Umstrittener Privatkredit von Christian Wulff:Geerkens, der Freund mit dem Geld

Egon Geerkens machte sein Vermögen mit Schrott und Schmuck. Nun hadert er mit der Öffentlichkeit, die alles über ihn wissen will - und beschreibt, warum der Privatkredit der Ehefrau an den jetzigen Bundespräsidenten Wulff aus seiner Sicht unproblematisch war.

Uwe Ritzer

Das große öffentliche Interesse verstehe sie durchaus, sagt Edith Geerkens, 49. Trotzdem würden sie und ihr Mann öffentlich am liebsten gar nichts mehr zu der leidigen Sache sagen. Aber Schweigen ist schwer, wenn pausenlos das Telefon klingelt und immer neue Fragen in die eigene Welt bringt.

Ehepaar Geerkens

Egon Geerkens und seine Frau Edith auf dem Sommerfest des Bundespräsidenten Wulff im Schloss Bellevue.

(Foto: dpa)

"Die Unruhe sind wir überhaupt nicht gewohnt, denn ich bin längst im Ruhestand", sagt Egon Geerkens, 67. Außerdem ärgere ihn "der ganze Blödsinn", den er seit Montag über sich lesen und hören müsse, über seine Geschäfte als Unternehmer, über seinen angeblichen Spitznamen "Bubi" und vor allem über seine Freundschaft zu Christian Wulff, dem Bundespräsidenten.

Also redet er doch, freundlich, bestimmt. "Ich kannte schon Christian Wulffs lange verstorbenen Vater", sagt Egon Geerkens der Süddeutschen Zeitung, "und ihn selbst kenne ich seit mindestens 34 Jahren." Und "Bubi", so habe ihn zuletzt jemand in seinem 25. Lebensjahr genannt. Ganz schön viel Wirbel um jemanden, der bis vor kurzem als medienscheu galt.

"Halbe Fassade weggesprengt"

Die Eheleute Geerkens leben in Luzern am Vierwaldstätter See, gleich an der Uferpromenade. In diesem gemütlichen Schweizer Ort ist die Aufregung schwer nachzuvollziehen, die Deutschland erfasst hat. Weil sich nämlich Bundespräsident Wulff - als er noch Ministerpräsident des Landes Niedersachsen war - von Edith Geerkens eine halbe Million Euro geliehen hat, verzinst mit vier Prozent. Mit dem Geld kaufte sich der Politiker in Großburgwedel bei Hannover ein verklinkertes Einfamilienhaus. Aus dem Ort stammt seine Frau Bettina, und mit ihr startete Wulff gerade in seine zweite Ehe, als das Geld floss. Egon Geerkens war sein Trauzeuge.

Das war 2008. Das private Darlehen wäre vielleicht nie zum Problem für den Politiker Wulff geworden - dann aber wollten die Grünen im niedersächsischen Landtag zwei Jahre später von Wulff wissen, wie er geschäftlich zum Unternehmer Geerkens stünde. Kurz zuvor war aufgeflogen, dass die Wulffs Weihnachten in Geerkens' Villa in Florida verbracht hatten; Air Berlin flog die beiden für den Preis von Economy-Tickets in der Business-Klasse. Wulff zahlte der Fluglinie 3000 Euro am Ende nach.

Den unangenehmen Fragen im Landtag in Hannover entkam er wendig durch ein Schlupfloch. Er pflege keine Geschäftsbeziehungen zum Unternehmer Geerkens, antwortete er den Grünen. Alles reine Privatsache. Nach Frau Geerkens habe damals ja keiner gefragt, heißt es jetzt etwas wortklauberisch aus dem Lager des inzwischen zum Bundespräsidenten aufgestiegenen Politikers. "Christian Wulff hat damals völlig korrekt geantwortet", findet Egon Geerkens. "Das war ein rein privates Darlehen meiner Frau für einen Freund. Darin sehe ich keine geschäftlichen Beziehungen."

Von Geschäften versteht der Mann mit der sonoren Stimme eine Menge. Egon Geerkens, Sohn eines Drehers bei Krupp in Essen, hat sich aus kleinsten Verhältnissen hochgearbeitet. Volksschule, dann mit 13 Jahren Beginn einer Elektrikerlehre, mit 16 Geselle. Nach der Bundeswehr kauft er Unfallautos, bevorzugt kaputte Luxuswagen, und exportiert sie lukrativ an einen holländischen Geschäftspartner. Später importiert Geerkens Antiquitäten aus England und verkauft sie an deutsche Händler weiter.

