Wulffs Kredit-Affäre:Auf sanften Druck

Der Fall Wulff ist zwar nicht juristisch relevant, aber politisch hochgefährlich für die schwarz-gelbe Koalition. Wohl deshalb hat Angela Merkel interveniert und den Bundespräsidenten dazu bewogen, seinen Fehler öffentlich einzugestehen. Eine neuerliche Kandidatensuche für das höchste Amt im Staate kann sich die Kanzlerin nicht leisten. Dennoch dürfte sich vor allem Wulffs Vorgänger Horst Köhler angesichts der Vorgänge verwundert die Augen reiben.

Stefan Braun, Berlin

Christian Wulff hat in diesen Tagen ungewöhnliche Unterstützung erfahren. Er hat sogar Hilfe bekommen, die seinem Vorhänger Horst Köhler in schwerster Zeit verwehrt wurde. Denn anders, als sie es sonst oft handhabt, hat die Bundeskanzlerin dem Bundespräsidenten ganz und gar öffentlich ihre Solidarität zum Ausdruck gebracht. Sie hat es zwar nicht persönlich getan, sondern ihren Sprecher Steffen Seibert machen lassen. Was dieser aber am Mittwoch zur Causa Wulff erklärte, war exakt das, was die Regierungschefin bewusst geplant hatte.

Die Botschaft: Wulff, der Präsident, genieße das volle Vertrauen der Kanzlerin. Das gelte für die Person wie für seine Amtsführung. "Die Kanzlerin sieht keinerlei Grund, an den Angaben des Bundespräsidenten zu zweifeln", sagte Seibert. Wulff übe sein Amt "mit großer Verantwortung und Sensibilität" aus.

Angesichts solcher Worte kann man erst einmal davon ausgehen, dass Wulffs Vorgänger Horst Köhler sich verwundert die Augen reiben dürfte. Denn jetzt, wo es um einen moralisch problematischen Kredit und den Umgang damit geht, stärkt die Regierungschefin dem Staatsoberhaupt Wulff den Rücken, während sie das dem Staatsoberhaupt Köhler im Mai 2010 verwehrte, als die Opposition Köhler vorwarf, er wolle mit den Auslandseinsätzen der Bundeswehr eine "Kanonenbootpolitik" betreiben. Und das, obwohl Köhler - wenn auch unglücklich formuliert - nur jene Leitlinien des Bundeswehr-Weißbuchs wiedergab, die Merkels Regierung beschlossen hatte. Köhler dürfte sich schon saumäßig ärgern, dass Merkel in seinem Fall geschwiegen hat.

Merkels Solidaritätsadresse beinhaltet mehrere Botschaften

Wie Wulff Merkels Äußerungen gelesen hat, zeigt sich am Donnerstagnachmittag. Eine Solidaritätsadresse dieser Art beinhaltet mehrere Botschaften. Das gilt ganz besonders, wenn der öffentlichen Erklärung ein nicht-öffentliches Gespräch vorausging. So ist es auch mit Merkel und Wulff gewesen. Dabei hat die Kanzlerin, so viel erscheint sicher, nicht nur ihre Hilfe ausgedrückt, sondern dem Präsidenten auch einen ziemlich unmissverständlichen Wink gegeben. Sie hat deutlich gemacht, dass zur Unterstützung die Erwartung gehört, dass er selbst sich noch einmal äußert. Das hat Wulff am Donnerstag schließlich getan, indem er zwar nicht den Privatkredit, aber dessen Verschweigen im niedersächsischen Landtag ausdrücklich bedauerte.

Dies freilich soll nicht nur Wulff in eine wieder bessere Zukunft führen. Es soll auch der Kanzlerin helfen, die derzeit wahrlich keinen Ärger brauchen kann. Ihr steckt in den Knochen, dass der erhoffte Sicherheitskandidat bei seiner Wahl in der Bundesversammlung zum Wackelkandidaten wurde. Und Merkel weiß genau, dass ein neuerliches Rennen um das Präsidentenamt größte Gefahren auch für ihre Zukunft bergen würde.

Seit den Wahlniederlagen in den Bundesländern ist die schwarz-gelbe Mehrheit in der Bundesversammlung auf vier Stimmen geschrumpft. Außerdem hätte sie keine "sicheren Kandidaten" mehr für eine Abstimmung. Ob Ursula von der Leyen, Wolfgang Schäuble oder Bundestagspräsident Norbert Lammert - alle drei könnten es wohl, haben sich aber viele Gegner gemacht in den eigenen Reihen.

Immerhin, seit Donnerstagnachmittag können Kanzlerin und Präsident wieder auf eine gemeinsame Zukunft hoffen. Erste Reaktionen aus der SPD zeigen, dass die Opposition zufrieden ist mit Wulffs Eingeständnis und Bedauern.

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