Landkreis Dachau:Richter stoppen Trianel

Stadtwerke Dachau befürchten auf ihren Anteilen am Kohlekraftwerk in Höhe von knapp 800 000 Euro sitzen zu bleiben.

Walter Gierlich

Die Beteiligung der Dachauer Stadtwerke am Kohlekraftwerk in Lünen ist unter den Bürgern heftig umstritten gewesen. Im Sommer 2010 hat eine Mehrheit der Dachauer per Bürgerentscheid von den Stadtwerken den Ausstieg aus dem Projekt verlangt - vergeblich, denn das lässt die Vertragslage nicht vor 2032 zu. Nun allerdings hat das Oberverwaltungsgericht Münster nach dreitägiger Verhandlung die erste Teilgenehmigung für das Kraftwerk des Stadtwerkeverbunds Trianel aufgehoben, das seit 2008 im Bau ist. Wie es weiter geht, ist fraglich. Ratlosigkeit herrscht momentan auch bei den Stadtwerken: "Ich überblicke das Urteil in der vollen Wirkung noch nicht", sagte der technischer Werkleiter Robert Haimerl zur Dachauer SZ.

Trianel

Die Bauarbeiten am Kraftwerk sind bisher nach Plan verlaufen, die Außenhülle des Kesselhauses sei fast fertig. Die Stadtwerke Dachau versuchen bisher erfolglos ihre Anteile zu verkaufen, wie es von den Bürgern gefordert wird.

(Foto: privat)

Geklagt vor dem Münsteraner Gericht hatte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), weil er erhebliche Zweifel an der Umweltverträglichkeit des Projekts hatte. Die Frage der Kohlendioxid-Emissionen war es auch, die in Dachau zur Gründung der Bürgerinitiative Kontra Kohlestrom geführt hatte, die den Ausstieg aus dem 1,4 Milliarden Euro teuren Kraftwerk Lünen forderte. Erst der Europäische Gerichtshof hatte im Mai dieses Jahres den Weg für die BUND-Klage frei gemacht: Umweltverbände können seither Verstöße gegen Umweltvorschriften der EU geltend machen.

Der achte Senat des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts unter Vorsitz von Max-Jürgen Seibert kritisierte in seiner Urteilsbegründung die von Trianel vorgelegten Gutachten. Die Expertise einer Gutachterin habe er "als schwer verständlich, ihr Vorgehen als wissenschaftlich unredlich und für den Leser nicht nachvollziehbar" bezeichnet, heißt es im Bericht der Internetausgabe Der Westen der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. In der Pressemitteilung des Gerichts selber ist davon die Rede, dass ein unter europäischem FFH-Schutz stehendes Waldgebiet "bereits jetzt über die naturschutzfachlich begründete Belastungsgrenze hinaus vorbelastet" sei.

Der BUND sieht in dem Urteil (Aktenzeichen: 8 D 58/08.AK) des Oberverwaltungsgerichts "einen wegweisenden Erfolg für den Naturschutz", sei es doch seiner Argumentation gefolgt, "wonach die Genehmigung wegen gravierender umweltrechtlicher Verstöße aufzuheben sei". Nach Mitteilung der Naturschützer würde das Trianel-Kraftwerk neben Schwefeldioxid, Stickoxiden, Schwermetallen und Feinstaub "auch jährlich bis zu sechs Millionen Tonnen des Klimakillers Kohlendioxid emittieren".

Das Urteil bedeutet allerdings nicht das endgültige Aus für das Kraftwerk, dessen Kessel nach Angaben von Trianel bereits im zweiten Quartal 2012 erstmals befeuert und das ein Jahr später den kommerziellen Betrieb aufnehmen sollte. Das betonte Richter Seibert ausdrücklich. "Der Senat schließe nicht aus, dass nach Erstellung einer verbesserten FFH-Verträglichkeitsuntersuchung ein neuer Vorbescheid erteilt werden könnte", teilt das Oberverwaltungsgericht per Presseerklärung mit.

Bei Trianel bleibt man trotz des Urteils optimistisch: Das Gericht habe zwar den immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid für das Kraftwerksprojekt "für rechtswidrig befunden, die Entscheidung führt jedoch nicht dazu, dass das Kraftwerksprojekt in Gänze in Frage gestellt wird", lässt das Unternehmen wissen. Alle kritischen Aspekte seien heilbar, glaubt Trianel-Anwalt Christoph Riese. Das Unternehmen hofft weiter, dass das 750-Megawatt-Kraftwerk, an dem 30 Stadtwerke und Regionalversorger beteiligt sind, 2013 ans Netz geht.

Stadtwerke-Chef Haimerl, dessen Betrieb Anteile in Höhe von 781 000 Euro hält, sieht sich als juristischer Laie überfordert, ob er den Optimismus teilen kann. Da der von den Bürgern geforderte Ausstieg vertraglich unmöglich ist, versuchten die Stadtwerke bisher erfolglos ihre Beteiligung zu verkaufen. Die Chancen seien durch das Münsteraner Urteil nicht gestiegen: "Wenn das Ding nicht in Betrieb geht, wäre das der Worst Case", meint er. Und weiter: "So etwas zu verkaufen, wäre unmöglich."

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