28C3-Konferenz in Berlin:Hacker dringen auf Regeln für Schnüffelsoftware

Die Debatte um den Staatstrojaner ist in den vergangenen Wochen merklich abgeflaut, nun fordern Internet-Aktivisten auf dem Kongress des Chaos Computer Clubs klare Beschränkungen beim Einsatz von Spionagesoftware - und kritisieren, dass der Westen Überwachungsprogramme auch an autoritäre Regime liefert.

Krieg und Frieden liegen beim Chaos Computer Club (CCC) nur ein Jahr auseinander. Als der Hacker-Verein 2010 zu seinem Kongress lud, hieß das Motto noch "We come in peace": Wir kommen in Frieden. Dieses Jahr lautet die Losung dagegen "Behind enemy lines" - hinter Feindeslinien.

28. Jahreskongress des Chaos Computer Club

Teilnehmer des 28. Jahreskongresses (28C3) des Chaos Computer Clubs in Berlin: Hinter Feindeslinien.

(Foto: dpa)

Trotz solcher rhetorischer Unterschiede treffen Besucher beim 28. Chaos Communication Congress (28C3) seit Dienstag auf die gewohnte Mischung aus Netzpolitik, angewandtem Hacken und nerdiger Abendunterhaltung. Das Motto ist bewusst mehrdeutig gewählt. Zum einen spiele es auf die zunehmende Diskussion über "Cyberwar" an, erklärt CCC-Sprecherin Constanze Kurz - die Fortsetzung kriegerischer Auseinandersetzungen im Internet.

Zum anderen klingt durch, dass manche Hacker in einem Graubereich handeln. "Es gibt viele, die sich hinter den feindlichen Linien bewegen", sagt Kurz - auch wenn sich der CCC zu den Guten zählt und eine Hacker-Ethik hat. Noch so eine Feindeslinie, die sich 2011 aufgetan hat: der Kampf gegen staatliche Schnüffelsoftware wie den Staatstrojaner.

Am ersten von vier Kongresstagen stand die Netzpolitik im Mittelpunkt. Den Auftakt gab Evgeny Morozov. Der Weißrusse, der aktuell an der amerikanischen Stanford-Universität forscht, ist dafür bekannt, dass er das Potenzial des Internets für die Demokratie skeptisch sieht.

Beim CCC kritisierte er, dass westliche Staaten die Repressionen autoritärer Regime mit dem Verkauf von Spionage-Software unterstützen. Die Hersteller von Überwachungs-Systemen scheuten nicht den Verkauf an Länder wie Syrien oder Iran. Diktatoren und westliche Technologie-Unternehmen hätten eine "heimliche Liebesaffäre".

Morozov verglich die Programme mit Waffen: Ein Exportverbot funktioniere nur, wenn es global gelte. Er plädierte für eine Außenpolitik, die den Einsatz von Überwachungs-Software berücksichtigt. "Wir werden außerdem intensiv über den Staatstrojaner reden, das ist uns sehr wichtig", sagt Kurz. Dabei gehe es um technische wie um rechtliche Fragen.

Der CCC will unter anderem einen Forderungskatalog für den Umgang mit staatlicher Schnüffel-Software aufstellen. Weitere Themen: Datenschutz in allen Variationen; Netzneutralität - also die Forderung, alle Daten im Internet ohne Diskriminierung zu übertragen; aber auch Pressefreiheit. Breiten Raum nimmt traditionell die IT-Sicherheit ein.

Websites, Handys oder auch Züge und Industrieanlagen werden auf Schwachstellen abgeklopft, sowohl in Vorträgen als auch beim gemeinsamen Hacken. Für viele Hacker ist das Klassentreffen des CCC Pflichtprogramm. Die Tickets für den Kongress waren bereits im Vorfeld ausverkauft, es gibt nur noch kleine Kontingente für Tagesbesucher.

Ein großer Teil der 100 Vorträge wird aber per Livestream im Internet zu sehen sein, sofern die Verbindung steht. Zudem organisieren Hackergruppen in 26 deutschen Städten Live-Übertragungen. Bei Twitter tauschen sich die Kongressbesucher unter dem Schlagwort (Hashtag) "28C3" aus.

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