ARD-Film "Der letzte schöne Tag":Wenn die Welt nicht wieder gut wird

Was passiert mit einer Familie, wenn die Mutter nicht mehr leben will? Der ARD-Film "Der letzte schöne Tag" schildert, wie eine Familie am Suizid zerbricht. Ohne Pathos und ohne Happy End - aber dennoch grandios.

Barbara Gärtner

Wer vom Fernsehen eine heile Welt erwartet, in der Krisen das Happy End nur lieblicher leuchten lassen, sollte Der letzte schöne Tag nicht einschalten. Es könnte ein Schock sein, denn der Film bringt selbst mittelemphatische Menschen zum Augenreiben. Und das, weil er nicht mit Pathosklimbim ein Unglück verkitscht, sondern Regisseur Johannes Fabrick die traurige Geschichte der Familie Langhoff eher aus zugewandter Distanz betrachtet.

Der letzte schöne Tag

Der Suizid seiner Frau lässt Lars Langhoff beinahe verzweifeln. Trauerrituale wie Sarg, Beerdigung und Leichenschmaus halten die Familie oberflächlich auf Trab. Doch dann kommen die Fragen.

(Foto: WDR/Willi Weber)

Es geht um Selbstmord. Eigentlich kein Fernsehthema, denn TV-Filme brauchen eine plausible Figurenmotivation, um auch die Müllruntertrager und Nebenherkocher auf Handlungshöhe zu halten. Wenn sich aber eine Mutter mit hübschem Heim, liebendem Gatten und schweren Depressionen einfach umbringt, dann sind nicht nur die Fernsehzuschauer ratlos.

Zurück bleiben ein Mann und zwei Kinder. Erst schockstarr, dann schluchzend, immer wieder: wütend. Die Stärke von Dorothee Schöns Drehbuch liegt darin, dass sie der Versuchung widersteht, plumpe Gründe für Lebensmüdigkeit aufzufahren. Dem Betrachter geht es also wie der Familie: Auf das pochende Warum gibt es keine Antwort. Kann es nicht geben.

Am Anfang telefoniert Sibylle (Ärztin, Mutter, Ehefrau) noch mal ihre Lieben ab. Ruft den Gatten auf der Baustelle an ("Wird spät heute"), die Tochter beim Eisschlecken ("Ist das ein Kontrollanruf?"), den Kleinen beim Bolzen ("Ist noch was, wir kicken gerade"); dann geht sie fort und kommt nicht wieder.

Dramaturgisch passiert nicht viel: Gezeigt werden die Rituale, die Trauernde auf Trab und am Funktionieren halten. Ein Sarg, ein Grab, ein Leichenschmaus müssen ausgesucht werden; die Lehrerin informiert und der Anrufbeantworter neu besprochen. Wotan Wilke Möhring lässt seine Vaterfigur in kühlem Schockmodus robotieren, nur bei der Beerdigung bricht seine Trauer durch. Wie formidabel die Regie wirklich ist, zeigt sich auch an den beiden Kindern. Mathilda Merkel und Nick Julius Schuck spielen ihre schweren Rollen hervorragend.

Als Zuschauer ist man in jahrelangem Training konditioniert, dass der 20.15-Unterhaltungsfilm pünktlich zu den Tagesthemen die Welt wieder gut werden lässt. Der letzte schöne Tag verwehrt diese Befriedigung: Für die Familie ist nach dem Suizid nicht nur die Zukunft ungewiss, auch die Vergangenheit gerät ins Wanken. "Ich frage mich, wer war Sibylle wirklich?", gesteht der Witwer seinem Freund beim Bier. Eine Antwort gibt es nicht mehr.

Der letzte schöne Tag, ARD, 20.15 Uhr.

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