Kritik am Bundespräsidenten:Parteifreunde gehen auf Distanz zu Wulff

"Viele äußerten sich negativ zu Wulffs Verhalten": Die Kritik am Bundespräsidenten wegen der versuchten Einflussnahme auf Journalisten in der Kredit-Affäre wächst - auch in der niedersächsischen CDU. FDP-Vize Holger Zastrow fordert, Christian Wulff müsse sich noch in dieser Woche erklären.

Kai Diekmann, Mathias Döpfner - Friede Springer? Während immer neue (vermeintliche) Anrufe des Bundespräsidenten bei führenden deutschen Medienvertretern publik werden, verlautet aus dem Schloss Bellevue: nichts. Christian Wulff schweigt zum Vorwurf der versuchten Einflussnahme auf Journalisten in der Kredit-Affäre. Nicht zuletzt deshalb muss sich der CDU-Politiker scharfe Kritik gefallen lassen, auch aus den eigenen Reihen.

Wulff  Lengsfeld

Soll sich noch in dieser Woche zur versuchten Einflussnahme auf Journalisten äußern: Auch aus der FDP-Spitze kommt scharfe Kritik an Bundespräsident Christian Wulff (CDU).

(Foto: dpa)

Selbst niedersächsische Christdemokraten gehen mittlerweile auf Distanz zum früheren Ministerpräsidenten: "Viele Parteifreunde haben bei mir angerufen. Alle äußerten sich negativ zu Wulffs Verhalten", sagte der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Karl-Heinz Klare, der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Die Menschen wünschten sich "totale Aufklärung, sonst wird das Amt des Bundespräsidenten beschädigt".

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Liberalen, Holger Zastrow, forderte im MDR, Wulff müsse sich noch in dieser Woche erklären. Wenn ein Bundespräsident persönlich zum Hörer greife, einen Chefredakteur anrufe und auf die Mailbox spreche, dann sei das nicht die Größe, die er von einem Staatsoberhaupt erwarte, sagte der FDP-Vize. Wulff stehe in der Pflicht, den neuen Fall aufzuklären. Zastrow fügte hinzu, er habe in der Bundesversammlung Joachim Gauck gewählt und das habe schon seinen Grund gehabt.

Die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt rechnet fest mit einer Erklärung des Bundespräsidenten. "Die Pressefreiheit ist ein sehr hohes Gut in unserer Demokratie", sagte Hasselfeldt im Deutschlandfunk. "Ich bin aber sicher, dass der Bundespräsident die gegen ihn erhobenen Vorwürfe auch überzeugend aufklären kann. Und das kann auch nur er selbst." Sie sei überzeugt davon, dass Wulff "nach einigen Tagen der Überlegung auch zu diesem Schluss kommt".

Nicht die Größe, die man von einem Bundespräsidenten erwartet

Auch aus der Opposition hält die Kritik an: SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil verlangte, Wulff müsse schnellstmöglich Klarheit schaffen. "Die Salamitaktik von Herrn Wulff im Umgang mit dieser Situation muss endlich ein Ende haben." Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Aydan Özoguz sagte dem Hamburger Abendblatt: "Dass Herr Wulff nicht sofort reinen Tisch gemacht hat, schadet der ganzen politischen Klasse."

Wulffs früherer Sprecher Olaf Glaeseker muss unterdessen mit einem Interesse der Justiz an seinen privaten Urlaubsaufenthalten rechnen. Nach Angaben der Neuen Presse prüft die Staatsanwaltschaft Hannover, ob gegen den ehemaligen persönlichen Referenten des Bundespräsidenten ein Anfangsverdacht wegen Vorteilsnahme vorliegt. Das sagte ein Sprecher der Ermittlungsbehörde der Zeitung.

Glaeseker soll ab 2008 mit seiner Frau Vera dreimal in Auslandsquartieren des Event-Unternehmers Manfred Schmidt gratis Urlaub gemacht haben - darunter in Barcelona und in Südfrankreich. Glaeseker war damals Niedersachsens Regierungssprecher im Rang eines Staatssekretärs und hätte als Landesbediensteter teure Geschenke wie Gratisurlaube möglicherweise nicht annehmen dürfen. Ministerpräsident war zu dieser Zeit Christian Wulff.

Wulff hatte seinen langjährigen Sprecher Glaeseker kurz vor Weihnachten ohne Angaben von Gründen entlassen. Stern online hatte damals berichtet, dass Glaeseker über kostenlose Urlaubseinladungen des Partymanagers Schmidt gestürzt sei.

Intervenierte Wulff auch bei Friede Springer?

Wulff selbst war am Montag weiter unter Druck geraten, nachdem bekannt wurde, dass er mit einem Anruf bei Bild-Chefredakteur Kai Diekmann versucht hatte, die Berichterstattung über seinen Privatkredit zu verhindern. Demnach drohte der 52-Jährige Diekmann am 12. Dezember den "endgültigen Bruch" mit dem Springer-Verlag an - für den Fall, dass diese "unglaubliche" Geschichte tatsächlich erscheine. Damit werde "der Rubikon überschritten".

Auch die Formulierung "Krieg führen" sei gefallen. Wulff hinterließ den Protest auf Diekmanns Handy-Mailbox. Der Anruf erfolgte einen Tag bevor die Bild-Zeitung den ersten Bericht zum umstrittenen 500.000-Euro-Kredit durch das befreundete Unternehmer-Ehepaar Geerkens veröffentlichte.

Der Bundespräsident soll darüber hinaus auch bei der Springer-Mehrheitsaktionärin Friede Springer persönlich interveniert haben: Wie Cicero-Chefredakteur Michael Naumann in der Online-Ausgabe des Magazins schrieb, versuchte Wulff offenbar auch mit diesem Telefonat, die Berichterstattung des Boulevardblatts zu verhindern - erneut ohne Erfolg. Ein Springer-Sprecher sagte dazu auf Anfrage: "Dazu ist uns nichts bekannt." Bestätigt hat der Verlag hingegen eine telefonische Intervention Wulffs bei Springer-Chef Mathias Döpfner.

Das Bundespräsidialamt hat zum Vorwurf der versuchten Einflussnahme auf die Medienvertreter bislang nicht konkret Stellung genommen. Am Montag verlautete aus Berlin lediglich: "Die Presse- und Rundfunkfreiheit ist für den Bundespräsidenten ein hohes Gut. Er hat deshalb zu den Krediten für sein Eigenheim und zu Urlaubsaufenthalten Transparenz hergestellt, Erklärungen abgegeben und mehrere hundert Medienanfragen beantwortet. Über Vieraugengespräche und Telefonate gibt der Bundespräsident aber grundsätzlich keine Auskunft."

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