Ausschreitungen in Ägypten:Weitere Tote auf dem Tahrir-Platz

Die Straßenschlachten in Kairo fordern weitere Tote, doch der ägyptische Militärrat weist die Schuld an den Ausschreitungen von sich: Die Soldaten leisteten "Unerträgliches", um das Volk zu schützen. Außerdem hätten sie einen Anschlag auf das Parlament verhindert.

Sonja Zekri, Kairo

Während die Zahl der Toten auf dem Tahrir-Platz in Kairo weiter steigt, weist der regierende Militärrat die Schuld an den Ausschreitungen Kriminellen, Medien und nicht näher genannten Kräften von außen zu. Die Soldaten, die am Montagmorgen erneut Protestierende auf dem Tahrir-Platz jagten, nannte General Adel Emara Medien zufolge "Helden", die "Unerträgliches" ertragen hätten, um Nation und Volk zu schützen. Es gebe einen "Plan, Ägypten zu zerstören", so Emara, die Armee werde dies nicht zulassen.

Ausschreitungen in Ägypten: Ägyptische Demonstranten auf einem Zementblock in Kairo, den das Militär errichtet hat - er soll Menschen vom Tahrir-Platz abhalten.

Ägyptische Demonstranten auf einem Zementblock in Kairo, den das Militär errichtet hat - er soll Menschen vom Tahrir-Platz abhalten.

(Foto: AP)

Um ihre Aussagen zu untermauern, hatte die Armee zuvor Aufnahmen veröffentlicht, die zeigen, wie junge Männer Steine auf das Parlament werfen. Einzelne Fälle, in denen der Armee exzessive Gewaltanwendung vorgeworden wird, werde man untersuchen, so der General.

Videos, die Aktivisten ins Internet gestellt hatten, zeigen, wie Soldaten Frauen an den Haaren über die Straße schleifen, eine verschleierte Frau bis auf den BH ausziehen und auf sie eintreten sowie auf leblose Körper einschlagen. Zwischendurch unterbrach Emara die Pressekonferenz, weil er Hinweise des Geheimdienstes erhalten habe, dass Unbekannte einen Brandanschlag auf das Parlament planten. Hunderte hätten sich zu diesem Zweck auf dem Tahrir-Platz versammelt.

Unterdessen erklärte das Gesundheitsministerium, beim Sturm auf den Tahrir-Platz am Montagmorgen seien drei Menschen gestorben. Damit erhöht sich die Zahl der Opfer seit Beginn der Ausschreitungen am Freitag auf 14. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich "alarmiert", US-Außenministerin Hillary Clinton "besorgt".

Bei der zweite Runde der Parlamentswahlen bestätigte sich der Vorsprung der Islamisten. Die "Freiheit und Gerechtigkeit"-Partei der moderateren Muslimbrüder gewann nach Auszählung von 11 von 15 Wahlbezirken nach eigenen Angaben 40 Prozent, gefolgt von der "Licht"-Partei der fundamentalistischen Salafisten, der liberalen Wafd und dem Bündnis "Ägyptischer Block". Die Islamisten könnten danach gemeinsam auf mehr als 70 Prozent kommen. Die Wahlbeteiligung lag mit 67 Prozent noch einmal deutlich höher als in der ersten Runde mit 52 Prozent.

Die Aktivisten beschuldigen die Islamisten, die Proteste zu boykottieren, weil sie den erwarteten Wahlsieg nicht gefährden wollten. Sie verlangen die unverzügliche Übergabe der Staatsmacht an eine Zivilregierung. Die Zukunft eines beratenden Gremiums, das der Militärrat vor wenigen Tagen für die Vermittlung zwischen Zivilgesellschaft und Armee einberufen hatte, ist nach dem Rücktritt einiger Mitglieder aus Protest gegen die Gewalt funktionslos.

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