Konservative vor Wahlsieg in Spanien:Fußball, Zigarren und ein Rätsel

Spanien durchlebt die schwerste Krise seit Jahrzehnten - und gefährdet damit sogar die Stabilität des Euro. Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen an diesem Sonntag werden die Konservativen wohl haushoch gewinnen. Ihr Spitzenkandidat Mariano Rajoy soll das Land retten. Doch wer ist dieser Mann, der als Liebhaber von Fußball und Zigarren gilt und mit seinen konfusen Äußerungen auffällt?

Javier Cáceres

Wenn der Senator Iñaki Anasagasti über Mariano Rajoy redet, der am Sonntag die spanischen Parlamentswahlen wahrscheinlich hoch gewinnen wird, fällt ihm eine Anekdote aus dem Jahr 1996 ein. Anasagasti handelte damals für die Basken-Partei PNV mit dem Konservativen Rajoy die Bedingungen für die Amtseinführung von José María Aznar zum Ministerpräsidenten aus. Er lernte Rajoy als einen umgänglichen Mann kennen, der aber eher ungern arbeitete. "Wenn er aus dem Verhandlungszimmer verschwand, dachten wir, dass er mit Aznar sprechen, ihm Dinge erzählen wollte. Aber er war bloß in einem Nebenzimmer, rauchte eine Zigarre und guckte Fußball im Fernsehen."

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Nach Umfragen wird Mariano Rajoy, Spitzenkandidat der konservativen PP, die spanische Parlamentswahl wohl gewinnen

(Foto: AFP)

Die Zeiten des Müßiggangs dürften spätestens am Sonntag vorüber sein. Dann wird Rajoy den Auftrag erhalten, Spanien aus der schwersten Krise der letzten Jahrzehnte herauszuführen. Die Umfragen sagen ihm eine satte absolute Mehrheit voraus.

Die Arbeitslosigkeit liegt bei 21 Prozent, die Wirtschaft droht wieder in die Rezession abzugleiten. "Das Schlimmste, was man tun könnte, ist nichts zu machen", sagt Rajoy, der seit 30 Jahren Politik betreibt und unter Aznar Minister war.

Die Spanier rätseln, was Rajoy wann tun will

Doch über das, was er konkret machen will, rätseln noch immer viele Spanier; das 100-Punkte-Programm seiner konservativen Volkspartei PP ist bewusst vage gehalten, um nicht die gegnerischen Reihen durch Horrorszenarien zu mobilisieren. Rajoy selbst sagt, dass er das Richtige tun, sich "vom gesunden Menschenverstand leiten lassen" und disziplinierte, verlässliche Politik betreiben wolle: "Wie Gott befiehlt." Nur so könne man Vertrauen schaffen.

Zu den Höhepunkten des Wahlkampfs zählte ein Redebeitrag vom Chef der Regionalregierung der Balearen, José Ramón Bauzá, er gilt als eine der neuen Lichtgestalten der Konservativen: "Wir wissen, was wir zu tun haben, und wir werden das auch tun. Denn wir haben immer das getan, von dem wir gesagt hatten, dass wir es tun würden. Und deshalb werden wir auch in Zukunft das tun, was wir tun müssen, obwohl einige glauben, dass wir das, von dem wir gesagt haben, dass wir es tun würden, nicht tun werden."

Ein derartiger Satz hätte auch zum oft unterschätzten, durch einen lebensgefährlichen Autounfall und einen Hubschrauberabsturz gestählten Rajoy gepasst, der sich nach zwei Niederlagen gegen den scheidenden Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero zum dritten Mal als Spitzenkandidat der Rechten bewirbt. Rajoy, 56, wurde in Galicien geboren, einer Region im Nordwesten Spaniens, dessen Bewohner nicht ganz zu Unrecht im Ruf stehen, gerne in Rätseln zu sprechen, aber nicht frei von Selbstironie sind.

