Ermittlungen zu Zwickauer Terrorgruppe:Mord an Polizistin könnte gezielte Tat gewesen sein

Der Mord an der 24-jährigen Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn könnte nach neuesten Erkenntissen doch ein gezielter Anschlag gewesen sein. Offenbar gibt es engere Verbindungen zwischen dem Zwickauer Neonazi-Trio und der Familie der Beamtin, als bisher angenommen.

Thorsten Denkler und Doris Mosandl

Zwischen der vor viereinhalb Jahren in Heilbronn ermordeten Polizistin Michèle Kiesewetter und dem Zwickauer Neonazi-Trio gibt es nach den Erkenntnissen von Ermittlern sehr wahrscheinlich doch eine engere Verbindung. Wie sueddeutsche.de von Teilnehmern des Bundestags-Innenausschusses am Montag erfuhr, hatte der Stiefvater der aus Thüringen stammenden Beamtin Kontakt mit Uwe Mundlos, einem der Mitglieder der Terrorgruppe.

Bundesanwaltschaft uebernimmt Ermittlungen nach Mord an Polizistin

Die 24-jährige Polizistin wurde 2007 in Heilbronn mit einem Kopfschuss getötet. Der Mord wurde dem Zwickauer Neonazi-Trio zugerechnet. Nun gibt es Hinweise, dass es Verbindungen zwischen der Familie der Beamtin und der Terrorgruppe gab.

(Foto: dapd)

Demnach gehörte dem Stiefvater der Polizistin eine Kneipe in Thüringen, die als Treffpunkt der rechten Szene galt. In diesem Zusammenhang soll Uwe Mundlos den Gastwirt wegen einer dort geplanten Veranstaltung angesprochen haben. Zu dieser Veranstaltung kam es aber offenbar nie.

In der Kneipe des Stiefvaters sei später ein Mann als Koch eingestellt worden, der denselben Nachnamen trägt wie Beate Z., die einzige Überlebende des Trios. Beate Z. sitzt in Untersuchungshaft, schweigt aber bisher. Zwischen ihr und dem Koch soll eine verwandtschaftliche Verbindung bestehen, heißt es.

Die aus Thüringen stammende Polizistin Michèle Kiesewetter war am 25. April 2007 in Heilbronn auf einer Festwiese mit einem Kopfschuss getötet worden. Ihr damals 24 Jahre alter Streifen-Kollege wurde schwer verletzt und lag mehrere Wochen im Koma. Er kann sich nach wie vor nicht an den Überfall erinnern. Die Täter wurden nie gefasst. Nach der Enttarnung der Neonazi-Gruppe wurde allerdings die Dienstwaffe der Polizistin in dem Wohnwagen des Trios gefunden.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich bestätigte, dass es eine Verbindung zwischen der Polizistin und der Neonazi-Gruppe geben könnte. In einem ersten Statement vor der Presse sprach er von einer möglichen "Beziehungstat". Auf Nachfrage relativierte er seine Aussage und sprach von einem missverständlichen Begriff: Den Ermittlungen zufolge gebe es einen "Bezug" zwischen der Beamtin und dem Trio.

Die Bundesanwaltschaft wollte die Hinweise auf die Verbindung zwischen der Familie der Polizistin und dem Neonazi-Trio nicht kommentieren. Die Zwickauer Gruppe stehe weiter unter dringendem Tatverdacht, die Hintergründe seien aber Gegenstand interner Ermittlungen. "Die Tat passt in die Ideologie der Gruppe", sagte ein Sprecher der Behörde am Montag lediglich.

Die Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) um Beate Z., Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos wird außerdem für die Mordserie an neun Geschäftsleuten türkischer und griechischer Abstammung zwischen 2000 und 2006 verantwortlich gemacht.

In der vergangenen Woche hatte es noch vom Landeskriminalamt in Baden-Württemberg geheißen, der Mord an der Polizistin habe wohl nichts damit zu tun, dass die Beamtin selbst aus Thüringen stammt. Dafür hätten keine Anhaltspunkte vorgelegen, hieß es damals.

In einer gemeinsamen Sitzung tagt an diesem Montag der Innen- und Rechtsausschuss des Bundestags in Berlin, um über die Neonazi-Mordserie zu beraten.

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