Das große Geld mit Immobilien verdient? "Nein!"

Noch profitabler geraten seine Geschäfte als Juwelier in Osnabrück. Mitten in Christian Wulffs Heimatstadt übernimmt der Unternehmer in den siebziger Jahren ein alteingesessenes, kleines, feines Schmuckgeschäft. Der Laden läuft prächtig, lockt aber auch Ganoven an. Einmal zwingen Räuber die Angestellten mit Waffengewalt auf den Boden und räumen den Tresor leer. Am 11. April 1995, morgens kurz vor fünf Uhr, sprengten vermummte Täter "die halbe Fassade weg", erinnert sich Geerkens, um in den Laden zu kommen und ihn auszurauben. Schaden und Beute gingen in die Hunderttausende. Und das ausgerechnet an dem Tag, an dem der Inhaber heiratete.

Es heißt, das wirklich große Geld habe Egon Geerkens nicht mit Schrott und Schmuck, sondern als Immobilienunternehmer verdient. "Falsch", sagt er: "Ich habe nie gewerblich mit Immobilien gehandelt, sondern solche immer zu meiner privaten Vermögensanlage gekauft und entwickelt."

Bevorzugt in Osnabrück, in einem Fall auch in Berlin-Mitte. Zur Einweihung des Einkaufszentrums Theaterpassage in Osnabrück kamen sogar Thomas Gottschalk und Hannelore Kohl. Und dann war da noch jenes Penthouse am Nikolaiort, ebenfalls in Osnabrück. Mit einem Kran musste man Badewanne, Klavier und anderes Großmobiliar spektakulär nach oben in den sechsten Stock hieven, weil das Treppenhaus für den normalen Transport zu eng waren. Von da oben hat man einen herrlichen Ausblick. Christian Wulff hat hier 1988 mit seiner ersten Frau Christiane Hochzeit gefeiert.

"Das waren junge Leute, die hatten damals noch kein Geld, und da habe ich ihnen zur Feier meine Wohnung zur Verfügung gestellt", sagt Geerkens. Wulff war damals 29 Jahre alt, noch in der Juristenausbildung, aber schon Stadtrat in Osnabrück und Mitglied im niedersächsischen CDU-Landesvorstand. Bei einem CDU-Bundesparteitag hatte der Funktionär Jahre zuvor aufmüpfig gegen Verfahrenstricks bei der Aufarbeitung der Spendenaffäre seiner Partei gestänkert und auf sich aufmerksam gemacht.

Vom Politiker Christian Wulff habe er nie profitiert, sagt Egon Geerkens. Kein öffentlicher Auftrag, keine staatliche Zuwendung. Dreimal begleitete er als Mitglied niedersächsischer Wirtschaftsdelegationen den Ministerpräsidenten Wulff auf Auslandsreisen: nach China, Japan und in die USA. "Ich habe alle drei Reisen selbst bezahlt, die Flüge, die Hotels, sogar die Organisationsgebühr der IHK", erklärt der Mittelständler.

2007 hat Egon Geerkens sein Schmuckgeschäft verkauft. Auch von seinen Immobilien hat er sich nach eigenen Angaben nach und nach fast komplett getrennt. 2003 erkrankte er lebensbedrohlich an Krebs und musste sich schweren Operationen unterziehen. Danach zog sich der Vater zweier minderjähriger Kinder aus dem Geschäftsleben zurück - das Familienleben in der Schweiz steht nun im Zentrum. "Zu dem Zeitpunkt, als Christian Wulff den Kredit meiner Frau erhielt, war ich schon längst kein Unternehmer mehr", sagt Egon Geerkens.

Die 500.000 Euro habe seine Frau von ihrem Schweizer Konto auf ihr Konto bei der Sparkasse Osnabrück überwiesen. Dann habe sie einen Scheck über die Summe ausgestellt und diesen Christian Wulff übergeben. Der zahlte fortan pünktlich seine Raten. Das war zu einem Zeitpunkt, als die Republik Egon Geerkens noch nicht kannte. Das hat sich gründlich geändert.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: