Guido Westerwelle:Lautes Pfeifen aus dem Maschinenraum

Mit einer Mutmach-Rede an die Liberalen meldet sich der frühere FDP-Chef in der Innenpolitik zurück - und liefert dabei, anders als zuletzt Parteichef Rösler, eine perfekte Show. "Immun" will er seine Leute machen. Doch trotz Begeisterung für Westerwelles Worte sind viele Liberale besorgt.

Peter Blechschmidt, Düsseldorf

Er kann immer noch sein Publikum von den Stühlen reißen - oder sollte man sagen: schon wieder? Beim Neujahrsempfang der nordrhein-westfälischen FDP in Düsseldorf zeigt Guido Westerwelle am Sonntag, was die Partei an ihm als Vorsitzenden hatte. Er schreit, er gestikuliert, er kokettiert mit den Zuhörern, er macht Witzchen. Er attackiert SPD, Grüne und Linke. Und er macht den Liberalen Mut, dass die FDP ihre schwere Krise überwinden könne. Der einstige Parteichef und Noch-Außenminister liefert eine perfekte Show, und die fast 1000 Gäste des Neujahrsempfangs danken ihm mit rhythmischem Beifall.

Neujahrsempfang der FDP in NRW

Wenn Guido Westerwelle redet, kann er - wie beim FDP-Neujahrsempfang in Düsseldorf - immer noch sein Publikum von den Stühlen reißen.

(Foto: dapd)

Welch ein Kontrast zum Auftritt des aktuellen Parteivorsitzenden Philipp Rösler vor zehn Tagen beim Dreikönigstreffen im Stuttgarter Staatstheater. Da war Rösler, auch er eigentlich ein unterhaltsamer Redner, ins seriöse Fach gewechselt. Da hatte Rösler in einer betont sachlichen Rede versucht, das Leitmotiv für dieses Jahr vorzugeben, das für die FDP leicht zum Schicksalsjahr werden kann. "Wachstum" hatte Rösler zum zentralen Thema der Liberalen erkoren, mit dem sie sich von allen politischen Wettbewerbern abgrenzen sollen. Dabei hatte es Rösler aber versäumt, die emotionale Saite anzuschlagen, Kampfeswillen zu wecken und - eben Mut zu machen. Zu allem Überfluss kam noch hinzu, dass just während seiner Rede die saarländische CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer den Liberalen die Jamaika-Koalition aufkündigte.

"Ich stehe nicht auf der Brücke, sondern im Maschinenraum"

Und dann ließ Westerwelle verbreiten, er plane für diesen Sonntag einen "innenpolitischen Aufschlag". Das löste, wie er in Düsseldorf mit hintergründigem Lächeln vom Rednerpult herab einräumt, ein mediales "Rumoren" aus, ob er etwas anderes wolle als die Wiederbelebung der FDP. Sein Kommentar dazu: "Leute, das habe ich hinter mir." Vor sich habe er, gemeinsam mit dem übrigen Führungspersonal für den Wiederaufstieg der Liberalen zu kämpfen. Schon bei seinem Abschied als Vorsitzender auf dem Rostocker Parteitag im vorigen Mai habe er gesagt, eine Partei dürfe nicht nur hinter der Führung stehen, sie müsse sich auch manchmal vor sie stellen. "Ich will den Erfolg dieser neuen Parteiführung", schmettert Westerwelle in den Saal, "ich stehe nicht auf der Brücke, sondern im Maschinenraum." Dort wolle er weiter für den Erfolg der Partei arbeiten.

Und das heißt für Westerwelle vor allem, sich auf der innenpolitischen Bühne zurückzumelden. Er sei nicht länger bereit, dem Treiben des neumodischen "Zeitgeistes der Bevormundung und staatlichen Umverteilung" zuzusehen, wie er von Grünen und SPD propagiert werde. Die Politik speziell der Grünen atme den Geist der Entindustrialisierung und sei ein Programm gegen Wohlstand und die Arbeitnehmer. Die Piraten predigten die "Enteignung des geistigen Eigentums im Internet", das sei nicht liberal, sondern Sozialismus. Wenn sich SPD-Chef Sigmar Gabriel als neuer Erbe des Liberalismus geriere, dann "lachen doch die Hühner". Die Linkspartei als Ganzes nimmt er in Haftung für sechs Abgeordnete vom äußersten linken Flügel, die sich "mit Schießbefehlen in Syrien" solidarisierten.

"Wir sind die Partei der Mutbürger"

Die eigenen Leute will Westerwelle "immun machen" gegen Angriffe von außen, auch aus den Medien. Immer wieder in ihrer wechselvollen Geschichte sei die FDP von vielen Zeitungen totgeschrieben worden, ruft er in den Saal. "Uns gibt es noch, die Zeitungen nicht mehr." Die Zuhörer lachen.

Gemeinsamkeit hat zuvor auch der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende und Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr beschworen. "Wir brauchen unser Führungspersonal nicht zu verstecken", hält er allen entgegen, die von Zweifeln an ihrem derzeitigen Vorsitzenden Rösler geplagt sind. "Wir sind die Partei der Mutbürger."

Da sind sich viele Zuhörer im Saal, trotz der Begeisterung des Augenblicks, nicht so sicher. "Viele trauen sich doch gar nicht mehr, sich zur FDP zu bekennen", sagt ein führender Liberaler. Zur Sorge um die Motivation der eigenen Leute gesellt sich die Befürchtung, in der schwarz-gelben Koalition in Berlin nicht mehr gebraucht zu werden. Niemand will darauf wetten, dass sich Bundespräsident Christian Wulff im Amt halten kann. Wenn dann ein Nachfolger gesucht werden müsste, liefe dies wohl auf einen Konsenskandidaten von Union und SPD hinaus. Die FDP hätte dabei nichts zu melden. Und auch bei dem jüngsten Streit um die Finanztransaktionssteuer glaubt manch maßgeblicher Liberale, dass die FDP ihren strikten Ablehnungskurs nicht werde durchhalten können. Allerdings: So weit, dass sie eine Rückkehr Guido Westerwelles auf den Parteivorsitz für die letzte Rettung halten, sind die meisten Liberalen dann doch noch nicht.

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