Buch über Erlebnisse als Kriegsreporter:Der Mann, der in den Abgrund blickt

Carsten Stormer lebt im Krieg. Am Ende seines Journalismus-Studiums verbrannte er seine Möbel und kaufte ein Ticket nach Afghanistan. Mehr als sechs Jahre ist das her, nun bringt er ein Buch heraus. Er beschreibt erschreckende, kaum erträgliche Bilder aus dem Kongo, Darfur, Somalia und von den "Killing Fields" in Kambodscha.

Jan Söfjer

Am Ende seines Journalismus-Studiums verbrannte Carsten Stormer seine Möbel, kündigte seine Wohnung in Bremen und kaufte ein Flugticket nach Afghanistan. Mehr als sechs Jahre lang hatte er dann keinen festen Wohnsitz. Der damals 31-Jährige wollte in den Kongo, nach Darfur, Somalia, Burma, in den Irak. "Ich brauchte den Hexenkessel", sagt er, "die Todsünde, die Halunken, die Hoffnungsvollen und die Helden."

Buch über Erlebnisse als Kriegsreporter: Der Reporter sah viele Bilder, die ihn nie mehr los ließen. In Kambodscha stand er vor einem Mädchen, aus dessen Bein immer mehr Blut pumpte. Hier zu sehen ist eine Szene mit ugandischen Soldaten in Somalia.

Der Reporter sah viele Bilder, die ihn nie mehr los ließen. In Kambodscha stand er vor einem Mädchen, aus dessen Bein immer mehr Blut pumpte. Hier zu sehen ist eine Szene mit ugandischen Soldaten in Somalia.

(Foto: AFP)

Der Reporter Carsten Stormer (u. a. Focus, Stern, Playboy, Neon) hat über die Reisen seiner vergangenen sieben Jahre ein Buch geschrieben: Das Leben ist ein wildes Tier - Wie ich die Gefahr suchte und mich selber fand.

Man könnte denken, da setzt sich einer früh (und warum überhaupt) ein Denkmal. Tatsächlich ist es wohl ein ehrlicher, jedenfalls spannender Bericht über Krisenjournalismus entstanden. Stormer profiliert sich nicht als Alleswisser, will nicht die Welt erklären. Er blickt auf sich, hinterfragt, problematisiert. Das ist zwar Selbstbespiegelung, aber, so wie Stormer spiegelt, gut zu ertragen.

Dass er Journalist wurde, will Stormer in den Killing Fields, also in Kambodscha, entschieden haben. Das klingt pathetisch, vielleicht ist es das auch, aber so war es wohl. Stormer war 24, wollte Kapitän werden, was er nach sechs Wochen als Bootsjunge verwarf, weil ihm das Leben an Deck zu eintönig schien. Auch Speditionskaufmann lag ihm nicht. Er wurde Weltreisender und Barmann. Und dann kam der Tag, an dem er in Kambodscha vor einem Mädchen stand, aus dessen Bein immer mehr Blut pumpte.

"Ihre Zukunft wurde von einer alten Mine zerstört"

"Sie schreit nicht. Sie ist elf Jahre alt, und ihre Zukunft wurde von einer alten Mine zerstört. Neben ihr kauert ihre neunjährige Schwester. Zwischen ihren Fingern läuft Blut heraus. Sie hat bei der Explosion ihr Augenlicht verloren." So hat er es aufgeschrieben.

Das Bild der zwei schwer verletzten Kinder wird Stormer nicht mehr los. Es macht ihn wütend und treibt ihn an. Er besuchte eine Klinik im Kongo, die 2010 genau 10.354 vergewaltigte Frauen versorgte. Er wanderte mit den "Free Burma Rangers" Hunderte Kilometer durch den Busch, um zu sehen, wie ein ganzes Land unterjocht wird und Kinder von Regime-Soldaten zum Zielschießen an Bäume gehängt werden. Für das Magazin von Amnesty International reiste er vermutlich als einziger deutscher Journalist in die sudanesische Provinz Südkordofan, um über die Massaker am Nuba-Volk zu berichten.

Stormer ist schon gereist, bevor er Aufträge bekam, bevor er in der Reportageschule der Text-Foto-Agentur "Zeitenspiegel" ausgebildet wurde. Seit 2006 ist er wie 19 andere bezahlter "Zeitenspiegel"-Reporter. Viele seiner Kollegen waren früher Mentoren und Ausbilder.

Bei der ersten Kongo-Recherche schrieb Stormer gerade einmal die Spesen rein. "Geld war zweitrangig", behauptet er, die Geschichten seien wichtig gewesen. Wie die Geschichte über den Greis, der im Bürgerkriegsland Kongo seinen Enkel in einem Müllsack beerdigte, danach zu Stormer kam, dessen Hand nahm, und sich im Namen seines Volkes, bedankte. Dafür, "dass ihn die Welt nicht vergessen" habe.

Das Leben ist ein wildes Tier, Lübbe Verlag, Köln 2011. 310 Seiten, 16,99 Euro.

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