"Sie haben neulich ein paar konfuse Äußerungen getätigt . . .", setzte der Chefredakteur der Zeitung El País vor kurzem in einem Interview zu einer Frage an. ". . . Manche meiner Äußerungen pflegen so zu sein", entgegnete Rajoy. Als er im Radio sagte, dass er bereits wisse, wer das Wirtschafts- und Finanzressort übernehmen werde, wurde er gefragt, ob es eine Frau oder ein Mann sein werde. Rajoy: "Das kommt drauf an." Ob die Märkte "Galicisch" verstehen?

Zurzeit sieht es eher nicht so aus. Die Zinsen für spanische Anleihen gerieten in den vergangenen Tagen außer Kontrolle, am Donnerstag stiegen sie für zehnjährige Staatspapiere auf untragbare sieben Prozent. Wenn die Europäische Zentralbank nicht helfen würde, müsste Spanien wohl jetzt unter den Rettungsschirm flüchten.

Rajoy wollte die Wähler nicht schockieren

Das liegt vor allem an der wirtschaftlichen Lage in Spanien und der Verunsicherung der Märkte durch Griechenland und Italien - aber wohl auch daran, dass Rajoy sich scheute, in aller Klarheit darzulegen, was er wann tun will. Er wollte die Wähler nicht schockieren. "Im Prinzip", so hat er es formuliert, will er sein Regierungsprogramm vor dem Abgeordnetenkongress erläutern.

Doch der konstituiert sich erst am 13. Dezember. Bis zur Regierungsbildung vergehen dann bis zu zehn weitere Tage. Fristen, die in der Schuldenkrise eine Ewigkeit sind. Die PP fordert bereits, dass Zapatero im Zweifelsfall als geschäftsführender Ministerpräsident nach dem Diktat Rajoys handeln müsse. "Die Märkte werden der Regierung sicher keine 100 Tage geben", sagt Miguel Martín, Chef des spanischen Bankenverbandes ABE.

Immer wieder betont Rajoy, dass ihm die von Spanien gegenüber der EU eingegangenen Verpflichtungen heilig seien. Sein erstes Gesetzesprojekt werde die Ausführung der Schuldenbremse sein, die auf deutschen Druck hin in die Verfassung aufgenommenen wurde. Auch die Defizitziele für die kommenden Jahre (4,4 und drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts) wolle er beachten.

Zugute kommt ihm, dass seine Partei seit den Regionalwahlen vom Mai nahezu alle 17 Regionen Spaniens kontrolliert. Die Europäische Kommission glaubt, dass die Defizitziele ohne zusätzliche Maßnahmen nicht zu erreichen sind - zumal Spanien wohl das Ziel für 2011 (sechs Prozent) einigermaßen klar verfehlen wird. Rajoy hat bislang nur gesagt, dass er die Schere "überall" ansetzen wolle - außer bei den Renten.

Um die Beschäftigung anzukurbeln, will Rajoy Steuern senken

Die von Zapatero bereits angestoßenen Arbeitsmarktreformen - zum Beispiel Lockerungen des Tarifrechts - will er vertiefen, außerdem die spanischen Banken krisenfest machen. Gleichzeitig solle es Steuersenkungen für Unternehmer geben. Nur so könne man die Beschäftigung ankurbeln.

Für Mariano Rajoy ist es auch deshalb fundamental, die Wirtschaft in den Griff zu bekommen, weil er zwar das Konzept eines "Europa der zwei Geschwindigkeiten" ablehnt, im Zweifelsfall aber zum Kern und nicht zu den Krisenländern zählen will. Auf Spanien müsse wieder gehört werden in der Welt, sagt er.

Doch als er vor einigen Monaten absehbar war, dass der Chef der griechischen Konservativen bei einer Sitzung der Europäischen Volkspartei für seine destruktive Haltung gegenüber den Sparplänen der Regierung Papandreou gerügt würde, blieb Rajoy fern.

Rasch machten Gerüchte die Runde, er habe Angst gehabt, ebenfalls Keile zu beziehen. Denn im Mai 2010 hatte Rajoy gegen die Spar- und Reformpläne von Zapatero gestimmt. Der Sozialist gewann die Abstimmung, besiegelte damit aber seinen politischen Untergang - seine Sozialisten werden nun wohl eine vernichtende Niederlage erleiden. Rajoy verheißen die Umfragen eine absolute Mehrheit von historischen Ausmaßen.

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