Protest gegen Einfluss der Parteien:ORF-Revolution bringt Chefs in Bedrängnis

Einen solchen Aufstand hat es beim Österreichischen Rundfunk noch nie gegeben: Weil ein wichtiger Posten im Sender allzu offensichtlich parteipolitisch besetzt werden soll, protestieren die Mitarbeiter laut und öffentlich. Nun sieht es danach aus, als könnte die Revolution erfolgreich sein.

Cathrin Kahlweit

Die Entscheidung sei eine "gefährliche Einmischung der Parteien in die Souveränität unseres Hauses". So stand es vor zwei Jahren in einem offenen Brief von ZDF-Journalisten, die sich gegen die politisch motivierte Ablösung ihres Chefredakteurs Nikolaus Brender wehrten. Genutzt hat es nichts, aber immerhin folgte auf die Causa Brender eine Debatte über den Rundfunkstaatsvertrag und ein Vorstoß der SPD beim Bundesverfassungsgericht, um den parteipolitischen Einfluss im ZDF zu überprüfen.

Die Causa Pelinka und der Aufstand beim ORF, dem österreichischen Rundfunk, ist jetzt ähnlich gelagert - und doch ganz anders. Niko Pelinka ist ein 25-jähriger, ja, was eigentlich? Er ist kein Journalist. Seine Ausbildung auf diesem Feld beläuft sich nach Auskunft der österreichischen Zeitung Standard auf ein einmonatiges Praktikum im innenpolitischen Ressort. Vielmehr studierte der Wiener Politische Kommunikation, schon mit 19 war er Sprecher einer Bundesministerin, danach machte er PR für die Österreichischen Bundesbahnen.

Dort ist er seit dem 1. Januar nicht mehr zu finden. Bei der Bundesgeschäftsstelle der SPÖ hat man auch keine Telefonnummer von ihm, dabei saß der junge Mann seit 2010 als Leiter des SPÖ-Freundeskreises im ORF-Stiftungsrat, dem obersten Kontrollgremium der Anstalt, das den Generaldirektor wählt, der in Deutschland Intendant heißt. Pelinka ist also ein einflussreicher Mann, und er sollte noch einflussreicher werden: Am 23. Dezember verkündete ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, er wolle Pelinka zu seinem Büroleiter machen.

Seither steht der ORF Kopf, und die Politik turnt mit. Mehr als 1300 Mitarbeiter des Senders haben eine Protestnote unterschrieben, in der sie sich dagegen verwahren, dass die Parteipolitik in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hineinregiert. Ein Protestvideo, auf dem Dutzende Moderatoren zu sehen sind, bringt zum Ausdruck, dass Wrabetz offenbar nur allzu bereitwillig parteipolitische Wünsche erfülle. Der ORF-Chef bedanke sich auf diese Weise, heißt es intern, für seine Wahl 2006 und seine Wiederwahl 2011, die an ein Personalpaket gekoppelt sei. Dazu gehörte auch die Bestellung eines ÖVP-Mitglieds des Stiftungsrats zum Chef des Tiroler Landesstudios.

Stellenvergabe ohne Ausschreibung - seitdem 3000 Bewerbungen

Im ORF herrscht Revolutionsstimmung. Wrabetz hatte den Fehler gemacht, seine Entscheidung für Pelinka zu verkünden, bevor die Stelle ausgeschrieben wurde. Seither sind mehr als 3000 Bewerbungen eingegangen. Redakteurssprecher Dieter Bornemann versichert, sollte Wrabetz an Pelinka festhalten, werde der Aufstand weitergehen. "Unsere Frauenbeauftragte hat ein Hearing angekündigt, denn Frauen müssen bei gleicher Qualifikation bevorzugt werden." Im Zweifel werde man gegen die Bestellung des neuen Mannes klagen.

So weit wird es wohl nicht kommen. Während an diesem Mittwoch der Nationalrat auf Antrag der Grünen über die Staatsnähe des ORF debattierte, wurde auf den Gängen kolportiert, die SPÖ suche bereits nach einem neuen Job für ihren Shootingstar. Der sei wohl kaum noch zu halten. Auch in der ORF-Redaktion ist man sich sicher, dass der Stiftungsrat, der an diesem Freitag zu einer Sondersitzung zusammenkommen wird, einen Rückzieher machen wird - oder dass Wrabetz von sich aus einlenkt.

Redaktion zum Friedensschluss bereit

Sollte es so kommen, sagt Bornemann, wäre die Redaktion zum Friedensschluss bereit - sofern solche Wechsel in Zukunft mit einer Gesetzesreform ausgeschlossen würden. Ein prominenter ORF-Moderator sagt voraus, dass der Generaldirektor unbeschadet aus der Sache herauskommen könne, wenn er sich denn einsichtig zeige und den "Notausgang" nehme: eine neue Ausschreibung der Stelle. Schließlich könne man unter Wrabetz ansonsten ohne Druck journalistisch arbeiten.

Wrabetz lässt am Mittwoch auf Anfrage ausrichten: Er selbst habe im ORF eine positive Veränderung hin zu journalistischer Freiheit, interner Diskursfähigkeit und Konfliktkultur herbeigeführt. "Dazu stehe ich und darauf bin ich auch stolz. Damit muss ich jetzt auch umgehen. Den Konflikt werden wir intern lösen und nicht über andere Medien."

Der Opposition würde das wohl nicht ausreichen. Die Grünen wollen, dass der Stiftungsrat neu aufgestellt wird - ganz ohne Parteien. "Man müsste dem Pelinka die Hände küssen, weil erst durch ihn eine offensive Debatte über den Einfluss der Medien auf den ORF in Gang gesetzt wurde", sagt der Grünen-Abgeordnete Peter Pilz. Gegen Wrabetz selbst erwägt seine Partei derzeit, einen Misstrauensantrag einzubringen: im ORF-Stiftungsrat.

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