Diskussion um faktische Rentenkürzung:Nahles erwägt Aussetzung der Rente mit 67

Die Umstellung auf die Rente mit 67 hat gerade erst begonnen, schon stellen Politiker sie wieder infrage. SPD-Generalsekretärin Nahles kündigte nun sogar einen Gesetzentwurf an - der darauf zielt, die Verlängerung der Lebensarbeitszeit auszusetzen.

Mit Beginn des Jahres hat die Umstellung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre begonnen. Doch kaum gestartet, wird sie schon wieder diskutiert - denn die tatsächliche Beschäftigungsquote von 64-Jährigen ist derzeit außerordentlich gering.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles kündigt daher nun einen Gesetzentwurf zur Aussetzung der Rente mit 67 an. Die Anhebung des Renteneintrittsalters könne erst umgesetzt werden, wenn "es genügend Arbeitsplätze auch für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gibt", sagte Nahles der Rheinischen Post. Mindestens 50 Prozent der 60- bis 64-jährigen Arbeitnehmer müssten sozialversicherungspflichtig beschäftigt seien.

Sie forderte die CSU mit Blick auf die kritischen Äußerungen von Parteichef Horst Seehofer zur Rente mit 67 auf, im Bundestag für die Gesetzesänderung zu stimmen. Wenn Seehofer es ernst meine, müsse "er seinen Worten Taten folgen lassen", sagte Nahles.

Seehofer hatte am Wochenende gesagt, wenn sich die Situation für ältere Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt nicht rasch ändere, werde die Verlängerung der Lebensarbeitszeit faktisch zu einer massenhaften Rentenkürzung. Dies sei aber mit ihm nicht zu machen.

Die neue Regelung zur Rente war zum Jahreswechsel in Kraft getreten. Das Gesetz sieht vor, dass sich das reguläre Renteneintrittsalter von bislang 65 Jahren schrittweise nach hinten verschiebt. Vom Jahr 2031 an liegt der Renteneintritt dann bei vollen 67 Jahren.

Kritische Stimmen auch aus CDU und Gewerkschaften

Eine Anfrage der Linken bei der Regierung im November hatte allerdings ergeben, dass im März 2010 nicht einmal zehn Prozent aller Männer und Frauen mit 64 Jahren noch einen sozialversicherungspflichtigen Vollzeitjob hatten.

Statistiken der Deutschen Rentenversicherung hatten zudem gezeigt, dass 47,5 Prozent aller Neurentner im Jahr 2010 Abschläge bei ihrer Rente in Kauf nehmen mussten, weil sie nicht bis zum 65. Lebensjahr, der bisherigen Regelaltersgrenze, arbeiteten. Die Erhöhung des Rentenalters käme daher einer faktischen Rentenkürzung gleich, kritisierten Sozialverbände.

Auch aus der CDU und von den Gewerkschaften kommen nun kritische Stimmen gegenüber der Rente mit 67. Hier wurden Forderungen nach einer Einführung einer Mindestquote für die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer laut, um mögliche Kürzungen der Alterseinkommen als Folge der Rente mit 67 abzumildern.

CDU-Bundesvorstandsmitglied Otto Wulff, der zugleich Chef der Senioren-Union ist, sagte der Bild-Zeitung, er sei zwar grundsätzlich für die Rente mit 67, aber im Ergebnis dürfe dabei "kein Rentenkürzungsprogramm herauskommen".

Das wäre nach Ansicht des CDU-Politikers dann der Fall, "wenn es nicht genügend adäquate Beschäftigungsmöglichkeiten für ältere Arbeitnehmer gibt". Wulff schlug vor: "Die Wirtschaft muss über eine Quote verpflichtet werden, eine bestimmte Zahl von geeigneten Arbeitsplätzen für über 60jährige vorzuhalten." Ältere Arbeitnehmer dürften nicht mehr zu Lasten der Allgemeinheit vorzeitig nach Hause geschickt werden.

Auch SPD-Sozialexperte Ottmar Schreiner sprach sich für eine solche Quote aus. Es müsse sichergestellt sein, "dass mindestens die Hälfte der über 60-Jährigen in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen sind. Alles andere würde für die meisten älteren Arbeitnehmer eine Rentenkürzung bedeuten." Außerdem verlangte der SPD-Sozialexperte "viel mehr altersgerechte Arbeitsplätze."

Franz-Josef Möllenberg, Chef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, sagte laut Bild-Zeitung: "Eine Oma- und Opa-Quote, die sich an der Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen orientiert, könnte helfen, Altersarmut zu verhindern."

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