Bundespräsident in der Kreditaffäre:Wenn Amt und Charakter verschmelzen

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Die Zweifel am Bundespräsidenten sind durch seine öffentliche Erklärung nicht ausgeräumt. Wulff ist anscheinend nicht bewusst, wie sensibel er politisch agieren müsste. Das höchste Staatsamt stellt allerhöchste Anforderungen an die Person, die das Amt bekleidet. Persönliche Fehler erschüttern deshalb zwangsläufig das Vertrauen in den Präsidenten.

Heribert Prantl

Der Bundespräsident hat eine Erklärung des Bedauerns abgegeben. Er "erkenne an, dass hier ein falscher Eindruck entstehen konnte". Es wäre besser gewesen, so setzt Christian Wulff fort, wenn er im niedersächsischen Landtag "über die gestellten Fragen hinaus" auf den Kreditvertrag mit Frau Geerkens hingewiesen hätte, die ihm eine halbe Million Euro geliehen hatte. Da hat der Bundespräsident zweifellos recht.

Die Zweifel an ihm sind damit aber nicht zerstreut. Wulff selbst gibt die Antwort, warum das so ist: "Die Wahrnehmung öffentlicher Ämter verlangt zu jedem Zeitpunkt ein hohes Maß an Integrität und Verantwortungsbewusstsein."

Das stimmt, aber auch das ist noch nicht die ganze Wahrheit. Das Amt des Bundespräsidenten verlangt viel mehr als jedes andere Staatsamt, weil es nicht nur das höchste, sondern auch ein ganz anderes Amt ist als jedes andere. Es ist das einzige Amt, das darauf angelegt ist, dass die Person das Amt bestimmt. Erst die Person gibt diesem Amt den Inhalt, weil dieses Amt eigentlich keine echte Funktion und nur spärliche Befugnisse hat. Das höchste Staatsamt verschmilzt daher mit der Person, mit dem Charakter, der Klugheit und der Kunst dessen, der es bekleidet - aber auch mit dessen Schwächen.

Daher werden persönliche Fehler in diesem Amt mehr als in jedem andern zu Amtsfehlern; deshalb werden persönliche Schwächen und Unwahrhaftigkeiten wie bei keinem anderen Amt zu einer Belastung des Amtes. Und daher ist es bedauerlich, wenn ein Präsident erst zum Bedauern getragen werden muss. Das Amt des Bundespräsidenten ist ein höchst sensibles Amt. Christian Wulff ist offenbar erst dabei zu lernen und zu verstehen, wie sensibel es ist.

© SZ vom 16.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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