Sarkozy zur Euro-Krise:"Wir werden leiden"

Es ist eine Blut-Schweiß-und-Tränen-Ansprache: Frankreichs Präsident Sarkozy wirbt bei seinen Landsleuten angesichts der Euro-Krise für einen strikten Sparkurs und das Ende der Schuldenpolitik. Außerdem fordert er einen engen Schulterschluss mit Deutschland - und handelt sich dafür heftige Kritik der Opposition ein. "Madame Merkel entscheidet, Monsieur Sarkozy folgt", lästert Sozialisten-Chef Hollande.

Stefan Ulrich

Déjà-vu in Toulon: In der Hafenstadt am Mittelmeer, in der Nicolas Sarkozy am Donnerstagabend seinen "grand discours" zur Lage Frankreichs und Europas anstimmte, hat der Präsident schon einmal eine wegweisende Rede gehalten. Im September 2008, kurz nach der Pleite des Investment-Instituts Lehman Brothers, versprach er den Franzosen, die Finanzmärkte Mores zu lehren. Zugleich kündigte er harte Zeiten an. In diesem Punkt hielt er Wort. Heute ist aus der Banken- eine Staaten- und Europakrise geworden - und Sarkozy musste nunmehr feststellen: "Viele Franzosen haben gelitten und werden weiter leiden."

In einer Blut-Schweiß-und-Tränen-Ansprache forderte der Präsident seine Landsleute auf, mehr und härter zu arbeiten, seinen Kurs der Haushaltssanierung zu unterstützen und fest zum Euro und zu Europa zu stehen. Es sei nicht mehr möglich, die Probleme der Globalisierung durch immer mehr Schuldenmachen auszugleichen, sagte er. Vielmehr müsse nun ein "Zyklus der Entschuldung" beginnen. Frankreich solle sich von "schweren Fehlern" wie der 35-Stunden-Woche und der Rente mit 60 verabschieden. "Indem wir unsere Schulden zahlen, werden wir wieder Herr über unser Schicksal."

Eindringlich appellierte Sarkozy an die Bürger, einem verhängnisvollen Isolationismus zu widerstehen und sich gemeinsam mit den europäischen Verbündeten aus der Krise zu arbeiten. Besonders warb er dabei für den Schulterschluss mit Deutschland. In Anspielung auf deutsche Inflationsängste sagte er, jedes Land habe seine Geschichte und seine Verletzungen. "Wir müssen Deutschland verstehen und akzeptieren." Paris und Berlin müssten zusammen zu einem "Pol der Stabilität und des Vertrauens werden, auf den Europa bauen kann".

Eine Politik "à la Bismarck"

Das kämpferische Bekenntnis zur deutsch-französischen Führung in Europa kommt zu einer Zeit, da in Frankreich heftige Kritik an der Bundesrepublik und der Kanzlerin geübt wird. Die oppositionellen französischen Sozialisten halten Sarkozy vor, er lasse sich zum Büttel Merkels machen. Manche "Kameraden", wie sich die Genossen in Frankreich nennen, schlagen dabei Töne an, die man eher aus dem Lager des rechtsextremen Front National erwarten würde.

Ein frappierendes Beispiel liefert Arnaud Montebourg. Der jugendliche Star des linken Flügels der Sozialisten warf Merkel am Mittwoch vor, sie wolle den Euro töten und Deutschland am Ruin anderer Länder bereichern. Zudem betreibe sie eine Politik "à la Bismarck". Am Donnerstag rechtfertigte sich Montebourg gegen Kritik auch aus den eigenen Reihen; er sei keinesfalls "germanophob". Jedoch versuche die Kanzlerin, wie einst Otto von Bismarck, ihre innenpolitischen Probleme auf Kosten Europas zu lösen. Die deutsche Expansionspolitik setze sich heute auf wirtschaftlichem Gebiet fort. Deutschlands Stabilitätspolitik sei "gefährlich und selbstmörderisch".

Natürlich drückt sich François Hollande, der Präsidentschaftskandidat der Sozialisten, differenzierter aus. Doch auch er macht offen Front gegen Merkel und die deutsche Krisenpolitik, nicht ohne dabei Sarkozy eins auszuwischen. "Seit mehreren Monaten entscheidet Madame Merkel, und Monsieur Sarkozy folgt", kritisiert Hollande. Die Kanzlerin wolle Frankreich ein Modell auferlegen, "das nicht notwendigerweise das unsere ist". Der Sozialist möchte, dass die Europäische Zentralbank massiv auf den Finanzmärkten interveniert. Zugleich betont er, er werde es nie akzeptieren, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) über die Haushaltsführung souveräner Staaten urteile, wie Berlin das plant.

Hollande spricht vielen aus dem Herzen, wenn er wieder Eurobonds ins Spiel bringt, die auch große Infrastrukturprojekte finanzieren sollen, und "Wachstumsinitiativen" verlangt. Dabei fordert es sich aus der Opposition heraus leicht. Hollande muss nicht Tag für Tag mit Merkel um einen Kompromiss zur Rettung des Euro ringen. Sollte er die Präsidentschaftswahl im Frühjahr gewinnen, wird es spannend zu beobachten sein, wie er die Vorstellungen der französischen Linken in Berlin durchsetzen will.

Das Verhältnis zu Deutschland ist jedenfalls zum heißen Wahlkampfthema geworden. Der konservative Europaminister Jean Leonetti spricht von "hysterischem Deutschenhass von Seiten sozialistischer Verantwortlicher". Unter Verweis auf die Angriffe gegen die Kanzlerin sagt er: "Man hat den Eindruck, dass wir uns zwischen den beiden Weltkriegen befinden." Sarkozy tat am Donnerstagabend in Toulouse alles, um diesen Eindruck wieder auszuräumen.

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