Abschied von Kim Jong Il in Nordkorea:"Die Menschen weinen Blut und Tränen"

Emotionaler Abschied von dem Machthaber mit der eisernen Hand: Zu Tausenden haben die Nordkoreaner in Pjöngjang dem verstorbenen Kim Jong Il das letzte Geleit gegeben, viele von ihnen weinten hemmungslos. Der pompöse Staatsakt war Höhepunkt von zehn Tagen organisierter Massentrauer - und eine Demonstration der künftigen Machtverhältnisse in dem kommunistischen Land.

Die Menschen in Nordkorea haben mit einer öffentlich inszenierten Beisetzungsfeier Abschied von dem langjährigen Machthaber Kim Jong Il genommen. Das Staatsfernsehen zeigte eine Trauerprozession durch die Hauptstadt Pjöngjang. Am Straßenrand standen dicht gedrängt Soldaten mit gesenkten Häuptern sowie Menschen, die demonstrativ ihre Trauer zeigten.

Eine Limousine fuhr ein überdimensionales Bild des vor knapp zwei Wochen verstorbenen Staatschefs durch die verschneiten Straßen. Es folgten der Leichenwagen mit dem Sarg, der vom Sohn und Nachfolger des Diktators, Kim Jong Un, sowie dessen Onkel Jang Song Thaek und dem Stabschef der Armee, Ri Yong Ho, begleitet wurde. Ihre herausragende Stellung bei der Zeremonie lässt auch auf die künftigen Machtverhältnisse schließen.

Fernsehbilder zeigten schluchzende Bürger, die von Tränen geschüttelt "Vater, Vater" rufen, als der von Armeefahrzeugen begleitete Trauerzug an ihnen vorbeifährt. "Die Menschen weinen Blut und Tränen", sagte ein Soldat dem Staatsfernsehen.

Der Trauerakt fand bei heftigem Schneefall statt. "Wenn ich den weißen Schnee fallen sehe, muss ich an die Errungenschaften des Generals denken und das treibt mir die Tränen in die Augen", sagte eine Soldatin. Zu den Mythen, die den langjährigen Herrscher des weitgehend von der Außenwelt abgeschotteten Landes umranken, zählte seine angebliche Fähigkeit, das Wetter zu beeinflussen. In den staatlichen Medien war im Zusammenhang mit seinem Tod von ungewöhnlicher Kälte die Rede gewesen.

Nordkorea hatte den Tod Kim Jong Ils am Montag vergangener Woche bekanntgegeben. Demnach war der 69-Jährige zwei Tage zuvor gestorben. Sein plötzlicher Tod hatte in Ostasien zunächst für erhebliche Unruhe gesorgt. Mit dem Machtwechsel in Pjöngjang verbindet sich die Frage, wie sich das Land künftig im Streit über seine Atompolitik verhält.

Der dritte Machthaber aus der Familie

Einem US-Experten zufolge kann Nordkorea wahrscheinlich früher als bisher erwartet eine Atomrakete einsatzfähig machen. Es werde wahrscheinlich nur noch ein bis zwei Jahre dauern, bis der kommunistische Staat einen nuklearen Raketensprengkopf einsatzbereit habe, schreibt der ehemalige Top-Experte eines überparteilichen Forschungsdienstes des US-Kongresses, Larry Niksch, in einem jüngst veröffentlichten Papier. Bislang galt eine Zeitspanne von fünf Jahren als realistisch.

Der nicht einmal 30-jährige Kim Jong Un ist der dritte Machthaber aus der Familie. Bereits vor der Beisetzungsfeier hatten sich Hinweise auf eine neue Machtstruktur verdichtet: Während Kim Jong Il das völlig verarmte Land als starker Mann mit eiserner Hand regiert hatte, soll sein Sohn nicht als Autokrat, sondern gemeinsam mit seinem Onkel Jang und dem Militär herrschen, wie die Agentur Reuters von einer Person mit engen Verbindungen zu den Regierungen Nordkoreas und Chinas erfahren hatte.

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