Wege aus der Schuldenkrise:Merkel gegen den Rest Europas

Euro-Bonds? Nein! Ein stärkeres Eingreifen der Europäischen Zentralbank? Auch nicht! Kanzlerin Merkel widerspricht allen, die in der EZB den letzten Rettungsanker sehen. Stattdessen wirbt sie bei den EU-Mitgliedsstaaten dafür, die europäischen Verträge zu ändern.

Lutz Knappmann, Berlin

Klare Kante der Kanzlerin: Nein, sagt Angela Merkel, die Europäische Zentralbank sei nicht der letzte Rettungsanker in der Schuldenkrise. "Wenn die Politik glaubt, die EZB kann das Problem der Euroschwäche lösen, dann redet sie sich etwas ein", sagt Merkel vor führenden Köpfen der deutschen Wirtschaft in Berlin. Am Donnerstagmorgen ist sie ins Hotel Adlon geeilt, um zu den jüngsten Entwicklungen auf den Finanzmärkten und zur langfristigen Lösung der Schuldenkrise Stellung zu beziehen. Ihre Meinung sei in diesem Punkt "unglaublich gefestigt".

Merkel formuliert beim Führungstreffen Wirtschaft der Süddeutschen Zeitung eine deutliche Replik auf Aussagen, einzig die EZB könne in der verfahrenen Lage noch helfen - und müsse dafür in letzter Konsequenz Geld drucken. Die Kanzlerin widerspricht: Erneut würden verschiedenste kurzfristige Rettungsmodelle diskutiert, etwa die Einführung gemeinsamer europäischer Anleihen, sogenannter Euro-Bonds, oder das Eingreifen der EZB. "Keines dieser Mittel, auch wenn wir sie sofort einsetzen, wird die Lösung der Krise mitbringen", sagt Merkel. Und: "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in eine Kurzatmigkeit verfallen."

Es ist auch eine Replik an die Adresse der EU-Kommission: Erst am Mittwoch war Kommissionspräsident José Manuel Barroso erneut nachdrücklich für Euro-Bonds und eine europäische Wirtschaftsregierung eingetreten, um die "systemische Krise" in der Europa stecke, zu beheben. Kühl antwortet Merkel auf die Überlegungen die Schuldenlasten zu vergemeinschaften: "Wir haben jetzt die Wahl: Wir können eine überstürzte Vereinigung in Europa eingehen. Das wird dazu führen, dass die Märkte kurzfristig beruhigt sind - aber auch dazu, dass die Wettbewerbsfähigkeit Europas massiv abnehmen wird. Daran möchte ich nicht teilnehmen."

Stattdessen verlangt sie langfristige, grundlegende Veränderungen an der Europäischen Union. Es müsse möglich sein, die bestehenden EU-Verträge auch wieder zu ändern. Das Festhalten an den bestehenden Verträgen sei "eine der größten psychologischen Hürden für die Zukunft Europas". Wenn Europa nicht bereit sei, auch seine Fundamente zu modernisieren, sei es "auf den Märkten verloren".

Konkret erwartet Merkel von den EU-Mitgliedsstaaten, den europäischen Institutionen "so weit Durchgriffsrechte auf die nationalen Haushalte zu geben, wie der Stabilitäts- und Wachtumspakt betroffen ist". Mit anderen Worten: Wenn Staaten notorisch gegen die Stabilitätskriterien des Maastricht-Paktes verstoßen, müssen sie Sanktionen fürchten. "Man muss ein Klagerecht gegen die Verletzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts einräumen." Es gehe um die Bereitschaft der EU-Staaten, "sich in diesem Herzstück gemeinschaftlich zu verpflichten".

Rösler bemüht sich um Einigkeit - und konterkariert das

Solche politischen Prozesse allerdings brauchen Zeit. Und die werden die Finanzmärkte kaum gewähren. Man können von den Märkten nicht erwarten, der Politik Zeit zu lassen, sagt Beatrice Weder di Mauro, Mitglied im Rat der Wirtschaftsweisen, nach Merkels Rede.

Unterstützung bekommt Merkel hingegen von ihrem Vizekanzler und Wirtschaftsminister Philipp Rösler. Auch er tritt für Sanktionsmöglichkeiten gegen Schuldensünder ein - und unterstreicht Merkels Engagement für Änderungen an den europäischen Verträgen. Dafür kämpfe sie in Brüssel allein, lobt Rösler. "Im Europäischen Rat sagen alle anderen: Wir brauchen keine Vertragsänderungen."

Rösler bemüht sich, Einigkeit mit seiner Regierungschefin zu demonstrieren. Und konterkariert das gleich wieder, als er freimütig einräumt, dass er Merkels Rede zuvor gar nicht zugehört hat. "Ich gehe davon aus, dass Frau Merkel dazu auch etwas gesagt hat."

Griechenland? Ein Ausnahmefall!

Dabei ist auch ihm klar, dass in diesen Tagen jedes Wort der Kanzlerin an den Finanzmärkten aufmerksam gewogen wird. Gebetsmühlenartig betont die Regierungschefin daher die Formel, die Dramatik der Krise in Griechenland sei ein absoluter Ausnahmefall in Europa - ein Schuldenschnitt in anderen Ländern also ausgeschlossen. Zu groß ist das Risiko, auch nur die Andeutung ähnlicher Schritte etwa in Italien oder Spanien könnte die Sparanstrengungen der Schuldenstaaten bremsen. Zu groß die Gefahr, die Märkte weiter zu verunsichern.

Ob ihre Absage an die Rolle der EZB als Rettungsanker für eine Beruhigung der Krisenstimmung sorgt, sagt sie nicht.

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