rufer aus der Negev-Wüste seit langem warnen. Die israelische Regierung hofft, dass die Welt jetzt handelt. Die Drohung mit dem Militärschlag rückt deshalb wieder in den Hintergrund. Fürs Erste jedenfalls.

Noch am Abend versammelten sich die Strategen im Büro des Premierministers, um den Kurs abzustecken für die kommende Zeit. Offiziell mitgeteilt wurde zunächst nur, dass der IAEA-Bericht gründlich studiert werde und eine Antwort später erfolge.

Benjamin Netanjahu verdonnerte alle Minister dazu, von Kommentaren in den Medien abzusehen, und überraschenderweise wurde das sogar eingehalten. Nur Oppositionsführerin Tzipi Livni kam aus der Deckung und verkündete, dass nun "Entschlossenheit und politische Weisheit nötig" seien, um Iran zu stoppen. Israel müsse dazu die Unterstützung "der freien Welt gewinnen".

Konkret bedeutet dies, dass Israel nun vehement auf die Verhängung von Sanktionen mit größtmöglichem Schmerzpotential für die Herrscher in Teheran dringen wird. Die Bühne für den Kampf mit Iran wird dazu erst einmal den Amerikanern überlassen, die in den kommenden Wochen nicht nur die europäischen Verbündeten, sondern auch Russland und China zum Schwur bringen sollen.

Die beiden Veto-Mächte verfolgen ihre eigenen Interessen und bremsen seit langem im UN-Sicherheitsrat in der Iran-Frage. Wer jedoch nach den vorliegenden Beweisen für ein Atomwaffen-Programm immer noch nicht handelt, der macht sich nach israelischer Lesart der Kollaboration mit den persischen Parias schuldig.

Doch vor dem Einsatz der schärfsten Sanktionswaffen schrecken bislang sogar die USA und ihre westlichen Mitstreiter zurück. Denn um Irans Regime in die Knie zu zwingen, fordert Israel die Blockade der iranischen Zentralbank und den Boykott von Öl-Exporten. Das Erste wäre zugleich ein Schlag gegen die Handelsinteressen der Westens, das Zweite würde zu einem deutlichen Anstieg der Ölpreise führen und damit die ohnehin höchst fragile Weltwirtschaft belasten. Sonderlich verlockend ist das also auch für einen amerikanischen Präsidenten in einem Wahljahr nicht.

Mit allzu viel Optimismus kann Israel also nicht auf die kommenden Sanktionsdiskussionen blicken. Ein paar Monate dürfte dieses Thema dennoch die Tagesordnung in Sachen Iran bestimmen. Aber schon im Frühjahr könnte sich der jüdische Staat vor das alte Dilemma gestellt sehen: ein Angriff auf die Atomanlagen, notfalls im Alleingang und mit allen Konsequenzen bis hin zu einem großen Krieg - oder die Akzeptanz einer iranischen Atombombe.

Letzteres ist kaum vorstellbar, obwohl Israel selbst seit den späten sechziger Jahren als "heimliche Atommacht" gilt. Aus westlicher Sicht mag man argumentieren, dass mit einer iranischen Bombe im Nahen Osten lediglich ein Gleichgewicht des Schreckens hergestellt sei, wie es in Europa zu Zeiten des Kalten Kriegs über Jahrzehnte stabil herrschte.

Aus Jerusalemer Sicht jedoch erscheint das als unmittelbare existenzielle Bedrohung, die Premierminister Netanjahu mehr als einmal mit dem Holocaust verglichen hat. Selbst wenn das iranische Streben nach der Bombe machtpolitisch nachvollziehbar ist, traut man in Jerusalem dem Mullah-Regime und dem Präsidenten-Wüterich Mahmud Ahmadinedschad kein durchgängig rationales Handeln zu. Obendrein wird die Gefahr beschworen, dass Teheran Nuklearmaterial auch an Terrorgruppen wie die Hamas oder die Hisbollah-Milizen weitergeben könnte.

An Mahnern vor den verheerenden Folgen eines Krieges fehlt es allerdings auch in Israel nicht. Der prominenteste ist der frühere Mossad-Chef Meir Dagan, der seit längerem schon die Regierung vor einer "großen Dummheit" warnt. Solche vermeintlichen Defätisten aber hat sich Verteidigungsminister Ehud Barak noch vor der Veröffentlichung des IAEA-Berichts in einem Radio-Interview vorgeknöpft. Er warf ihnen vor, die Öffentlichkeit mit einer "Angst-Kampagne" zu verunsichern und verwies darauf, das Israels schließlich die stärkste Militärmacht der Region sei. "Ein Krieg ist kein Picknick", sagte Barak, "aber es wird keine 50.000 Toten geben, keine 5000 und nicht einmal 500."

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